RE: BLAZE'S CARAVAN
Zac war nicht dumm, natürlich spürte er von Anfang an, dass Ava nicht besonders glücklich über Lahjas unerwartetes Auftreten in ihrer beider Leben war. Und gewissermaßen konnte Zac das auch verstehen. Er hatte sich schon einmal hinter dem Rücken seiner Verlobten mehrmals mit seiner Ex-Freundin getroffen und damals beinah seine gesamte kleine Familie dadurch verloren, aber auch diesmal konnte er nichts gegen seinen Beschützerinstinkt und sein Helfersyndrom tun. Lahja brauchte ihn gerade, das spürte er. Eher noch, als sie selber. Den Fehler diese Treffen vor Ava zu verschweigen würde er allerdings nicht noch einmal begehen, und so stand er ihr ab dem ersten Abend ehrlich Rede und Antwort. Wann immer er sich mit Lahja traf - und sei es nur, dass er seine Mittagspause mit ihr verbrachte oder abends nach der Arbeit sie zu einer Runde Joggen motivierte - berichtete er seiner Verlobten später davon. Er versuchte möglichst einfühlsam und verständnisvoll dabei zu sein, und glaubte auch in Avas vielen Nachfragen zu dem aktuellen Leben seiner Ex-Freundin ihr Herz erwärmen zu können, denn es lag doch völlig auf der Hand, dass Lahja Unterstützung brauchte, wenn er Ava mal wieder von ihrem Dealer-Freund berichtete, von ihrem Drogenkonsum und der Zerstörungswut in ihr. Für Zacs Jugendliche hatte seine Freundin schließlich auch immer Verständnis und nahm es gutherzig hin, wenn mal wieder etwas im Jugendzentrum geschah und Zac dadurch erst spät in der Nacht nach Hause kam oder auch mal ein Wochenende opferte, um seinen Jungs zu helfen. Warum sollte es bei Lahja anders sein?
In Wirklichkeit war es das aber, es war völlig anders. Zac ging mit Lahja nicht so um wie mit seinen Jugendlichen - wie eine Autoritätsperson oder wie ein großer Bruder - sondern wie jemand, der diese junge Frau mal geliebt hatte und noch immer verdammt viel für sie empfand. Er machte zwar keinerlei Annäherungsversuche, aber manchmal ertappte er sich selber dabei wie er Lahja mal wieder intensiv ansah, wenn sie es gerade nicht merkte. Oder wie er oft abends im Bett - direkt neben seiner schlafenden Verlobten - lange wach lag und sich an vergangene Zeiten mit Lahja erinnerte. Schon von Anfang an hatte das etwas zwischen ihnen existiert, etwas Besonderes, vielleicht sogar Einzigartiges. Nicht nur sexuell, das war nicht einmal das Wichtigste daran. Es war eher so als wären sie beide manchmal wie ein Teil voneinander. Als könnten sie sich gegenseitig verstehen wie sonst niemand. Und das obwohl sie so unterschiedlich waren.
Nichtsdestotrotz änderte Lahjas Erscheinen aber auch gar nichts daran wie sehr Zac seine Ava liebte und wie sehr er sich wünschte, dass sie diese schwierige aktuelle Phase unbeschadet überstanden. Immer wieder versuchte er seine Verlobte mit Kleinigkeiten zu überraschen - mit ein paar Blumen, einem guten Wein oder auch nur, indem er ihr oft sagte und zeigte wie begehrenswert sie in seinen Augen war - um dadurch irgendwann in ihr zu erwecken, dass auch sie sich wieder wie eine geliebte Frau fühlte. Nicht nur wie eine geliebte Mutter. Anforderungen zu stellen fiel Zac aber dennoch weiterhin schwer: Er versuchte zwar erneut das Gespräch zu Ava zu suchen, aber als er spürte wie sie abblockte und auch gleichzeitig merkte wie gestresst und überlastet sie mit Scarletts Erziehung noch immer schien, da ließ er schnell davon ab ihr auch noch seine eigenen Ansprüche aufzudrängen. Er konnte es ja auch verstehen, sagte er dann zu sich selber. Und sie beide hatten ja Zeit. Irgendwann wäre auch ihre aufgedrehte, quengelnde Tochter wieder aus dieser schlimmen Phase heraus und dann könnte Ava auch endlich wieder durchatmen und zulassen, dass Scarlett nicht ihr ganzes Leben einnahm.
Also hielt er weiterhin geduldig aus, dass seine Beziehung sich irgendwann von selber regulierte, und versuchte wie immer in jeder Lebenslage mit Perfektion zu glänzen: Er versuchte Ava ein guter Mann zu sein, und seiner Tochter ein guter Vater. In seinem Job ein guter Sozialarbeiter und seinen Jugendlichen eine gute Vertrauensperson. Für seine Klienten ein guter Personal Trainer, für sein soziales Umfeld ein guter Freund und zuletzt auch für Lahja eine gute Stütze. Und über jeden Tag, an dem er seine eigenen Anforderungen an sich selber erfüllen konnte, war Zac am Ende stolz. So wie auch heute.
