BASKETBALL COURT

[Admiss]

Der Basketball Court am Venice Beach.

[Apple Jean White]

Apple hatte sich – mehr oder weniger – bei Chris eingelebt. Das alles wirkte noch wie ein Traum und sie dachte auch noch ganz oft, bald aufzuwachen. Das sie das doch alles wieder verlieren würde. Das er es sich anders Überlegen würde und ihm eine plötzliche Tochter, nach so langer Zeit, zu viel werden würde. Es wäre das schrecklichste, was passieren könnte. Sie hatte endlich wieder eine Familie, diesmal ihre Echte. Ihren leiblichen Vater! Apple hatte sich so sehr danach gesehnt. Dann war er auch noch so ein toller Mensch. Wirklich! Nur kannte sie auch das Leben und das war bekanntlich ein auf und ab, ein Grausames und sie hatte diese Angst immer in sich. Damit sie nicht Schuld sein würde, versuchte sie alles, es Chris Recht zu machen und dennoch wenig in seinem Leben aufzufallen. Damit sie eben nicht anecken konnte. Dabei Schluckte sie, wie viel Probleme es ihr bereitete, wieder in die Schule zu gehen – ein geregelter Tagesablauf. Stunden absitzen. Etwas tun, worauf man keine Lust hatte. Menschen die sie zu laberten, in ihrem Alter und nach ihrer Vergangenheit fragten. Lehrer, die wollten, dass sie Anschluss in der Klasse fand. Die Defizite aufzuholen. Alles zum kotzen. So gut es ging nahm sie sich aus allem raus, benahm sich Überheblich aber nicht zu krass, damit Chris nicht beim Direktor oder so antanzen musste. Das fehlte ja noch. Schlimm genug, dass sie ihm auf der Tasche lag. Auch das bereitete ihr Kopf zerbrechen. Wenn sie ihm Vorschlug, einen Nebenjob zu machen, hatte sie am nächsten Morgen viel zu viele Scheine an ihrem Platz auf dem Küchentisch liegen. Ohne ein Wort darüber zu verlieren und es war wohl mehr als Eindeutig, er wollte ihr Geld nicht und das sie jobbte. Da gab es auch nichts zu Diskutieren. Apple wusste aber auch nicht wirklich etwas mit der freien Zeit anzufangen. Es musste kein Schlafplatz mehr gefunden werden, kein Essen um das sie sich Sorgen musste oder eine warme Dusche. Nur mit den Jugendlichen kam sie auch nicht klar, die hatten doch alle nur Bullshit in ihrem Kopf und keine Ahnung – es war aber auch Schutz für sie. Vielleicht würde man sie wieder zum Opfer machen? Wie im Kinderheim. Das durfte sie nicht zulassen und deswegen war es klüger, sich gar nicht erst mit jemandem zu Beschäftigen! Einzig und alleine das Leben von ihrem Vater Interessierte sie und deswegen entging ihr auch nicht, wie angespannt er war, als ein paar Briefe ins Haus flatterten. Sie kümmerte sich wenigstens um das zu Hause der beiden. Sie machte Essen, sie räumte auf, hielt alles sauber, brachte den Müll raus und holte eben auch die Post. Wie eine unheimlich vorbildliche Tochter. Chris Entschied also auch, worüber er mit ihr Reden wollte und worüber nicht – sie hielt sich zurück und fragte nichts, was ihn Verstimmte. Als sich diese Post häufte und er danach immer genervter Schien, machte sich Apple dann doch Sorgen und während er auf der Arbeit war, begann sie danach zu Suchen. Anzeige? Polizei? Von wem? Wer machte das? Wer versuchte ihr, ihren Vater weg zu nehmen? Ins Gefängnis zu stecken? Nein, sie könnte das nicht Ertragen. Apple schrieb sich die Namen auf, alles, was sie den Briefen entnehmen konnte um sich dann in ihrem Zimmer vor dem PC auf die Suche zu machen. Social Media, Lahja Emilia O´Neill und eine tätowierte Bitch erschien auf dem Bildschirm. Als ob ihr Vater die angepackt hätte. Vielleicht wollte die sein Geld? Wurde von einem Gangster angesetzt? Dem Hohlkopf, mit dem er Arbeiten musste und dem er Gedroht hatte? Vielleicht eine Rache? Oder diese Alte hatte sich in ihn verliebt und er hatte sie abgewiesen? Jetzt kam sie damit nicht klar und dachte sich das alles aus! So musste es sein. Aha, sie hatte also auch einen Freund, wie man auf einem der Bilder unschwer erkennen konnte. Vielleicht war sie auch einfach eine Schlampe, hatte ihren Freund mit ihrem Vater betrogen und vertuschte es so? Apple malte sich so einiges aus aber es verlief immer so, Chris war Unschuldig! Definitiv! Es dauerte, bis sie die Adresse heraus bekam – über ein paar Fake Anrufe bei dem Anwalt ihres Vaters. Apple hatte nichts zu tun und es machte ihr nichts, auf der Straße zu sitzen und diese Lahja auszuspionieren. Was ihr Vater an der gefunden hatte? Jede Person, die im Verdacht stand, ihr ihren Vater weg zu nehmen, erntete ihren Hass. Seid ein oder zwei Tagen war ihr Freund da, aha. Der von den Bildern. Vielleicht wäre es weniger auffällig, sich mal mit dem zu Unterhalten und wie man Männer von sich Überzeugte, da kannte sie sich aus. Das Noah anders war, konnte Apple nicht ahnen. Sie dachte schon, die beiden würden sich nie aus den Augen lassen – so ätzend verliebt auch noch – aber irgendwann zog er mit seiner Gitarre in die eine und sie in die andere Richtung. Jetzt hieß es Aktion. Gespielt verzweifelt tippte sie auf ihrem Smartphone herum, ganz vertieft, Fluchte leise aber gesittet – sie kannte den Typ ja nicht – und rempelte ihn an. „ Oh Entschuldige...“ verließ es schockiert ihre Lippen. „...ich hab nicht aufgepasst. Bin ich auch schon so ein Handy Zombie.“ Nett Lächeln, Entschuldigend die Schultern heben. „ Nein, eigentlich nicht... kennst du dich hier etwas aus? Mein Handy spinnt herum und ich bin neu in der Stadt – ich suche den bekannten Strand?“ Ratlos betrachtete sie Noah´s Gesicht, sie kannte seinen Namen schon. Schob das durchaus funktionierende Handy in die Tasche, warf noch mal hilflos einen Blick die Straße hinauf und hinunter. „ Ich hoffe ich bin nicht in die falsche Richtung gelaufen.“ Ja, armes Mädchen.

