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PSYCHIATRIE
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Zac William Coles
THINKING STRAIGHT
Beiträge: 281
Registriert seit: Jun 2015
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RE: PSYCHIATRIE
Das war nicht ihr Ernst. Das konnte nicht ihr Ernst sein. Wann waren wir denn an den Punkt gekommen, an dem wir uns gegenseitig so sehr bekriegten? Dass wir den anderen ganz bewusst leiden ließen? Dass wir uns verletzten? Fassungslos schüttelte ich darüber den Kopf, richtete mich neben Nele wieder auf und drückte mir meine flachen Hände gegen das Gesicht, verzweifelt und hilflos. "Ich wollte das hier nicht für dich, Nele. Ich wollte nie, dass man das mit dir macht." Sah sie das gar nicht? "Ich hab deine Mutter angerufen, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Weil ich mir Sorgen um dich mache. Du bist vielleicht der Meinung, dass du das alles alleine schaffst und ja, vielleicht tust du das, jetzt gerade, aber was ist in ein paar Wochen? Wenn die Depression wieder kommt? Was machst du dann? Du spülst deine Medikamente morgens mit Alkohol runter, Nele, du nimmst zu viele Drogen, du verdienst sogar Geld damit, indem du das Zeug verkaufst. Und du wohnst mit einem gewalttätigen Alkoholiker zusammen, der regelmäßig seine Tochter verprügelt hat, und sich jetzt, warum auch immer, so krass auf dich fixiert, dass er total unzurechnungsfähig bei mir im Jugendzentrum erscheint, um mir zu drohen, damit ich dir hier wieder raus helfe. Das ist kein Leben für dich. Du willst das vielleicht nicht wahrhaben, aber du machst alles nur noch schlimmer und nachdem was du mir gestern Morgen gesagt hast - dass ich mich nicht einmischen soll und dass es mich nichts mehr angeht, was wahrscheinlich auch stimmt - da musste ich deine Mutter anrufen. Damit jemand für dich da ist, wenn ich es nicht mehr bin. Ich dachte- möglicherweise überredet sie dich wieder mit nach England zu kommen, zu deiner Familie und deinen alten Freunden, in ein geregeltes Umfeld, aber- nicht das hier. Ich wollte nicht, dass sie dich in eine Klinik abschiebt, Nele, das war nie meine Absicht." Mit einem schwachen Kopfschütteln starrte ich meiner Ex-Freundin ins Gesicht, ehe ich noch einmal mein Handy hervorholte und kontrollierte, ob Lahja mir schon geantwortet hatte, aber nichts. Da war nichts. Ich musste mit ihr reden, verdammt. Kurz blieb mein Blick an der Tür hängen, unsicher überlegte ich, ob meine Beziehung wichtiger sein sollte, als das hier, aber letztendlich ließ ich mich wieder auf den Stuhl neben Nele sinken, schlug den Ordner auf und sprach tonlos all die Dinge aus, wegen denen ich hergekommen war. "Es gibt nur einen Grund, weshalb man dich gegen deinen Willen hier festhalten dürfte, und das ist, wenn du für andere oder für dich selber eine Gefahr darstellst. Das tust du nicht. Jeder Arzt müsste das sehen und dich nach spätestens 24 Stunden wieder entlassen, es sei denn deine Mutter hat hier falsche Tatsachen erzählt oder jemanden bestochen. Keine Ahnung. Das heißt: Dass man dich hier gerade festhält ist nicht rechtens. Ein Freund von einem Freund ist Anwalt, ich habe heute morgen schon mit ihm gesprochen und dir seine Nummer aufgeschrieben, ruf ihn an. Er weiß, was zutun ist." Mit meinem Finger deutete ich auf eine Telefonnummer in meinem Ordner. "Er wird die Polizei involvieren und dich hier raus holen, das bedeutet aber, dass du gegen deine Mutter aussagen musst. Das ist kein Kapitalverbrechen und es wird nicht direkt ein Verfahren eingeleitet, wenn du sie nicht verklagen willst, aber- ich kenne deine Mutter und ich weiß nicht genau, was passieren wird, wenn du dich so gegen sie stellst, Nele. Das sollte dir bewusst sein. Wenn du das trotzdem willst, dann bin ich da. Falls sie in Erwägung ziehen sollte gegen dich zu klagen und die Vormundschaft für dich zu beantragen, dann sage ich für dich aus. Ich hab die letzten Jahre mit dir zusammen gelebt, nicht sie. Ich weiß, wann du gefährlich für dich selber bist und wann nicht, jetzt gerade bist du es nicht. Und Adam hat die letzten Wochen mit dir zusammen