RE: CAT
Verneinend schüttelte ich den Kopf. "Nein, nichts. Du musst mir keine Fragen beantworten und auch keine Akteneinsicht gewähren - weder vom Heim, noch vom Psychologen. Ich bin kein Therapeut und ich will mir auch überhaupt nicht anmaßen dir zu sagen, dass du einen bräuchtest, ich kenne dich ja kaum. Mir geht es hauptsächlich darum zu erfahren, wie die körperliche Auslastung dich verändert. Dazu wäre es vielleicht ganz hilfreich, wenn du mir selber von irgendwelchen Stimmungsschwankungen oder positiven sowie negativen Emotionen berichtest, die der Sport bei dir auslöst, aber wenn du das nicht tun willst, dann musst du auch das nicht tun. Was aber dazugehört, ist, dass ich mit deinen Betreuern über dich rede und mir von ihnen sagen lasse, ob sie Veränderungen feststellen, doch das ist dir wahrscheinlich nicht neu." Es war selbstverständlich, dass ich mit den Betreuern über die Jugendlichen sprach, dazu mussten sie auch gar nicht mal so eine Sonderbehandlung erhalten wie Cat. Man konnte das vielleicht mit einem Elternsprechtag in der Schule gleichsetzen, dort wurden die Eltern auch über Fortschritte oder Rückfälle informiert und ebenso funktionierte der Austausch auch zwischen uns. "Das ist alles. Bist du der Meinung, dass du dir dafür Zeit nehmen kannst?"
Natürlich entsprach auch das alles nur der halben Wahrheit. Ich würde sie zwar keine Tests schreiben lassen und auch nicht offiziell Einsicht in ihre Akte verlangen, aber natürlich gehörten Fragen dazu. Und natürlich gehörte es auch dazu, dass ich etwas über ihre Vergangenheit und ihren familiären Hintergrund erfuhr. Mehr, als ich schon wusste. Für Cat galt nur dasselbe wie für Lahja: Wenn sie merkte, dass mein Interesse wissenschaftlichen Ursprungs war, dann wäre sie niemals so offen und ehrlich wie ich das von ihr benötigte. Viel eher musste ich eine Vertrauensbasis herstellen und dann die Dinge von ihr erfahren, die ich wissen musste. Oder wissen wollte. Ob das falsch war? Selbstverständlich war das falsch, man spielte nicht so mit dem Vertrauen anderer Personen, aber das war genau die Art wie jeder Psychologe arbeitete. Cat würde das nicht verstehen können, aber ich verfolgte doch ein lobenswertes Ziel: Ich wollte ihre Erfahrungen nutzen, um unerforschten Dingen auf den Grund zu gehen und für viele andere Kinder und Jugendliche effektivere Therapiemöglichkeiten zu erschaffen. Und ja, natürlich wollte ich auch ihr behilflich sein. Genauso wie Lahja würde auch Cat noch merken, was der Sport in ihr verändern konnte.
Dass sich das aber erstmal noch eine Zeit lang herauszögern würde war kaum zu übersehen, als sie sich umständlich die Jacke von den Schultern zog und mir daraufhin ihren Rücken zudrehte. Schon unter dem bauchfreien Oberteil ragte ein dunkel verfärbtes Hämatom hervor und als ich auf sie zuging, ihr Shirt ein wenig nach oben zog, um mir ihren gesamten Rücken ansehen zu können, wurde auch das ganze Ausmaß deutlich. Über die Mitte ihres Rückens zog sich ein großer Bluterguss, der zweifellos die Folge von einem harten Schlag oder Aufprall sein musste. "Scheiße, und wie da irgendetwas nicht okay ist", sprach ich mit harter, geschockter Stimme aus, schob ihr T-Shirt am Rücken noch etwas höher und hielt es mit einer Hand in ihrem Nacken, während ich die Finger der anderen vorsichtig über ihre Wirbelsäule hinab gleiten ließ, um nach dem schmerzhaften Ursprung der Verletzung zu suchen. "Vergiss es einfach? Ist das dein Ernst, Cat? Es gibt nichts, das du irgendjemandem antun könntest, was das hier rechtfertigt." Mit jedem Wort nahm meine Stimme immer mehr diesen fassungslosen, lauten Befehlston an, aber Worte konnten nicht einmal ausdrücken, wie sehr sie mich tatsächlich gerade überforderte. Sie wollte nichts dagegen tun? Sie wollte mir nicht einmal sagen wer das gewesen war? Und sie war wirklich der Meinung sie habe das verdient? Am Liebsten hätte ich das junge Mädchen einmal kräftig durchgeschüttelt, um diese verqueren Ansichten aus ihr heraus zu holen, aber stattdessen tat ich gar nichts. Weil ich merkte, dass ich damit nicht weiterkam, und weil ich wusste, dass auch schon einige Betreuer und Therapeuten versucht hatten ihr das so offensiv auszureden. Erfolglos. "Wenn du mir nicht sagen willst, wer das war und warum er das getan hat, sagst du mir dann wenigstens, wie das passiert ist? Es sieht aus als wäre es 'nur' eine Prellung, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Spürst du ein Kribbeln in deinen Armen oder Beinen? Taubheitsgefühle? Oder nichts? Kannst du dich aufrichten?" Ich stellte mich direkt hinter Cat, legte beide Hände auf ihre Schultern und zog sie vorsichtig nach hinten, bis sie gerade und mit durchgestreckter Wirbelsäule vor mir stand. "Geht das? Würdest du dich auch mal bitte ein wenig nach rechts und dann nach links lehnen?"
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
|