[Noah Scott]

Immer wenn ich Lahja in Los Angeles besuchte, dann stand grundsätzlich fest, dass wir so viel Zeit wie möglich miteinander verbrachten. Sie nahm sich während dieser paar Tage nichts anderes vor und ich ging auch nur äußerst selten auf die Straße, um Musik zu spielen und ein bisschen was nebenher zu verdienen. Nur, wenn ich gerade dringend Geld benötigte. Und gerade nachdem ich Weihnachten und auch Silvester mit ihr gemeinsam verpasst hatte, waren wir jetzt umso eher darauf bedacht die Zeit miteinander zu genießen und auch voll auszukosten. Wie zwei Kletten klebten wir aneinander, was momentan auch umso besser funktionierte, weil meine Freundin so glücklich und entspannt wirkte wie selten zuvor und dadurch auch viel zugänglicher wurde. Diese Beziehung zu Zac, von der sie mir natürlich erzählt hatte, schien ihr tatsächlich zu helfen, er machte sie ausgeglichener und zufriedener und das wiederum war die beste Bestätigung dafür, dass diese offene Beziehung die richtige Entscheidung war. Sogar nach fünf Jahren Partnerschaft war es noch immer ein seltener Anblick Lahja so positiv gestimmt zu sehen. Umso schwerer fiel es, dass wir uns am heutigen Nachmittag tatsächlich für ein paar Stunden voneinander trennen mussten, weil sie irgendeinen wichtigen Amtstermin wahrnehmen musste, und es für mich tatsächlich nicht verkehrt wäre noch ein paar Dollar dazu zu verdienen. Mit meiner Gitarre auf dem Rücken verabschiedete ich mich also von meiner Freundin und schlug den direkten Weg zum Venice Beach ein, bis ich jedoch von einer unbekannten Frau angerempelt wurde und daher meine Aufmerksamkeit auf sie lenkte. "Kein Problem. Nichts passiert", erwiderte ich freundlich und höflich, aber weil mir im selben Moment auch auffiel, dass sie verloren aussah, blieb ich stehen und sah ihr mit einem Lächeln auf den Lippen ins Gesicht. "Den Venice Beach meinst du, oder? Sicher, der ist einfach hier die Straße hinunter-" Ich deutete mit meinem Arm schon in eine bestimmte Richtung, ehe ich jedoch gleichgültig die Schultern hochzog. "Komm einfach mit mir, wenn du magst. Ich will sowieso auch dahin, ist nicht mehr weit." Lächelnd streckte ich ihr sogar meine Hand entgegen, damit sie nicht mit einem Fremden mitgehen musste. "Ich bin Noah. Wohnst du hier seit Neustem oder machst du Urlaub in Los Angeles?"

