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KILIAN'S FLAT
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Kilian Thomas Carter
THE MISTAKES OF MY YOUTH
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RE: KILIAN # LAHJA
Eigentlich sollte ich mich nach all der Scheiße, die in meinem Leben bereits passiert war, doch schon darauf einstellen, dass auf eine schöne, harmonische Zeit immer ein großer Knall folgte. Hatte ich aber nicht. Es lief doch auch gerade alles so gut. April und ich näherten einander wieder an und obwohl sie sich zwar noch immer gegen eine feste Beziehung sträubte, war ich trotzdem derjenige, den sie aufsuchte, wenn sie sich nach Nähe und Zuneigung sehnte. Ebenso sehr hob dann auch der Tod von Chris meine Stimmung und die damit einhergehende Sicherheit, dass er niemals mehr jemandem etwas antun könnte, der mir am Herzen lag. Gerade wegen April und wegen ihrem Job unter seiner Hand, nahm mir das eine große Angst. Lahja hingegen verfolgte mit ihrem neuen Job zwar nicht mein Wunsch-Berufsfeld, aber wenigstens tat sie endlich etwas, das ihr Geld einbrachte und ich vertraute auch darauf, dass sie nach ein paar Wochen schon feststellen würde, dass körperlich harte Arbeit doch nichts für sie war. So waren Kinder doch. Immer setzten sie sich irgendwelche Flausen in den Kopf, träumten von einem coolen Leben on the road und letztendlich schmissen sie doch wieder hin, wenn sie merkten, dass man dort nicht nur eskalieren durfte, sondern auch wirkliche, echte Anstrengung dazu gehörte. Dass meine Tochter jetzt doch auf einmal wieder mit ihrem mittellosen Hippie-Musiker-Freund zusammen war, der ihr diese dumme Idee einer polyamoren oder offenen oder wie-auch-immer Beziehung beigebracht hatte, missfiel mir zwar auch, aber bei den beiden war das eh nur eine Frage der Zeit. Nach so viel hin und her würden die sich sowieso irgendwann endgültig trennen. Zweifellos. Hoffentlich. Ein weitere Dämpfer war selbstverständlich auch der nahende Geburtstag von Jeany, denn auch nach all den Jahren und obwohl ich April an meiner Seite hatte, die ich ehrlich und aufrichtig liebte, fehlte sie mir natürlich noch immer. Mir fehlte unsere Beziehung, mir fehlte die Mutter meiner Tochter, meine Bezugsperson, meine Vergangenheit. Mir fehlte es sie anzusehen, sie in den Arm zu nehmen, mit ihr zu reden und das wurde gerade um ihren Geburtstag und um ihr Todesdatum herum immer umso schwieriger. Einfach, weil ich dann ständig an sie denken musste.
Trotz der Spannung, die dann auch immer zwischen Lahja und mir herrschte, hätte ich aber niemals damit gerechnet, dass die Situation dann doch wieder so eskalierte wie vor einigen Tagen. Matt war nach einem anstrengenden Abend in der Kneipe noch auf einen Absacker mit zu mir gekommen - wir hatten uns ja auch einige Tage nicht gesehen, weil er schon wieder mit Madison die Stadt verlassen musste, nochmal Flitterwochen feiern oder so einen Scheiß - und als er gerade wieder gehen wollte, früh am Morgen, passierte dann natürlich, was bei unserem Pech halt passieren musste. Zac stand direkt vor der Tür, als Lahja mit einem fremden, unsympathisch wirkenden anderen Typen aus ihrem Zimmer herauskam und weil natürlich mal wieder niemand verstehen konnte, dass so ein schlampiges Verhalten unter aller Sau war und dass ich den betrügerischen Ex-Freund meiner Tochter sowieso nicht mehr in unseren vier Wänden sehen wollte, geriet die Situation außer Kontrolle. Vermutlich auch deshalb, weil Lahja und ich nunmal beide gereizt waren. Haltlos schrieen wir einander an, warfen uns Vorwürfe an den Kopf, bis sie dann meine Qualitäten als Vater infrage stellte und ich im Gegenzug etwas sagte, dass ich vielleicht nicht hätte sagen sollen. Selber Schuld allerdings, sie hatte ja damit begonnen. Beendet wurde das Ganze dann aber nicht etwa von ihr oder mir, sondern von diesem ekligen Muskelprotz, der mir auf einmal seine Faust gegen das Gesicht schmetterte. Vor meinen Gästen in der Kneipe und vor meinen Freunden, denen das Veilchen und die aufgeplatzte Haut über meinem Wangenknochen nicht entging, rechtfertigte ich mich damit, dass Zac sich völlig unerwartet eingemischt hatte und dass er so schnell und plötzlich von der Seite auf mich losgegangen wäre, dass ich gar nicht reagieren konnte, aber ich selber wusste leider, dass es anders war. Ich war halt nicht mehr achtzehn. Ich konnte nicht mehr so austeilen wie er und ich hielt auch nicht mehr so vielen Schlägen stand wie damals. Stattdessen sackte ich wie ein Kartoffelsack in die Knie und brauchte auch eindeutig viel zu lange, bis ich mich wieder gefangen hatte. So lange, dass Zac schon längst nicht mehr da war, als ich mich auf wackligen Knien dafür revanchieren wollte. Genauso wenig wie meine Tochter.
