ZAC'S & NELE'S FLAT

[Noah Scott]

Auch wenn ich nur starr nach vorne sah und völlig abwesend wirkte, hörte ich jedes Wort aus Lahjas Mund und versuchte gleichzeitig eine Lösung zu finden, die uns alle irgendwie zufrieden stellen würde. Dass Chris sie vergewaltigt hatte, das konnte nicht nur ein Geheimnis zwischen ihr und mir bleiben, das ging nicht. Schon allein deshalb, weil ich viel zu unsicher im Umgang mit ihr war und weil ich mich zu wenig mit solch schwerwiegenden psychischen Belastungen auskannte. Ob Lahja wollte oder nicht, Zac würde davon erfahren und eigentlich hätte ich sie auch gerne darauf vorbereitet, dass ich mit ihm reden würde, wenn sie das nicht tat, aber in dem Moment änderte sich ihre Tonlage. Ich kannte meine Freundin schon so lange, mittlerweile wusste ich wie es aussah, wenn sie langsam die Kontrolle über sich verlor und das hier waren eindeutige Anzeichen. Die Spannung in ihrem Körper, die harte Stimme, dann die Ruhelosigkeit, das langsame durch den Raum Laufen. Automatisch versetzte mich das in höchste Alarmbereitschaft, ich drückte meine Handflächen rechts und links von mir auf den Boden und als unsere Blicke einander dann so eindeutig trafen, war ich ohne zu Zögern auf den Beinen. Ich musste nicht einmal mit ihr reden, um zu wissen, was Lahja wollte und wie dieser Abend enden würde, wenn ich nicht das Einzige tat, was in meiner Macht stand, indem ich auf die Wohnzimmertür zustürzte, eilig den Schlüssel heraus riss und es gerade schaffte die Tür zu schließen, ehe sie mich erreichte. Mit all meiner Kraft zog ich an der Klinke, so lange, bis der Schlüssel endlich griff und ihr den Ausweg versperrte. Scheiße, hatte ich grad wirklich meine Freundin im Wohnzimmer eingeschlossen? Grenzte das schon an Freiheitsberaubung? Atemlos starrte ich auf das helle Holz, versuchte mich durch die Tür hindurch bei Lahja zu entschuldigen, aber ihre Reaktion war eindeutig und ihre Wut kaum zu überhören. Zum Glück hatte ich mich nicht mit ihr gemeinsam in dem Raum eingeschlossen, gegen die Person da hinter der Tür hätte ich nämlich keine Chance gehabt, nicht in ihrem jetzigen Zustand. Und sonst eigentlich auch nicht.
Stattdessen tat ich das Erste, was mir in den Sinn kam, zog mein Handy aus der Hosentasche und rief bei Zac an, um ihn zu bitten so schnell wie möglich zu kommen. Nur knapp zehn Minuten musste ich aushalten, in denen ich immer mal wieder versuchte mit Lahja durch die Tür hindurch zu reden und sie zu beruhigen, ehe sich die Haustür öffnete und Zac mich mit einer ganz absurden Mischung aus Vorwürfen und Unsicherheit im Blick ansah. Wenigstens einer Sache war ich mir sicher und davon würde mich auch nichts mehr abbringen, egal wie sehr ich meine Freundin damit verletzen würde, aber noch bevor Zac etwas sagen konnte, bat ich ihn mit einem Nicken noch einmal ins Treppenhaus, senkte meine Stimme und erzählte ihm von Chris. Davon, dass er Lahja nicht nur geschlagen und gefoltert hatte, sondern auch vergewaltigt, mehrmals. "Beim letzten Mal muss sie wohl so etwas wie Lust empfunden haben. Sie hat gesagt- Chris wüsste wo und wie er sie berühren muss, sie war am Ende ihrer Kräfte, hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper und- Chris hat sich das zunutze gemacht. Lahja und ich, wir wollten- eben miteinander schlafen. Eventuell. Aber sie konnte nicht, weil es sie an ihn erinnert hat. Ich hab sie dann nach euch gefragt, weil ich gesehen hab, dass ihr- Sex hattet." Wieder deutete ich auf meinen Hals, um ihm zu zeigen, wovon ich sprach. "Sie hat gesagt das funktioniert für sie, das- Brutale, aber alles andere nicht. Und- ich kenne mich damit nicht aus, aber ich muss kein Psychologe sein, um zu wissen, dass das nicht richtig sein kann. Sie gibt sich immer noch selber die Schuld an allem und ich glaube- die Schmerzen kann sie als eine Art Bestrafung sehen, aber- liebevolle Berührungen, das schafft sie nicht." Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust, sah Zac direkt in die Augen und zuckte mit den Schultern, wenigstens war er genauso sprach- und fassungslos wie ich vorhin. Anstatt allerdings vor Lahja zu fliehen, so wie ich es getan hatte, schüttelte er den Kopf, ging direkt auf die Wohnzimmertür zu und drehte den Schlüssel herum. Aber gut, mit seinem Rücken musste er auch keine Angst haben in diesem Raum zu sterben, ich schon. "Ist das wahr?", fragte er direkt, an Lahja gewandt. Es brauchte gar nicht mehr Worte, um zu wissen, worum es ging.