[Apple Jean White]

Apple´s Plan schien aufzugehen, als er in eine Richtung deutete, dachte sie schon, er wollte sie sofort wieder los schicken aber dann bot er ihr doch noch an, ihn einfach zu Begleiten. Natürlich wusste sie, dass es dort einige Menschen gab und das er mit der Gitarre und Straßenmusik sein Geld machte, hatte sie auch raus gefunden. Genauso wusste sie eigentlich, wo sie hin musste aber der Plan war es gewesen, sich ihm anzunähern. Wenn sie ihm direkt mit Fragen kam oder wer sie war, würde er sie weg schicken oder Lügen. Alles bestreiten. Sie musste sein Vertrauen gewinnen, so einfach. Das würde zwar dauern aber die Informationen sollten dazu dienen, ihren Vater zu schützen. „ Oh, das ist aber nett – Dankeschön. Ja, den meine ich, ich habe gehört, da soll es ganz schön sein und irgendwie muss man sich ja mit einer neuen Stadt anfreunden. Mit schönen Orten klappt das immer, glaube ich.“ Pha, sonst sah sie zuerst die Abgründe der Städte und der Rest interessierte sie dann schon nicht mehr. Schöne Orte musste man sich selber schaffen. Es war so Mühsam, nett zu sein, obwohl sie nur Wissen wollte, warum diese Menschen so gemein zu Chris waren aber nach einem Blick auf seine Hand, hielt auch sie ihm ihre hin. „ Maggi – freut mich.“ Wenn einer der Menschen aus seinem Umfeld Chris Leben im Blick hätten, könnte jemand über sie Bescheid Wissen, also belog sie ihn lieber bei den Eckdaten. Um sich später aber nicht zu verraten, erfand sie nicht alles. „ Kein Urlaub, ich bin zu meinem Vater hier her gezogen – aus Texas. Hier ist alles... ganz anders, groß, lebendig, laut, schnell und so unübersichtlich, ich komm dort vom Land.“ So sah sie nicht direkt aus aber es war immerhin die Wahrheit, sie hatte nur einen Teil weg gelassen. „ Was machst du hier? Du bist Musiker?“ Interessiert betrachtete sie den jungen Mann, setzte sich mit ihm in Bewegung.

[Noah Scott]

