RE: CAT
Ich sah Cat in die Augen und für einen Moment lang hielt ich schweigend inne, weil ich in meinem Kopf nach einer Erklärung für mein Verhalten suchte, das nicht zu viel über meine wirklichen Hintergründe verriet. "Ich weiß, dass ich anders handeln sollte, aber ich muss nicht anders handeln." Schließlich arbeitete ich bloß ehrenamtlich und war auch nicht durch irgendwelche Verträge an jemanden gebunden. "Was würde es denn ändern, wenn ich es jemandem sage? Dann hätten die Betreuer dich nur noch mehr im Visier, vielleicht würde dich irgendjemand wieder mit irgendetwas bestrafen wollen, aber davon halte ich nicht viel. Bei einigen Jugendlichen funktioniert das vielleicht, aber bei dir- nicht wirklich, oder? Also erspare ich dir den Stress und mir die Vorwürfe, die du mir machen würdest." Ich stand noch immer eher unsicher im Raum, aber als die Stimme von Cat einen so traurigen und verzweifelten Unterton annahm, drehte ich ihren Schreibtischstuhl in ihre Richtung und setzte mich unaufgefordert darauf. "Willst du mir immer noch nicht erzählen, was passiert ist? Warum dein Freund das getan hat?" Meine Art schien jetzt schon Früchte zu tragen, zumindest wusste ich mit Sicherheit, dass die Verletzung an Cats Rücken dem jungen Mann zuzuschreiben war, der es auch in meiner Trainingsstunde gewagt hatte so grob mit ihr umzugehen. "Seid ihr getrennt? Hast du etwas falsch gemacht?" Als ich mich im Stuhl nach vorne lehnte, die Ellenbogen auf meinen Knien abstützte, geschah aber etwas, das Cat nicht voraussehen konnte. Der brennende Geruch von Alkohol stieg mir tatsächlich in die Nase, als das Mädchen die Colaflasche öffnete, und für ein paar Sekunden fixierte ich das Getränk mit meinem Blick, aber sagte trotzdem nichts. So schwer das auch war. Siebzehnjährige Mädchen sollten nicht trinken, schon gar nicht alleine oder heimlich und erst recht keinen harten Alkohol, aber darüber wütend zu werden war deutlich fehl am Platz. Stattdessen nickte ich also nur langsam und hob den Blick wieder in ihre Augen. "Sie ist 24. Und sie hat eine psychische Krankheit, deshalb hat sie versucht sich das Leben zu nehmen. Bipolare Störung nennt man das, sie wechselt zwischen depressiven und sehr euphorischen Phasen. Das ist schwer zu behandeln und als ich dann einen Fehler gemacht hab, während es ihr gerade nicht besonders gut ging, hat sie keinen anderen Ausweg mehr gesehen." Es war ein schmaler Grat, auf dem ich gerade lief, weil es mir auch ganz schnell passieren konnte, dass ich zu viel Privates erzählte. Dass wir dadurch auf eine eher freundschaftliche Ebene gerieten und Cat verlernte mich zu respektieren und zu mir auf zu sehen. "Sie sieht dir übrigens unfassbar ähnlich. Ein bisschen älter natürlich, aber- eure Haare und die Gesichtszüge. Du siehst aus wie sie." Ich schüttelte einmal langsam den Kopf, hob sogar meine Mundwinkel zu einem schwachen Lächeln, aber noch bevor sie darauf reagieren konnte, streckte ich doch meine Hand zu der Flasche Cola aus. "Trauer hin oder her, Alkohol macht nichts besser. Im Gegenteil. Schon gar nicht, wenn du den alleine trinkst, um irgendetwas zu betäuben. Und da kenne ich übrigens auch keinen Spaß, also wenn du mir die Flasche nicht freiwillig gibst, schick ich dir gleich doch noch einen Betreuer vorbei. Das gilt übrigens nicht nur für heute. Wenn ich sehe, dass du Alkohol trinkst oder andere Drogen konsumierst, dann behalte ich das nicht so für mich wie das mit deinem Rücken. Da ist ein Unterschied."
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
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