RE: The Warfield
Eigentlich wusste Lucy, dass ich mein Privatleben immer gern aus der Öffentlichkeit und damit auch gleichzeitig aus der Musik fern gehalten hatte. Ich war nicht einmal in einem einzigen sozialen Netzwerk aktiv, allem voran deswegen, weil ich mich nicht angreifbar machen wollte vor Leuten, die ich überhaupt nicht kannte. Ich wollte nicht, dass Unbekannte darüber diskutierten, ob ich mich wohl noch immer in einer Beziehung befand oder Hetzjagden gegen mich anzettelten, weil man mich trotzdem auf der Tour mit einer anderen Frau gesehen hatte. Das war der Nachteil, wenn man einen gewissen Bekanntsheits-Status erreicht hatte. Das war sicher nicht dem zu vergleichen, was sich durchaus berühmte Pop- oder Hip-Hop-Künstler antun mussten, aber eine Hand voll Personen gab es auch bei unseren Konzerten jedes Mal, die wie besessen von uns waren und das alles hatte ich von Anfang an lieber weit von mir gewiesen. Jetzt hier auf der Bühne war mir das aber vollkommen gleichgültig. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, wie viele Leute Zeugen von diesem ersten Kuss wurden, auf den ich eine Ewigkeit lang hatte warten müssen. Nichts um mich herum existierte, außer dieses überwältigende Gefühl darüber, wie viel Mühe Lucy auf sich genommen hatte, um mir zu beweisen, dass sie weiterhin für uns kämpfen wollte. Und wie viel Mut es sie gekostet haben musste hier auf der Bühne zu stehen und es mir vor so vielen Menschen zu zeigen. "Du bist vollkommen verrückt", sprach ich kopfschüttelnd aus, nachdem unsere Lippen sich wieder voneinander getrennt hatten, aber zu mehr kam ich gar nicht, bevor einige Leute im Raum - inklusive mir - über den Satz lachen mussten, der dank des Mikrofons durch die ganze Halle ging. Im Gegensatz zu Lucy war die Bühne aber mein zweites Zuhause und ich hatte genug Shows gespielt, um zu wissen, dass man nicht einfach das Mikrofon auf den Boden warf und ging. Vor allem nicht nach so einer Überraschung, mit der niemand rechnen konnte. Deshalb hielt ich zwar ihre Hand fest, aber hob mit der anderen doch noch einmal das Mikrofon an den Mund, um mich bei dem Publikum für den Abend zu bedanken und noch einmal nach einem angemessenen Applaus für meine Freundin aufzurufen. Erst danach drückte ich Lucys Hand sanft mit meiner und ging gemeinsam mit ihr von der Bühne, wischte mir mit meinem sowieso schon völlig durchnässten Tanktop die Schweißperlen von der Stirn und führte sie in den Backstageraum, wo dann auch erst einmal all meine Emotionen aus mir heraus brachen. Völlig überfordert drehte ich mich zum Rest der Band, starrte sie abwechselnd ratlos und kopfschüttelnd an. "Wusstet ihr davon? Habt ihr das alle vor mir geheim gehalten?" Was sich aber erst nach einer negativen Reaktion anhörte, änderte sich schnell, als ich Lucy wieder in die Augen sah und meine Stimme sofort weicher wurde. "Wie- wann hast du dafür geübt? Hast du das schon länger geplant oder- nach letzter Woche? Und warum?" Ich hatte keinen Ahnung, ob unsere eigentliche Distanz zueinander noch galt, aber ich war noch immer so überwältigt, dass ich gar nicht daran dachte, als ich erneut nach Lucys Hand griff und sie mit meiner umschloss.
AIDEN RUTHERFORD # 28 YEARS OLD # HARDCORE
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