Wenn ich eines von meinen Hippie-Freunden jetzt schon gelernt hatte, dann war es der Wille zur Kommunikation und das Streben dahin andere Personen wirklich kennenlernen zu wollen. Die tiefe sichere Erkenntnis, dass jeder Mensch etwas Positives in sich trug, und dass es sich lohnte nach genau dieser Eigenschaft zu suchen. Weil man aus jeder Begegnung etwas lernen konnte und weil man mit jedem Gespräch auch selber reifte. Umso freundlicher und offener sah ich daher Maggi auch an. "Deine Beschreibung von Los Angeles hört sich aber nicht so an, als wärst du schon total überzeugt von der Stadt", stellte ich fest, während ich neben ihr her die Straße herunter lief. "Ich komme eigentlich aus New York, für mich war es hier also alles andere als laut, schnell und unübersichtlich, aber wenn man aus der Pampa von Texas kommt, ist man bestimmt anderes gewöhnt. Wie lange bist du denn schon hier? Und hast du irgendetwas Besonderes hier vor, außer bei dem Papa zu wohnen? Studieren? Oder hast du ein gutes Jobangebot? Oder was war ausschlaggebend für den Umzug?" Das war etwas, das ich mir vor allem von Haily angeeignet hatte: Auch nicht vor möglicherweise unangenehmen Antworten zurück zu schrecken. Wenn Maggi mir nicht erzählen wollte, warum sie auf einmal zu ihrem Vater zog, dann musste sie das ja nicht tun. "Um ehrlich zu sein bin ich gerade nur hier, um meine Freundin zu besuchen. Mittlerweile lebe ich eigentlich in San Francisco, aber so alle zwei bis drei Wochen fahre ich für ein paar Tage hierher, damit wir uns sehen können." Zufrieden sah ich von der Seite in das nicht ganz unattraktive Gesicht von Maggi. Ich konnte nicht recht deuten, ob das bloß oberflächliche Gründe hatte, aber sie wirkte jetzt schon unheimlich anziehend auf mich. So als würde uns irgendetwas miteinander verbinden. "Und ich bin mehr oder weniger Musiker, ja. Ich mache viel Straßenmusik, wenn es finanziell mal knapp ist, und einmal in der Woche spiele ich auch gegen eine kleine Gage in einem Pub in San Francisco. Und in einer Hardcore Band bin ich auch, aber das nur aus Spaß, dafür werden wir nicht bezahlt."

[Apple Jean White]

Für Apple war es nicht besonders Erstrebenswert, sich mit Menschen in ihrem Alter zu verstehen oder sie kennen zu lernen. Das hatte nichts mit ihrem Wesen Grundsätzlich zu tun, in Texas hatte sie viele Freunde gehabt und in ihrer ganzen Laufbahn eigentlich kein Problem mit ihrem Umfeld. Bis sie in dem Kinderheim gelernt hatte, wie grausam Menschen waren – bis sie seid dem auf dem Kinderstrich gearbeitet hatte und auch da waren die Männer teilweise Widerlich. Waren sie Nett, war sie Misstrauisch geworden – denn oft genug war sie am Anfang darauf reingefallen. Es war das Leben, was sie so verändert hatte. Nun war aber Wichtig, was sie zu ihm sagte und ihm den Eindruck einer normalen, jungen Frau zu vermitteln. Was bei seinen persönlichen Fragen nicht so einfach war. „ Ich weiß noch nicht, ich habe mich auf dem Land auch ganz wohl gefühlt – es gab trotzdem ein paar familiäre Unstimmigkeiten.“ Hätte sie Texas nie verlassen müssen, wäre ihr Leben wohl gänzlich ruhig verlaufen aber sie hätte auch niemals ihren richtigen Vater kennen lernen dürfen. „ Ich bin bei Verwandten groß geworden, mit meinem Dad kam der Rest der Familie nicht so klar. So ländlich sind die Jobchancen nur nicht so gut – ich bin bald fertig mit der Schule, ich wollte ihn kennen lernen und jemand wie ich ist auch selten... dort anzutreffen und selten ist immer gleich komisch – du kennst das ja Sicher.“ Lächelnd deutete sie an, sie meinte seine Tattoos. Sie wusste nicht mal ob das Stimmte, sie hatte sich Äußerlich relativ schnell Verändert aber erst seid dem Tod der Pflegeeltern. Apple lief neben ihm her, sah immer wieder sein Profil von der Seite an. Wie Menschen sich doch verstellen konnten! Sie ging noch immer davon aus, Noah wäre der Böse – ebenso wie seine Freundin, von der er sprach. „ Oh, eine Fernbeziehung? Ist das denn nicht... auch schwer? Wie lange klappt das bei euch? Wenn ich fragen darf. Ich hoffe ich halte dich nun nicht ab oder sie wird Sauer, wenn du also keine Zeit hast mich an den Strand zu bringen, voll okay.“ Es verwirrte sie auch, das erste, richtige Gespräch mit jemandem in ihrem Alter zu führen – oder zumindest fast in ihrem Alter. „ Straßenmusik? Dann musst du ja ziemlich gut sein. Ich war noch nie auf einem Konzert.“ Wieder dieses etwas undefinierbare Lächeln von ihr, weil sie selber nicht wusste, was sie dabei fühlen sollte, wenn sie das sagte. Denn es Stimmte. Die Dinge, die junge Menschen in ihrem Leben anstellten, die fehlten ihr nun Mal.

