RE: MIAMI
All die Dinge, die Jamie von mir verlangte, die sagte ich ihr auch zu. Ich würde nicht mit Matt reden und ich würde auch nichts tun, um irgendetwas zu verändern, zumindest nicht ohne ihr Eingeständnis. Ich würde mein Wort halten, das hatte ich bisher immer getan, abgesehen von einem einzigen Mal. Nach Jamies Unfall hatte ich ihr versprochen, dass ich nicht erneut davonlaufen würde, nicht ohne mit ihr zu reden, aber ich hatte es doch getan und damit bestimmt auch das Vertrauen gedämpft, das sie in mich hatte. Selbst wenn es mir bis zum heutigen Tag und auch jeden Tag innerhalb der letzten zwei Monate Leid tat, dass ich sie ein weiteres Mal im Stich lassen musste. Davon abgesehen würde ich Jamie jedoch nie belügen, ich würde sie nicht hintergehen und ich würde sie nicht wie ein Kind behandeln, indem ich über ihren Kopf hinweg etwas tat, das sie nicht wollte. Auch wenn es richtig wäre. Auch wenn es sie vor dieser Gefahr beschützte, die in diesem Haus in Form ihrer Mutter oder des Freundes ihrer Mutter auf sie wartete.
Nachdem ich ihr das zugesagt hatte, folgte ich ihr bereitwillig durch die Straßen, an den fremden Häusern vorbei, bis wir durch Büsche und Bäume in einen fremden, verwilderten Garten hinein gingen und Jamie dort auf das Dach einer kleinen hölzernen Hütte kletterte. Romantisch und vertraut, aber gleichzeitig auch angsteinflößend wirkte dieser Ort auf mich. Und als ich mich neben sie auf dem Dach niederließ, ebenfalls meine Beine etwas anwinkelte, atmete ich erst einmal tief durch. "Okay, erzähl", forderte ich sie auf, doch während Jamie weiterhin penetrant meinem Blick auswich, um entweder den Garten mit ihrem Blick zu fixieren oder aber ihre eigenen Knie, sah ich ihr durchgehend von der Seite ins Gesicht. Durch die Dämmerung wirkten ihre Züge ein wenig verschwommen, aber verdammt, erst jetzt merkte ich so richtig wie sehr es mir eigentlich gefehlt hatte in ihrer Nähe zu sein. Wie viel besser ich mich direkt fühlte, wenn wir beieinander waren. Auch dann noch, als Jamie tief Luft holte und mit zitternder Stimme meine vorherigen Fragen beantwortete. Weshalb sie hier war. Und warum sie auch hier bleiben musste.
Je mehr sie mich über ihre Gründe aufklärte, desto fassungsloser wurde mein Gesichtsausdruck und am Ende ihrer Berichterstattung merkte ich, dass meine Augen nicht mehr auf ihr lagen, sondern sich ebenfalls ziellos in der Dunkelheit verloren. "Das ist ein Scherz, oder?" Mein Herz raste, umso mehr, als ich Jamie wieder ansah und in ihrer Körperhaltung die Verzweiflung ganz deutlich erkennen konnte. "Der Unfall- da kann doch nicht der Freund deiner Mutter dran Schuld sein!" Konnte er doch. So grauenhaft das war, auf einmal ergab alles Sinn. Geschockt rieb ich mir über die geschlossenen Augen, schüttelte mehrmals den Kopf, atmete erneut tief durch, presste meine Kiefer aufeinander, aber solange ich auch schweigend neben ihr saß - ich hatte absolut keine Ahnung, was ich tun konnte, um Jamie zu helfen. "Warum bist du damit denn nicht sofort zu Matt gegangen? Oder zu Polizei? Die hätten- ihn doch festgenommen." Aber für wie lange? Ohne Beweise? "Jamie, ganz ehrlich, das ist doch keine Lösung, was du jetzt machst. Du willst wirklich nach Italien? Mit ihm? Und du denkst dann wird alles gut? Wie soll denn alles gut werden, wenn du mit so einem- durchgedrehten Arschloch zusammen leben musst?" Aus Fassungslosigkeit und Verzweiflung wurde in mir auf einmal Wut. "Das ist nicht deine Schuld, was da passiert ist, Jamie. Du hättest nichts verhindern können. Aber weißt du, was du verhindern kannst? Dass Matt weiterhin verzweifelt nach demjenigen sucht, der wirklich für das alles verantwortlich ist! Du kannst doch nicht einfach- die Augen verschließen und so tun, als wüsstest du nicht, was da passiert ist."
AUGUSTUS EVANS # 25 YEARS OLD # HOMELESS
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