Um 4 Uhr morgens war er durch eine schreiende Scarlett geweckt worden, hatte sie auf seine Arme genommen und war mit ihr übermüdet durch die Wohnung gelaufen, um Ava die Ruhe zu geben wieder einschlafen zu können. Sachte hatte er seine Tochter in seinen Armen gewogen, so lange bis sie endlich wieder eingeschlafen war, und sich dann mit ihr auf das Sofa im Wohnzimmer gelegt, um sich selber auch noch eine knappe Stunde Schlaf zu gönnen. Um 6 Uhr war er aufgestanden, hatte Scarlett vorsichtig wieder in ihr Bett gelegt, um wie jeden Morgen joggen zu gehen. Vielleicht der einzige Zeitpunkt des Tages, an dem er wirklich nur an sich selber dachte. Danach hatte er Ava mit einem Frühstück im Bett geweckt und liebevoll ihre verspannten Schultern massiert, während sie ihren Tee trank. Dann die Dusche, er zog sich an, und verließ um 7.30 Uhr das Haus. Bei der Arbeit tat Zac alles, was er tun konnte, um den Menschen, die es am Dringendsten benötigten, eine Perspektive und Unterstützung zu bieten. Auch das war alles andere als einfach, und oftmals verzweifelte er beinah an all den Amtsvorschriften, die ihn in seinem Job am meisten ärgerten, aber auch heute hatte er gute Arbeit geleistet und war zufrieden mit sich selber, als er den Schreibtisch gegen Abend verließ. Da er Lahja am Nachmittag eine Nachricht geschickt hatte, ob sie beide heute etwas Essen gehen wollten, rief er auch Ava kurz an, um ihr mitzuteilen, was er vorhatte und dass es erneut etwas später werden würde. Ihre Stimme am Telefon klang erschöpft - vielleicht sogar etwas genervt - aber Zac versuchte sie zu besänftigen, indem er ihr versprach hinterher noch Einkaufen zu gehen und ihr dadurch erneut ein bisschen Last abnehmen. Im Nachhinein würde Zac zwar erfahren, dass das ein äußerst lächerlicher Versuch war seine Verlobte zu beruhigen, aber als er den Anruf beendete, da ahnte er noch nichts davon.
Wie so oft ging er stattdessen in aller Ruhe mit Lahja in einen Imbiss und danach noch spazieren. Sie unterhielten sich gut, und Zac glaubte auch zu merken, dass bereits eine Veränderung in ihr stattfand. Es war als wäre ihr endlich wieder etwas wichtig, das nicht mit Drogen und Zerstörung zusammenhing: Gutes Essen, leichter Sport, sich selber wieder zu fühlen. Klar und bewusst. Denn es gab doch auch keinen besseren Rausch, als die Realität. Wie jedes Mal verabschiedete er sich also auch an diesem Abend mit einer festen Umarmung von Lahja und machte sich langsam - mit einem Umweg in den Supermarkt - auf den Weg nach Hause. Dort war er aber noch nicht einmal angekommen, als Zacs Handy auf einmal klingelte, er umständlich versuchte alle Taschen in einer Hand zu jonglieren und abnahm, um direkt von Lahjas heiserer, verweinter Stimme überrascht zu werden. Erschrocken sprach er ihren Namen aus, aber was sie da sagte, das stieß ihm so hart vor den Kopf, dass er entsetzt stehen blieb und kein Wort mehr rausbrachte. Bis er bloß erschrocken "Ich komme" ausstieß, seine Einkäufe unachtsam auf dem Boden mitten auf der Straße fallen ließ, sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung rannte. Knapp 20 Minuten war er unterwegs, bis Zac endlich schwer atmend um eine Ecke bog und Lahja auf dem Boden kauernd entdeckte. Sie war so in sich zusammen gesunken, dass er erst dann ihre Verletzungen erkannte, als er zum Stehen kam und augenblicklich vor ihr auf den Boden sank. "Was zur-?!", brachte er anfangs jedoch bloß über die Lippen, als sie den Kopf hob und er das getrocknete, verschmierte Blut auf ihrer Haut geschockt anstarrte. Blut vermischt mit Tränen und Nasenschleim und Angst und Wut. Und irgendwo mittendrin müde, verschleierte Augen, die ihren Konsum nicht verbergen konnten. "Das war-- War das dein Freund? Blaze?" Eine absurde Mischung aus Furcht und Hass klang in Zacs Stimme mit, als er ganz vorsichtig seine Hände um ihr Gesicht legte und ihren Kopf sachte in alle Seiten drehte, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Wunden sich auf Lahjas Körper sammelten. "Was ist passiert? Warum-?" Weiter kam er nicht, ehe sie erneut seine erschrockenen Augen trafen.
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
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