[Noah Scott]

"Du bist bald fertig mit der Schule? Wie alt bist du denn?" Interessiert lehnte ich meinen Kopf ein wenig zur Seite. Ihr Gesicht sah doch schon so erwachsen aus, ich hätte sie locker auf Anfang oder Mitte 20 geschätzt, mitten im Studium oder schon ein paar Jahre im Job. "Also kanntest du deinen Vater vorher gar nicht? Ich nehme mal an deine Eltern haben sich früh geschieden und du bist dann bei deiner Mutter aufgewachsen?" Unwillkürlich erinnerte mich das an Lahja und daran, dass sie Kilian auch die ersten paar Jahre ihres Lebens nicht gekannt hatte. Und als Maggi in genau diesem Moment dann auch noch nach meiner Freundin fragte, musste ich automatisch wieder lächeln. "Schwierig zu beantworten, aber- ja. Leicht sind Fernbeziehungen nicht. Lahja - also meine Freundin - und ich kennen uns jetzt schon gut fünf Jahre, damals hat sie auch noch in New York gewohnt. Erst waren wir nur Freunde, dann ist sie hierher umgezogen und auf einmal ist doch mehr daraus geworden. Zwei Jahre waren wir dann zusammen, über eine Distanz von New York nach Las Angeles und das ging schon- ziemlich an die Substanz. Wir haben uns dann getrennt, hatten ein paar Monate Funkstille, dann ging es etwas hin und her, aber- ja. Mittlerweile sind wir wieder zusammen, allerdings- eher in einer offenen Beziehung. Das hört sich vielleicht erstmal komisch an, aber für uns klappt das wirklich, wirklich gut. Ich meine, wir waren nie krankhaft eifersüchtig, aber ich glaube das entspannt eine Fernbeziehung doch ganz schön, wenn man sich darüber keine Gedanken mehr machen muss. Vielleicht sind wir aber auch einfach nur älter und reifer geworden." Amüsiert grinsend zog ich meine Schultern einmal hoch. "Was hast du denn überhaupt vor am Strand? Triffst du jemanden oder hast du Zeit? Wenn du Zeit hast, dann spiele ich dir jetzt dein erstes- mehr oder weniger Konzert." Straßenmusik konnte man ja nicht wirklich mit einem Konzert vergleichen, aber Maggi verstand bestimmt trotzdem, worauf ich hinaus wollte. "Gibt es mitten im Nirgendwo von Texas keine Konzerte?"

[Apple Jean White]

