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SAN FRANCISCO KRANKENHAUS
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Gus Evans
REVOLT, REBEL, RESIST!


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Beitrag #21
RE: KRANKENHAUS
Aufmerksam hörte ich Jamie zu, aber ich schaffte es gar nicht etwas zu ihrem Vater oder der Schuld, die sie sich gab, zu sagen. Das Herz in meiner Brust schlug viel zu schwer. Und auch wenn ich versuchte diese Spannung zwischen uns nicht wieder aufkommen zu lassen, in meinem Körper sah es ganz anders aus. Den ganzen verdammten Tag lang hatte ich mit der Angst leben müssen, dass Jamie eventuell gar nicht mehr existierte. Dass sie diejenige gewesen war, die bei dem Unfall ihr Leben lassen musste. Und das hatte etwas geändert. Wenn ich in Portland so angekommen wäre wie geplant, wenn ich mich dort von meinen Mitreisenden getrennt und dann langsam damit begonnen hätte Los Angeles, San Francisco, Jamie und alles, was dazu gehörte, zu vergessen - dann wäre es vermutlich so gewesen wie immer. Dann hätte sich diese Unruhe in mir wieder gelegt, ich hätte neu begonnen und alles andere hätte irgendwann keine Rolle mehr gespielt. Aber diese Angst um Jamie, die hatte ich so noch nie gespürt, und das war schlimmer, als alles andere. Schlimmer, als jede Nervosität in meinem Körper, die von der Zuneigung einer anderen Person ausgelöst wurde. Und das hatte letztendlich dazu geführt, dass ich den ganzen langen Tag in dem fremden Truck damit verbracht hatte mir über mein eigenes Verhalten Gedanken zu machen. Mir darüber klar zu werden, was mit mir los war und warum ich so reagierte, wie ich es tat. Ich selber war schon überfordert mit diesen ganzen Gedanken und Gefühlen, aber es auch noch auszusprechen und damit noch realer werden zu lassen, das war so hart, dass ich angespannt meine Hände gegeneinander presste, kurz den Blick darauf senkte, aber dann doch in Jamies Augen sah und versuchte mich zu erklären. "Ich weiß. Das ist auch, was ich dir sagen wollte. Ich wollte versuchen dir irgendwie zu erklären, was da in mir los ist. Erst einmal tut es mir Leid. Dass ich einfach gegangen bin. Das hast du nicht verdient und das weiß ich. Ich wollte nie- dass es dir nicht gut geht. Oder dass sowas wie das hier passiert. Deswegen hab ich auch versucht, dass es gar nicht erst soweit kommt, aber- irgendwie- da ist einiges nicht so gelaufen, wie ich es beabsichtigt hab." Auch wenn ich normalerweise keine Probleme damit hatte offen über mich und meine Vergangenheit zu reden, in diesem Moment war das anders und auch ich brach ständig im Satz ab, um die richtigen Worte zu finden. "Ich hab dir immer wieder gesagt, dass es nichts mit dir zutun hat, wenn ich gehe. Du hättest das nicht verhindern können. Das Problem ist einfach- wenn ich anfange mich irgendwo oder bei irgendwem wohl zu fühlen, dann geh ich. Es ist nicht so, dass ich- mit einer Stadt abschließe, weil ich alles darin gesehen hab und weil ich mehr in der Welt sehen will, sondern- ich glaube ich hab Angst davor irgendwo anzukommen. Ich weiß nicht, warum. Weshalb ich immer wieder weglaufe, aber- ich hab heute den ganzen Tag versucht es zu verstehen. Ich glaube einerseits hat das damit zutun, dass ich nie wirklich gelernt hab, wie das funktioniert. Zwischenmenschliche Beziehungen. Ich fühl mich davon schnell überfordert und das Gefühl- das kann ich nicht leiden. Andererseits - wenn ich wirklich irgendwo ankomme und irgendwo bleibe, dann ist alles, was ich bisher gemacht hab doch sinnlos. Ich geb es nicht gerne zu und ich rede mir auch gerne ein, dass es nicht so ist, aber dass ich ständig unterwegs bin - natürlich hat das auch etwas damit zutun, dass ich den Ort suche, wo ich eigentlich herkomme. Die Leute, die eigentlich zu mir gehören sollten. Ich erinnere mich an überhaupt nichts, was in den ersten vier Jahren meines Lebens passiert ist, ich weiß nicht einmal, ob ich wirklich so heiße wie ich heiße. Welchen Namen mir meine Eltern eigentlich gegeben haben. Wann ich wirklich geboren bin. Ich weiß überhaupt nicht wer ich bin und ich denke auch immer - wenn ich anfange mich irgendwo heimisch zu fühlen, dann werde ich nie herausfinden, woher ich komme. Deswegen lauf ich lieber immer weg, bevor es zu spät ist." Das, was aber eigentlich am Schmerzhaftesten war, war etwas ganz anderes. "Und- vielleicht- vielleicht habe ich einfach Angst davor das zuzulassen. Dass mich jemand mag. Nicht, weil ich irgendwie nützlich bin, sondern einfach- weil ich so bin wie ich bin. Genau das, was du mir gesagt hast. Was du alles- so gut an mir findest. Wenn ich so etwas höre, dann ist da so ein grauenhaftes Gefühl in meinem Körper. Eine unangenehme Unruhe in meiner Brust. Weil ich- ich weiß nicht, was passiert, wenn ich akzeptiere, dass ich es wert bin gemocht zu werden. Dafür, wie ich bin. Irgendwie hab ich mir tief im Innern das Verschwinden meiner Eltern immer so erklärt, dass sie keine Liebe für mich empfinden konnten. Weil ich eben so- anders bin. So komisch. Ich bin leichter damit Zurecht gekommen mir zu sagen, dass es an mir liegt. Dass mit mir irgendetwas nicht stimmt und dass sie mich deshalb nicht wollten. Aber wenn ich zulasse, dass jemand mir zeigt, dass es da Dinge in mir gibt, die man lieben kann, dann- warum sind sie denn dann gegangen? Warum haben sie ihr Kind allein gelassen? Warum konnten sie mich nicht lieben, aber jemand anders schon? Das macht keinen Sinn. Und ich weiß nicht, was mit mir geschieht, wenn ich das an mich heran lasse. Wenn ich anfange mich zu fragen, weshalb sie gegangen sind, obwohl es da etwas in mir gibt, das sie hätten lieben können. Verstehst du?" Ausgesprochen fühlte sich das alles auf einmal so belastend an, dass ich meine Ellenbogen auf den Knien abstützte, den Oberkörper ein wenig nach vorne lehnte und mit meinen Händen fest über mein Gesicht rieb. "Das alles entschuldigt nichts, das weiß ich. Aber ich will nicht, dass du noch einmal denkst, dass du an irgendetwas Schuld bist. Oder dass der Kuss furchtbar war. War er nicht, im Gegenteil."


AUGUSTUS EVANS # 25 YEARS OLD # HOMELESS

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02.08.2015 15:31
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SAN FRANCISCO KRANKENHAUS - Admiss - 19.07.2015, 11:37
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