TATTOO STUDIO
Beruflich könnte es bei mir nicht besser laufen. Nach und nach ließ sich beobachten wie mein Imperium immer mehr wuchs, Brookes ehemalige Geschäftspartner schienen größtenteils kooperativ und wenn sie es nicht waren, dann hatte ich genug effiziente Leute unter meiner Hand, die sich um die Sache kümmerten. Gewissermaßen hatte man einen großen Vorteil, wenn man die Geschäfte von jemand anderem einfach übernehmen konnte, viel wurde einem dadurch erleichtert, aber natürlich kamen dadurch auch Probleme auf, die man sonst nicht hätte. Misstrauen musste in dieser Situation besonders groß geschrieben werden, neben Feinden gab es nämlich auch so etwas wie Rächer. Diejenigen, die sich hörig und folgsam gaben, aber in Wirklichkeit nur auf einen schwachen Moment warteten. Es war ein schwieriges Unterfangen diese Dinge richtig abzuwägen, aber bisher schien es mir gut zu gelingen. Die, bei denen ich mir nicht sicher sein konnte, wurden radikal vor die Tür geschmissen, das galt für meine Dealer, meine Mädchen und auch genauso für die Handlanger, denen alle anderen Aufgaben aufgetragen wurden.
Doch so gut wie es im Berufsleben auch lief, von meinen privaten Angelegenheiten konnte ich das nicht behaupten. Einerseits war da Haily, die ich zwar jetzt schon mehrmals getroffen hatte und zu der ich auch tatsächlich so etwas wie eine geschwisterliche Beziehung aufbaute, aber die mich mit ihrem absurden Lebensstil doch immer wieder forderte. Ihre Art passte nicht zu mir, immer wieder schüttelte ich über sie den Kopf und musste mich auch nicht nur einmal fragen, ob ich nicht gerade einen großen Fehler beging. Wäre sie irgendwann unvorsichtig? Würde ihr oder vielleicht sogar mir etwas zustoßen, weil ich mit meiner Schwester jemanden in mein Leben ließ, der nicht so vorsichtig und diskret vorging, wie die anderen Leute, mit denen ich mich umgab? Gerade jetzt, während des großen Umschwungs, war das ein Risiko, das ich immer wieder infrage stellen musste. Ebenso belastete mich auch die Trennung von Summer, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. Beruflich hatten wir einander auch mehrmals treffen müssen, aber jedes verdammte Mal blieb es bei Geschäftlichem. Sobald diese Dinge geklärt waren stand sie einfach auf und ging. Das machte mich rasend. Dieses Desinteresse und diese Ignoranz ihrerseits und vor allem, dass sie mir nicht einfach Folge leisten konnte, wie sonst jeder in meinem Umfeld. Das ärgerte mich und bescherte mir nicht nur eine schlaflose Nacht, in der ich mich in meinem Bett hin und her wälzte. Mir fehlte ihr Körper, ihre verruchte, verführerische Stimme, mir fehlten ihre Hände auf meiner Haut, ihre harten Fingernägel, ihre weichen Haare und ihre Präsenz. Es machte mich wütend, dass ich nicht mehr gemeinsam mit ihr auf Veranstaltungen auftauchen konnte. Mit ihren knappen, engen Kleidern und diesen makellosen Kurven hatte sie jeden im Handumdrehen um ihren Finger wickeln können, sie zog die Aufmerksamkeit sofort auf sich, wenn sie einen Raum betrat. Mit ihr hatte ich mich mächtiger und stärker gefühlt, als jemals zuvor, und genau das war auch der Grund, weshalb ich sie nicht einfach kampflos aufgeben würde und weshalb ich schon lange an einem Plan feilte. Riskant war das, zweifellos. Ich würde zwar mit meinem Vorhaben definitiv ihre Aufmerksamkeit erregen, aber genauso ihre Wut. Vielleicht bedeutete das unsere endgültige Trennung, vielleicht würde sie mich danach nur umso mehr hassen, aber sie würde wenigstens wieder mit mir reden. Und ich würde diese Auseinandersetzung als Sieger verlassen, nicht sie.
Dass das Ganze diskret vor sich gehen musste war auch klar, ich wollte nicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen oder mein Gefolge damit verwirren, was ich für Spielchen in meiner Freizeit trieb, deshalb zögerte ich meine Pläne auch sehr lange heraus. Erst das Geschäftliche, dann das Private, das war doch auch der Grund gewesen, weshalb Summer und ich überhaupt voneinander getrennt waren. Aber als ich von einem meiner Spitzel erfuhr, dass diese Frau sich an Weihnachten auf Kilian, ihre ehemalige Affäre, eingelassen hatte, brannten bei mir die Sicherungen durch. Ich würde nicht mehr länger warten. Und sie würde schon zu spüren bekommen, dass man so etwas mit mir nicht machen konnte. Bei unserem Deal war es ihr so unheimlich wichtig gewesen, dass ich die Leute verschonte, die ihr wichtig waren, aber dieses Recht hatte sie verspielt, indem sie diejenige war, die unseren Deal einfach vergaß. Niemand war mehr sicher vor mir. April, die Ex-Freundin von Kilian und dank Lenn neuste Errungenschaft in meinem Stripclub, ebenso wenig wie Madison, die sowieso schon wieder Schulden bei mir angehäuft hatte. Fantastisch, wie sich diese beiden Frauen auch noch ganz von selbst in mein Leben manövrierten und sich mir regelrecht auslieferten, das machte mein Spiel umso einfacher. Eigentlich wollte ich mich erst auf April konzentrieren, damit könnte ich Kilian und Summer gleichermaßen treffen, aber da wusste ich ja auch noch nicht mit was für einer Bitte Madison mich heute konfrontieren würde, als ich im Studio saß und meine wenige Freizeit nutzte, um zu zeichnen.
CHARLES LUCAS THOMPSON # 34 YEARS OLD # CRIMINAL
![[Bild: chas01.png]](https://i.postimg.cc/9Q6PrBYh/chas01.png)
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