Vielleicht hätte sie sagen sollen, sie begann gerade die Ausbildung denn Social Media hatte ihr verraten, wie alt er war. Mit ihrem wirklichen Alter könnte sie ihm zu jung sein, sich weiter mit ihr zu Beschäftigen – manche Menschen waren ja so und sie durfte kein Risiko eingehen. „ Ach – ich hatte ein paar Startschwierigkeiten in der Schule – ich war eher so der Träumer und ein wenig langsamer, musste also auch zwei Klassen Wiederholen. Das ist mir ein bisschen peinlich – da das Schulsystem manchmal etwas engstirnig ist, bin ich auch hier eine Klasse zurück gekommen... aber ich bin zwanzig. Ist manchmal etwas schwer in der Schule oder eher in der Klassengemeinschaft... nur so kurz vor dem Ziel ist es auch blöd aufzugeben.“ War auch wirklich so, wegen ihrer verpassten Jahre war sie auch in eine viel niedrigere Klasse gesteckt worden, um dem Stoff hinterher zu kommen. Apple hatte sich gewehrt aber da waren Erwachsene nun mal echt verbissen. Sie gab es nicht gerne zu aber in Mathe fehlte ihr wirklich so einiges, war aber auch unnötig. Ihre Finanzen hatte sie immer geregelt bekommen, sollte ihr das mal jemand nach machen. „ Hast du... irgendetwas gelernt, außer der Musik? Versteh mich nicht falsch, ich dachte nur... ich bin Neugierig, ich kenne niemanden, der so lebt.“ Sie sollte ihn besser nicht Kritisieren, auch das hassten viele Menschen also Lächelte sie ihn entschuldigend an. „ Um mein Vorlaut sein wieder gut zu machen – Vertraue ich dir fremden Person an, dass ich schon früh Halbwaise geworden bin. Meine Ma ist von einem Auto erfasst worden, mit mir als Baby auf dem Arm – ich erinnere mich nicht daran oder an sie und da bin ich zu meiner Verwandtschaft gekommen. Sie hatten bessere Bedingungen und konnten meinem Dad damit das Sorgerecht weg schnappen aber irgendwann will man wohl Wissen, wo man her kommt, hm?“ Das erste Mal, dass Apple so diese Geschichte erzählte und auch wenn sie abgewandelt war, erstmals kam etwas so nahe an die Wahrheit heran. Wie weh das tat, versuchte sie vor ihm zu verbergen, hinter dem dunklen Pony. Oh, Lahja und Noah hatten ja eine lange Geschichte und umso unverständlicher war es, was dieses Miststück dann von ihrem Vater wollte. Eventuell zu wenig Aufmerksamkeit, weil ihr Freund nicht immer hier war. Chris hatte doch gesagt, er schlief nicht mit so jungen Frauen oder... war das geflunkert? War damit nur gemeint, keine Minderjährigen? „ Eine offene Beziehung? Also... einfach jemandem was haben, auf den man Lust hat? Um ehrlich zu sein, ich hatte bisher noch keine Beziehung. Mir liegt das nicht. Deswegen frage ich wahrscheinlich.“ Pustekuchen, sie wollte Wissen, was das mit den beiden auf sich hatte und ein Freund hatte in ihrem Leben bisher nichts verloren. Wie auch? Nun gab es da nur noch ihren Dad und das war auch gut so. Wieder sah sie ihn mit einem entschuldigenden Lächeln an, sie fand das Gespräch schon ziemlich tiefgreifend und für sie war das fremd. „ Nein – nichts vor, niemand wartet und außer der Farm-Tiere gibt es auch niemanden, der ein Konzert spielt in Texas. Zumindest da wo ich her komme. Die Jugendlichen gehen eher... Essen oder treffen sich daheim oder so. Ruhig halt. Was machst du in deiner Freizeit, außer Privatkonzerte, für verlaufene Frauen, die sich übrigens sehr geehrt fühlen.“ Apple wusste gar nicht, dass sie den soften Seitenblick so gut drauf hatte.

[Noah Scott]

"Nein, ich hab nie etwas gelernt", antwortete ich ganz offen und überhaupt nicht peinlich berührt. "Um ehrlich zu sein hab ich mit 16 die Schule geschmissen, also keine Sorge, ich bin der Letzte, der dich dafür kritisieren würde, dass du mit 20 noch keinen Abschluss hast." Liebevoll lächelte ich sie noch einmal an, schulische Leistungen waren doch so unglaublich nichtssagend. "Mit 16 bin ich dann auch schon nach New York gegangen, ich komme eigentlich aus einer kleineren Stadt knapp zwei Stunden von dort entfernt. Da bin ich dann bei Freunden eingezogen, in eine riesige WG, und hab mir alles, was ich zum Leben brauche, durch Straßenmusik verdient. Als ich damals mit Lahja zusammen war, hab ich immer mal wieder ein paar Tagesjobs gemacht und auch mal in einer Kneipe oder in einem Umzugsunternehmen gearbeitet, um mir das Geld für den Flug zu verdienen, aber sonst- nichts. Und bisher funktioniert das für mich ziemlich gut." Gleichgültig zog ich meine Schultern hoch, um Maggi zu verdeutlichen, dass ihr entschuldigender Blick völlig unnötig war. Meiner Meinung nach hatte sie auch nichts wieder gut zu machen, aber ich hörte ihr trotzdem aufmerksam zu, während sie über ihre Familie und den Tod ihrer Mutter sprach. "Also hast du deinen Vater auch vorher gar nicht gekannt? Bevor du hierher gezogen bist?" Auch wenn sie versuchte das zu verbergen, ich konnte gut mit Emotionen anderer Menschen umgehen und sah deshalb auch wie sehr sie das noch mitnahm. Aufmunternd legte ich deshalb meine Hand auf ihre Schulter, wohl wissend wie beruhigend Körperkontakt sein konnte, wenn man ihn nur zuließ. Bis sie nach der Beziehung zu Lahja fragte, ich langsam die Hand wieder sinken ließ und eher nachdenklich meine Schultern hoch zog. "Könnte man so sagen, ja, aber- eigentlich auch nicht, nein. Wir wollen einander einfach keine Freiheiten nehmen oder uns einschränken, das heißt- wenn wir jemanden kennen lernen und wenn wir das Verlangen danach haben dieser Person näher zu kommen, dann ist das okay. Wenn man anderen Leuten davon erzählt, dann heißt es immer Der will doch nur mit anderen Frauen ins Bett, aber darum geht es eigentlich gar nicht. Mir zumindest nicht." Weil das für viele vermutlich schwer war nachzuvollziehen, vor allem, wenn man selber einen Menschen noch nie so geliebt hatte wie ich Lahja liebte, sah ich Maggi ein wenig fragend an. "Warum glaubst du denn, dass dir Beziehungen nicht liegen?"

