RE: BURNING MAN
Matt bereute nicht, dass er an diesem Morgen an dem verrücktesten aller Orte mit Haily geschlafen hatte und in den ersten paar Tagen hätte er auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass das noch einmal passieren könnte, aber nachdem die beiden wieder in der Realität angekommen waren, als sie sich auf dem langen Weg Richtung Norden befanden, zur Freedom Cove, die seine kleine Hippie-Begleitung unbedingt sehen und erleben wollte, wurden auch die Zweifel in ihm langsam laut. Er ließ sich nicht gerne von gesellschaftlichen Erwartungen einschränken und er gab wenig darauf, dass vieles gegen die beiden sprach, aber er war nunmal auch nicht ganz so frei und ungebunden in seinem Charakter wie Haily. Er hatte ein anderes Leben gelebt, als sie, und das vor allem auch schon deutlich länger. Er fühlte und dachte anders und er stellte für sich selber fest, dass es ihm unheimlich schwer fiel die Beziehung zu ihr in sein Leben einzuordnen. Auf dem Festival war das in Ordnung, da hatten ihm Drogen die Sinne vernebelt und er hatte sich so frei gefühlt von jeglichen Regeln und Erwartungen, aber im echten Leben, wo war da ein Platz für Haily? Wie sah der aus? Sie war mehr, als nur eine Sex-Bekanntschaft, viel mehr, als eine Affäre, in ihm existierte wirkliche, echte Liebe für die junge Frau, aber was war sie dann? Könnte er sich auch verlieben in sie? Und was bedeutete das für seine Vergangenheit? Für die Gefühle, die er trotz allem noch immer für Madison empfand? War er überhaupt schon dazu bereit eine andere Frau zu lieben, nicht nur platonisch, wie es zwischen Haily und ihm bisher der Fall gewesen war, sondern gleichzeitig auch sexuell? War das richtig? War das okay? Fühlte sich das falsch an? Oder woher kam diese Unsicherheit in ihm? Matt war mit sich selber, mit seinen Gedanken, so überfordert, dass sich gar keine Möglichkeit ergab noch einmal Lust zu entwickeln, aber gleichzeitig ließ er auch nicht zu, dass sich etwas zwischen ihm und ihr änderte. Die beiden gingen so locker und offen miteinander um wie immer, sie schliefen weiterhin problemlos nebeneinander und sie redeten über alles, das ihnen in den Kopf kam. Nur seine Gefühle für sie, seine Gedanken, die teilte er nicht mit ihr. Das war etwas, das er selber herausfinden musste, ganz allein, glaubte er zumindest. In Wirklichkeit hatte er jedoch etwas ganz anderes gebraucht, um Klarheit in seinen Kopf zu kriegen und das fand er in dem älteren Ehepaar, das sich die Freedom Cove errichtet hatte und nun hier lebte. Während Haily begeistert das ganze Areal erkundete, während sie sich aufgeregt alles ansah und in jedem der besonderen Details ein Stück Glück fand, setzte er sich in aller Ruhe zu dem Paar und redete mit ihnen. Erst einmal versuchte er ihnen den kleinen Hippie zu erklären, versuchte zu verhindern, dass sie ihr die neugierige, ja fast schon aufdringliche Art übel nahmen, aber dieser Gedankengang war für die beiden Fremden sowieso völlig fern. Sie freuten sich viel eher über das Interesse der jungen Frau, sie freuten sich darüber jemanden hier zu haben, der ähnliche Vorstellungen des Lebens teilte und der genauso viel Freude in den vielen bunten kleinen Häuschen und den unzähligen Pflanzen fand wie sie. Stunden brauchte es, bis Haily aus ihrer Faszination zurückkehrte, aber so wie Matt hier mit dem Paar saß, mitten in einem wunderschönen Teil ihres sogenannten Gartens, verging die Zeit wie im Flug. Das Gespräch war von Anfang an unheimlich offen und ehrlich gewesen und die beiden so freundlich, so warmherzig und aufmerksam, dass er nicht nur gespannt ihrer Lebensgeschichte lauschte, sondern auch selber von sich erzählte. Er redete von Madison, von seinen eigenen Visionen für die Zukunft, die jetzt nicht mehr so existierten, und davon, dass so ein Leben wie das, welches sie miteinander führten, auch ihn hätte glücklich machen können. Und dann redete er auch von Haily, von dieser absurden Verbindung, die er zu ihr hatte, wie er sich gleichzeitig als ihr bester Freund, als ihr Partner, ein Lebensabschnittsgefährte, ihr Bruder und dann ab und zu sogar wie ihr Vater fühlte. Regelmäßig ging er all diese Phasen durch und auch die damit einhergehenden Emotionen - er empfand Zuneigung und Liebe für sie, sie weckte seinen Beschützerinstinkt und seine Aufmerksamkeit, seine Abenteuerlust und sein Risikoreichtum - und doch konnte nichts davon so wirklich beschreiben, was sie füreinander waren. Keine weltliche Erklärung passte zu ihnen und das ältere Paar merkte schnell, dass Matt sich davon überfordert fühlte. Und sie zeigten ihm auch auf, weshalb das so war: Weil er sich nicht gänzlich lösen konnte, von allem, was er bisher kennengelernt hatte. Auf dem Festival war es für ihn selbstverständlich gewesen Haily so zu lieben wie es sich in dem Moment richtig anfühlte, weil dieses Festival grenzenlose Freiheit zelebriert hatte, aber in der richtigen Welt - in der Welt, die mit Erwartungen und Verurteilungen einher ging - konnte er nicht ganz so loslassen. Und das war nicht richtig. Er musste sich seine eigene Freiheit schaffen, in sich. Er durfte Freiheit nicht mehr länger von einem Ort abhängig machen oder von einer Umgebung, sondern seinen Kopf damit füllen. Seinen Körper, sein Herz. Sie erklärten ihm, dass unter anderem dieser Freiheits-Gedanke sie dazu motiviert hatte die Freedom Cove zu errichten, dieses Stück Frieden in einer hektischen, schnelllebigen, falschen Welt, und dass hier an diesem Ort Regeln und Normen keinen Platz hatten. Sie beide boten ihm sogar an einfach hier zu bleiben, so lange Haily und er das wollten, um hier nach dem zu suchen, was ihm bisher im Leben noch fehlte, und als Stunden später der blonde, kleine Hippie zwischen den Pflanzen wieder hervor kam, fühlte Matt sich so geerdet und so dankbar, dass er von der Anspannung der letzten Tage schon gar nichts mehr fühlte. Er war so unglaublich entspannt, fühlte sich wohl in seiner Haut, und das strahlte er auch zweifellos aus, als er Haily breit anlächelte, auf der Holzbank ein Stück zur Seite rutschte und einladend neben sich klopfte. "Ich hab Catherine und Wayne versprochen, dass wir gleich für sie kochen", weihte er sie in den Plan für den heutigen Abend ein. "Und wir können hier bleiben, so lange wir wollen. In der kleinen Hütte da vorne, zwischen den Gewächshäusern, steht noch ein Bett, in dem wir schlafen können und wenn wir die Küche oder das Bad benutzen wollen, kommen wir einfach zu ihnen. Und wenn wir wollen, dann können wir später oder morgen sogar das kleine Ruderboot nehmen und ein bisschen raus fahren. Hast du Lust?" Es fühlte sich so richtig an Hailys Hand in seine zu nehmen, dass er es einfach tat. "Was hast du sonst noch Spannendes gefunden? Erzähl."
MATTHEW NICHOLAS DAWSON # 39 YEARS OLD # HIPPIE PUNK
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