gewohnt, er hat dich jeden Tag gesehen und er kann auch bezeugen, dass du nicht hier sein solltest. Wir helfen dir beide. Der Anwalt weiß das auch, ich habe ihm schon alles erzählt, was ich wusste, du musst ihn nur noch anrufen und dein Einverständnis geben, dass er die nächsten Schritte einleitet. Dann bist du noch heute hier wieder raus, spätestens morgen. In dem Ordner ist auch noch alles andere, was du brauchst. Eine Kopie von deiner Krankenakte, von deinem Personalausweis, eine Auflistung deiner Medikamente, die du regelmäßig und gewissenhaft nimmst, die Nummer von deinem bisherigen Therapeuten und sogar eine unterschriebene Aussage von mir, dass du nicht gemeingefährlich bist. Versteck die Sachen vor deiner Mutter, so lange, bis dein Anwalt hier ist. Okay? Hast du das alles verstanden? Kriegst du das hin? Über die Bezahlung von deinem Anwalt mach dir erstmal keine Gedanken, das schaffen wir schon irgendwie. Ich muss Lahja finden und mit ihr reden, aber- zur Not ruf Adam an, dass er dich abholt. Wenn er bis dahin seinen Rausch ausgeschlafen hat, dann hilft er dir bestimmt." Das war zwar auf Dauer keine Lösung und ich würde schon einen Weg finden ihn von Nele fernzuhalten, aber heute könnte er vielleicht ganz nützlich sein.
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
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13.05.2016 11:12 |
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Nele Hensley
Unregistered
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RE: PSYCHIATRIE
Ganz neben sich stehend versuchte sie den vielen Worten und Informationen von Zac zu Folgen. Das stellte sich als gar nicht mal so einfach heraus, denn auch für Nele war das hier kein Zuckerschlecken. So halb konnte sie begreifen, was um sie herum passierte und dann wurde ihr das denken doch wieder zu anstrengend und sie verlor den Faden. Immer wieder hob sich ihr Blick in seine Augen, streifte die Unterlagen um dann doch wieder aus dem Fenster heraus zu schweifen. Anwälte? Adam ein Alkoholiker und Gewalttätig? Zac hatte das nie gewollt, er hatte sich nicht anders zu helfen gewusst? Ihre eigene Mutter belasten? Auch die Frau, die nun einmal ihr Leben außerhalb dieses Zimmers auch Größtenteils finanzierte? Nele wusste das alles aber dann war da, mit einem Schlag, wieder jeglicher Ansatz verloren. Gestresst und Belastet strich sie sich über die Unterarme, mit geballten Fäusten rieb sie feste ihre Schläfe entlang und der Druck wurde so groß, dass sie sogar begann, mit den Fingernägeln über die Stoffhose über ihren Beinen zu schaben und dann über ihre samten Handrücken. „ O.. okay.“ Nele nickte nur und schämte sich für die unzureichende Antwort und vielleicht war das nicht der richtige Moment, weil Zac doch seine Beziehung retten wollte, die sie für ihn beendet hatte aber die psychisch so angeschlagene Seele knickte ein. Die schwarzhaarige, junge Frau senkte den Kopf und Tränen rollten über ihre Wangen, erst klammheimlich und leise, bis dann ein herzzerreißendes Schluchzen die Stille brach. „ Ich schaffe das doch alles nicht, ich bin verrückt und meine Mutter wird ihnen das beweisen und wenn nicht – wie soll ich denn weiter Leben? Einen... einen geregelten Job bekomme ich nicht hin. Der Therapeut sagte auch, so weit bin ich noch nicht. Das würde nur die Galgenfrist verlängern. Die Wohnung, die Medikamente – das allein...“ Sie schob die Hände über ihrem Nacken zusammen, presste die Fingerspitzen in ihre Haut. „ Was soll ich denn in England? Ich habe... diese Menschen so lange nicht gesehen und... die wissen doch auch nicht mit mir umzugehen.“ Manchmal glaubte sie, beim Abschied Erleichterung in einigen, wenigen Augenpaaren gesehen zu haben. Aber in einem gewissen, sehr bedeutendem, da war es auf jedenfall wie eine Befreiung. „ Meinen Dad wird das belasten, ich mache ihn wieder krank.“ Nele sortierte die Themen nicht, es ging auch nicht darum, Zac etwas vor zu heulen aber das musste einfach aus ihr heraus, es würde ihr Herz sonst verdunkeln. Noch – das zeigte diese Gefühlsregung – hatte sie aber nicht aufgegeben und aufgehört, zu Fühlen und über Dinge nachzudenken. „ Was meinst du damit? Adam Alkoholiker und Gewaltbereit? Ich weiß nicht, wovon du Redest. Er hat.... mir so unfassbar geholfen in den letzten Wochen. Du hast doch gar keine Ahnung.