Seitdem waren jetzt bereits ein paar Tage vergangen, aber Lahja war immer noch wie vom Erdboden verschluckt. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen, Matt hielt mir auch noch ein paar Mal vor, dass ich wieder Grenzen überschritten hatte und mich bei ihr entschuldigen musste, aber so weit war ich noch nicht. Ich musste nämlich jetzt nicht nur mit dem Verschwinden meiner Tochter umgehen oder mit ihrer Ignoranz und auch nicht nur mit dem Tod von Jeany, sondern auch damit, dass mein Körper so langsam verfiel. Vielleicht sollte ich mich einfach direkt ins Grab legen, wenn ich es nicht einmal mehr mit den Typen meiner Tochter aufnehmen konnte. Was brachte mir mein Leben denn dann noch? Anstatt Reue walten zu lassen, schleppte ich also viel eher Missmut und schlechte Laune mit mir durch die Gegend und ging damit auch jedem so sehr auf den Geist, dass ich mich gar nicht erst bei April meldete. Das würde sonst auch nur wieder eskalieren. Lieber bemitleidete ich mich einfach selber und das vor allem an dem Geburtstag meiner verstorbenen Freundin. Um Lahja aus dem Weg zu gehen, hatte ich ihr Grab früh morgens schon besucht, ein paar frische Blumen davor nieder gelegt und einfach versucht ihre Anwesenheit zu spüren, aber ich machte mir nicht viel aus Friedhöfen oder aus Gräbern. Ich fühlte mich ihr dort nicht mehr verbunden, als anderswo, dafür war ich zu sehr Realist. Oder Pessimist. Nach dem Tod war das Leben nun einmal vorbei, niemand würde mich hören, wenn ich jetzt dort zu ihr sprach. Meine Trauer verarbeitete ich eher, indem ich mich ganz bewusst in meiner Wohnung verkroch, mich auf das Sofa legte, die Decke anstarrte und einfach alles um mich herum hasste. Ganz besonders die Person, die es am heutigen Tag wagte bei mir zu klingeln, aber als auch meine Ignoranz nichts zu nützen schien, stand ich griesgrämig auf und öffnete halt doch die Tür. Um kurze Zeit später zu erkennen wie April die Treppen nach oben gelaufen kam. Hin- und hergerissen zwischen Freude und Missmut sah ich sie an, denn obwohl ich mich zwar nach ihr sehnte und obwohl ich wusste, dass sie mir den heutigen Tag ein wenig erträglicher machen könnte, hatte ich auch zurecht Angst davor, dass ich sie mit meiner schlechten Stimmung verletzte und erneut einen Konflikt heraufbeschwor. Ihre Worte gaben wir aber wenigstens das Gefühl, dass sie schon mit genau dieser Version von mir gerechnet hatte und dass sie wusste, worauf sie sich gerade einließ, deshalb schloss ich dann doch zögerlich die Tür hinter ihr und schirmte die Verletzungen in meinem Gesicht bewusst ab, indem ich ihr einfach meine andere Seite zudrehte. Musste ja niemand sehen wie mich dieser Anabolika-Pumper zugerichtet hatte. "Der hat mich direkt beim ersten Schlag unschön erwischt, ich konnte gar nichts tun", rechtfertigte ich mich auch vor April grummelnd, ehe ich ihr in die Augen sah. "Du hast mit Lahja gesprochen? Hat sie dich angerufen? Wann?" Wie geht es ihr? Was hat sie gesagt? Wie hat sie sich angehört?, wollte ich eigentlich auch noch aussprechen, aber ließ es dann doch sein. "Hat sie dir gesagt, was passiert ist?" Ich akzeptierte zwar, dass April meine Hände in ihren hielt, ebenso wie ich ihren kurzen Kuss hinnahm, aber bevor ich ihr irgendeine Art von Zuneigung entgegen brachte, wollte ich mich erst einmal vergewissern, wo wir überhaupt standen. War sie hier, um mir eine Moralpredigt zu halten? Dann konnte sie nämlich sofort wieder gehen.
KILIAN THOMAS CARTER # 40 YEARS OLD # JOE'S BAR
![[Bild: kilian02.png]](https://i.postimg.cc/nVNqdkNQ/kilian02.png)
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20.08.2016 18:19 |
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