[Apple Jean White]

Verdammt, wieso lauschte sie so wirklich Interessiert? Vielleicht weil Apple keinen blassen Schimmer hatte, was sie gut konnte, außer Männer weit über ihrem Alter scharf zu machen. Okay, sie machte die Schule, Chris zu Liebe aber einen Job? 24-7? Jeden Tag? Dafür ein bisschen Geld bekommen? Ihr fehlte diese Phase, in der man Erkundete, was einem Spaß machte. Hobbys. Kommunikation mit anderen. Zumindest hatte sie es geschafft, sich nicht zum fixen überreden zu lassen. „ Aha... und... du wolltest nie was anderes machen? Keinen... anderen Berufswunsch in der Jugend? Noch habe ich nämlich so meine Probleme, was ich mal lernen soll - will.“ Abwehrend hob sie die Schultern, eher für sich selber, um sich zum Schweigen zu bringen. Was tat er denn da? Die Hand auf ihrer Schulter fühlte sich komisch an, was bezweckte er gerade? Apple war Alarmiert aber sie durfte ihn auch nicht vor den Kopf stoßen, sie Ignorierte das einfach gekonnt. „ Ja – wir lernen uns gerade kennen, sozusagen. Manchmal komisch, man will ja auch einen guten Eindruck machen aber irgendwie auch man selbst sein.“ Zweiteres tat sie, da wo sie Chris nicht sah. Sonst versuchte sie ihm die perfekte Tochter zu sein, in allen Bereichen aber verdammt – das war sie nicht und auch nicht das liebe, behütete Mädchen. Er sollte sie aber mögen. „ Eltern sind aber immer schwer – man findet doch kaum jemanden, der nicht etwas zu dem Thema zu meckern hat.“ Spielte sie das herunter. Sie lachte lieber, über das, was er sagte denn das war es, was sie ohnehin von den Menschen dachte – sie waren wie Triebgesteuerte Tiere und wenn man Schlau war, formte man das zu seinem Vorteil. „ Menschen sind auch nur... Tiere. Lebewesen. Das sind einfach natürliche Triebe. Wer sich das mit der triefenden Liebe, tiefgreifenden Gefühlen dazu ausgemalt hat, weiß ich nicht – Hollywood verdient sich damit dumm und dämlich - und das man sich das vor Gott auch noch quittieren lassen muss, ist die Krönung des Schwachsinns. Da würden doch so einige ins Fegefeuer gehen.“ Glauben, noch so etwas, was sie seid einigen Jahren verabscheute. Wo war denn der gute Herr? „ Ich denke, das beantwortet auch deine Frage ganz gut, denn ich bin nicht der Meinung, eine offene Beziehung ist eine Ausrede für Sex sondern eine naheliegende Lösung, wenn man sich nicht nur verarschen will und trotzdem bei dem Beziehungskram mit mischen mag.“ Oha, zu rapide? „ Muss... auch jeder für sich Wissen. Und... wenn du dich dann in noch jemanden verliebst? Wie geht ihr damit um? Glaubst du, diese Liebe ist immer fair aufgeteilt oder ist es, wie mit dem Kind, was man lieber mag als das andere, es als Eltern aber nie sagen darf, um das Kind nicht zu verletzen oder psychische Schäden zu verursachen?“ Ha, vielleicht lag da die Quelle, Lahja hatte sich in Chris verliebt.