“ Hatte er auch nicht! „ Ich war so enttäuscht von dir, gerade du weißt doch, wie meine Eltern sind? Was dachtest du? Bist du nicht oft genug ins Visier geraten, ungerechtfertigt und haltlos? Ich will doch nur Leben, Fühlen, Glücklich sein – weißt du eigentlich wie hart der Kampf hier beim letzten Mal war?“ Wusste er nicht! Nele zog eng die Beine an ihren Bauch und sah über deren Rand, zwischen einzelnen Haarsträhnen, hinaus und fragte sich, wie weit weg dieses draußen für sie wurde. „ Ich wollte doch nur jeden Moment auskosten, aussaugen, vielleicht sammle ich dann genug Erinnerungen, wenn die Depressionen wieder kommen und sie sind nicht so schlimm. So erschlagend. So alles - einnehmend. Während du dich mit deiner neuen Freundin angenähert hast, habe ich auf den Tag hingearbeitet und ich habe so Angst, diese schöne Zeit zu verlieren. Ich will aber auch nicht ruhig gestellt werden, Zac, wenn sie mich zu so einem Zombie machen, dann werde ich das verhindern.“ Mal wieder klang diese Idee eines Suizides verdammt Glaubhaft.
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14.05.2016 20:34 |
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Zac William Coles
THINKING STRAIGHT
Beiträge: 281
Registriert seit: Jun 2015
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RE: PSYCHIATRIE
Nele besaß vermutlich nicht die nötige Sensibilität, um das sehen zu können, aber in mir trug sich gerade ein richtiger Kampf aus. Einerseits war ich so wütend auf sie, wütend darüber, dass sie meine Freundin angerufen hatte und dass sie mein Leben zerstörte, im Gegenzug dafür, dass ich ihr eigentlich nur helfen wollte. Ich war wütend darüber, dass das in ihrem Kopf in Ordnung und gerechtfertigt schien und dass sie es nicht einmal zustande brachte sich dafür zu entschuldigen. Ja, sie saß hier in einer geschlossenen Klinik und ja, das war meine Schuld gewesen, aber niemals meine Absicht. Deshalb war ich ja jetzt hier. Deshalb hatte ich seit Adams Erscheinen im Jugendzentrum jede Minute damit verbracht einen Weg zu finden sie wieder hier heraus zu holen. Weil ich nunmal nichts Böses für sie wollte. Sie hingegen, sie hatte nur aus Boshaftigkeit bei Lahja angerufen, sie hatte das getan, um mir zu schaden, und jetzt sah sie nicht einmal wie falsch ihr Verhalten war? Das in Verbindung damit, dass ich gerade meine Beziehung schwinden sah und unbedingt mit meiner Freundin reden musste, sorgte dafür, dass ich immer wieder ungeduldig, zähneknirschend in Richtung der Tür blickte und eigentlich nur gehen wollte, um den Rest Nele selber und ihrem Anwalt zu überlassen, aber da war nunmal auch der andere Teil in mir. Der Teil, der wusste, dass Neles Krankheit für ihr Verhalten verantwortlich war. Der Teil, der diese zehnjährige Beziehung im Herzen trug, der sie immer irgendwie lieben würde und der es nicht ertragen konnte, wenn sie so verzweifelt weinte wie jetzt gerade. Und dieser Teil war es auch, der mich dazu motivierte nach ihrer Hand zu greifen und ihre schmalen, zitternden Finger sanft mit meinen zu drücken. "Nein. Nein, Nele, du darfst jetzt nicht vor mir sitzen und mir verzweifelt erzählen, dass du das alles nicht schaffst. Lass das. Wenn du das hier nicht für dich willst - die Klinik, die Medikamente, das Ruhigstellen - dann sei jetzt verdammt nochmal stark. Beweis mir jetzt, dass ich mir zu Unrecht Sorgen um dich mache und dass ich deine Mutter zu Unrecht angerufen hab. Dass du dein Leben auch selbstständig meistern kannst, mithilfe von deinem Therapeuten. Ohne mich und ohne deine Eltern." Nachdem ich noch einmal ihre Finger gedrückt hatte, ließ ich die Hand meiner Ex-Freundin los und hielt ihr stattdessen die Akte entgegen. "Ich bin nicht mehr da, um dir zu helfen. Nicht mehr so wie die letzten Jahre. Wenn du der Meinung bist, dass du es trotzdem hinkriegst, auch wenn die Depression wieder kommt, dann ruf den Anwalt an und kümmere dich darum, dass du so schnell wie möglich hier raus kommst. Ich hab dir alles erklärt. Aber wenn du zweifelst, dann-" Ich hob den Blick in Neles Augen, um sie eindringlich anzusehen. "Dann schmeiß die Akte in den Müll und geh mit deiner Mutter nach England. Du weißt vielleicht nicht, was du da sollst, aber da hast du jemanden, der für dich da ist. Jemanden, der dir hilft am Leben zu bleiben. Es ist mir egal wie deine Mutter mich immer behandelt hat. Als ich sie angerufen hab war es mir nur wichtig, dass du- lebst. Noch lange. Und ich weiß, dass ihr das genauso wichtig ist wie mir." Ihre Methoden waren fragwürdig, ja, aber Neles Mutter würde dafür sorgen, dass ihre Tochter nicht erneut versuchen würde sich das Leben zu nehmen, dessen war ich mir sicher. "Das ist deine Entscheidung. Und die musst du alleine treffen. Ich unterstütze dich so gut ich kann, das hab ich dir gerade auch gesagt, aber ich muss jetzt erstmal versuchen meine Beziehung zu retten." Damit stand ich auch von meinem Stuhl auf und zeigte meiner Ex-Freundin ganz deutlich, dass sie nicht mehr meine Priorität war. "Sei vorsichtig mit Adam. Du hast dafür in deiner Manie keinen Blick, ich weiß das, aber er ist kein guter Mensch. Ich arbeite mit seiner Tochter zusammen und sie musste- verdammt viel Scheiße durchmachen, wegen ihm. Er hat so oft betrunken auf sie eingeprügelt, bis das Jugendamt sich eingeschaltet hat, sie wohnt jetzt im Heim. Er hält vielleicht deine Wohnung sauber, aber er ist kein guter Umgang und du solltest dich von ihm fern halten, okay? Auf Dauer wird dir das nur Probleme bereiten, die du nicht gebrauchen kannst." Ein letztes Mal legte ich meine Hand schwer auf die Schulter von Nele. "Bist du okay? Kommst du zurecht? Hast du alles, was du brauchst?"
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
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31.05.2016 01:40 |
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Nele Hensley
Unregistered
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RE: PSYCHIATRIE
Jahrelang war er nur für sie da gewesen, Nele war die oberste Priorität in seinem Leben gewesen und das hatte sie wohl irgendwo noch in sich. Wenn sie weinte, wenn sie verzweifelt war, dann hatte er alles stehen und liegen lassen um für sie da zu sein, auf sie ein zu Reden und auch wenn es oft genug danach ausgesehen hatte, es habe keinen Sinn, jetzt spürte sie es doch. In dem Moment, wo sie die Akte entgegen gehalten bekam, da spürte sie, was er in ihrem Leben geleistet hatte und welche Rolle er gehabt hatte und nun war das vorüber? Nun war es seine neue Freundin, die die erste Rolle in seinem Leben spielte und das war fürchterlich zu erkennen. Für Frauen in einem normalen Zustand, die gesund waren, war das schon hart zu verarbeiten aber für Nele würde das noch in vielen, anderen Phasen ihres Lebens eine harte Erkenntnis werden. Aus dem Grund blieb sie auch stumm, als sie die Akte entgegen nahm und hob auch nur die Schultern zu einer Antwort. Vielleicht sollte sie darüber nachdenken, wozu sie sich imstande fühlte, wozu nicht. Was sie für ihr Leben wollte und was sie sich erhoffte und was nicht? „ Ich wünsche dir viel... Glück.“ sagte sie nach einer Weile, die sie ihm noch ungewiss in die Augen geschaut hatte und ihre Tränen mit ein paar Schluchzenden lauten doch versiegten. Sie sah eventuell nun auch, dass auch er nur einfach Glücklich sein wollte aber mit jemand anderem und Nele hatte diesen anderen aus seinem Leben verjagt.
Nachdem er gegangen war, versuchte sie sich auf die Dinge in dem Ordner zu Konzentrieren aber das war alles so schwer und sie fühlte sich dem nicht gewachsen. Als sie Adam anrufen wollte, konnte dieser gerade so ins Telefon lallen – hatte Zac recht, recht mit allem, was er über ihn gesagt hatte und wer blieb ihr noch auf dieser Erde? Das galt es wohl heraus zu finden, als sie Aiden anrief, der einzige, der in den letzten Wochen verstanden hatte, wie sehr sich Nele momentan an ihrem guten Leben festkrallte.
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31.05.2016 22:04 |
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