RE: JUGENDZENTRUM
Wenn man zu Cat´s Zimmer wollte, musste man sich in der Regel unten Anmelden – Besucher mussten beim ersten Mal den Personalausweis zum kopieren herausgeben, damit nachher nachvollzogen werden konnte, wenn es Stress gab oder was fehlte, wer sich in dem Haus aufgehalten hatte. Eine Absicherung gegen die kriminellen Freunde, sozusagen. Außerdem war mit An- und Abmeldung gewährleistet, dass sich alle an die Besucherzeiten hielten. Hier konnte man nicht machen, was man wollte, es gab Regel und Bettzeiten. Besuch über Nacht war nicht gestattet und am Morgen um sieben in der Früh gab es einen Kontrollgang. Für Cat war das alles nichts neues mehr, sie hatte sich an den Flur mit den unzähligen Türen gewöhnt und dem einen Badezimmer, was sich die Mädchen teilten. Jungen und Mädchen waren nach Fluren getrennt und jeder besaß eine Chip-Karte um sein Zimmer zu betreten, wenigstens gab es Einzelzimmer. Heute war das ein Segen, damals, als sie hier angekommen war hatten die Flure und die vielen dunklen Ecken ihr Angst gemacht und manchmal hatte sie sich bis Sonnenaufgang nicht getraut auf Toilette zu gehen, so ganz alleine. Ihr Papa war nicht mehr da um in der Dunkelheit auf sie aufzupassen. Die junge Frau kämpfte noch heute mit der Angst im Dunklen, was aber kaum jemand wusste und niemand annahm. Es war schon an sich verdammt unüblich, dass sie sich um diese Uhrzeit in ihrem Zimmer aufhielt – sie ging ja schon aus der Tür, wenn die Schule beginnen würde nur tauchte sie da nicht auf und vermied es vor dem Abendessen wieder zu kommen. Auch dafür gab es Zeiten und wenn man wie sie keinen Job hatte und das Taschengeld für alles andere drauf ging aber nicht eine warme Mahlzeit, war es verdammt bitter, die Essenszeiten zu versäumen. Dann knurrte der Magen einem bis zum nächsten Morgen. Da sie es in den Familien ihrer Freunde kaum ertrug, ging sie auch nicht mehr zu denen mit einen Teller gekochtes Essen abgreifen – oder je nach Situation ein Mikrowellen Fertiggericht. Nur bei ihren älteren Freunden, die alleine lebten, da ging das klar.
Heute war sie aber in ihrem Zimmer, in vollem Bewusstsein gerade die Sportstunde verpasst zu haben – deswegen wollte sie sich auch gleich aus dem Staub machen, denn wenn das auffiel, dann kam mit Sicherheit jemand vorbei, den Zac ihr auf den Hals gehetzt hatte. Die letzten Stunden war sie Anwesend gewesen und hatte auch mitgemacht, unwillig und mit den anderen kam es immer wieder zu Wortwechseln aber immerhin – er schien sich ja auch an seinen Teil der Verabredung zu halten. Für nichts in der Welt hätte sie zugegeben, dass sie an diesen Abenden verdammt ruhig und ohne Zwischenfälle einschlief. An ihren ganz bitteren und ungenießbaren Tagen hatte sie meistens in der Nacht mit ihren Schlafstörungen zu kämpfen, ganz vielleicht kamen die auch daher, dass sie zunehmend Unausgelastet war. Das war jetzt aber auch alles scheiß egal, sie hatte ganz andere Sorgen und Zac musste sich auch nicht mehr an seinen Teil des Deals halten weil es keine Grundlage mehr gab. Vor zwei Tagen hatte ihr Freund sie abserviert, einfach so. Cat war am Boden zerstört und verzweifelte an der Suche, was sie falsch gemacht hatte und es ging los wie immer, wenn eine ihrer Beziehungen in die Brüche ging. Sie begann auf WhatsApp oder Facebook zu stalken, überall aufzutauchen, wo sie ihn Vermutete und das so aufreizend, um ihn wieder von sich zu Überzeugen. Das sollte mit siebzehn eigentlich nicht mehr passieren aber manchmal hinkte sie in der Entwicklung etwas hinterher und steigerte sich in das Geschehnis, so lange, bis jemand neues kam, um dessen Gunst sie sich Mühte oder aber der sie Begehrte. Also war es heute Nachmittag zum unvermeidlichen gekommen, sie wurde damit Konfrontiert, dass ihr Exfreund schon mit einer neuen den Weg entlang kam. Sie blinzelten sich verliebt an und Cat brannten die Sicherungen durch, schon wieder stand sie unter dem Einfluss von Alkohol, mit dem sie ihren Kummer bekämpfte und hatte sich eigentlich vorgenommen offensiv einen Versuch zu starten, ihren Freund zurück zu erobern. Das hier traf sie wie ein Stoß mitten in ihr Herz. Sie begann also die andere Frau in der Gruppe an zu zicken und sobald die einen Moment unaufmerksam war, ihren neuen Freund anzumachen, bis ihr Exfreund die Fassung verlor. Ihr sagte, sie benehme sich wie ein Kind und trotzdem ließ der Alkohol sie so Resistent werden, es war ja auch ihre letzte Chance, sie bemühte sich unbeirrt weiter. Nur eine Frage der Zeit bis er ausholte, ihr heftig die flache Hand gegen die Wange donnerte und sie unnötig mit dem Rücken gegen die Parkbank schleuderte. Cat war richtig benommen, bekam kaum Luft und einer der wenigen Freunde, die echt waren, schleuste sie Heimlich in die Einrichtung in der sie wohnte, kümmerte sich um einen Eisbeutel und riet ihr sich erst zu Beruhigen und was zu schlafen. Großzügig ließ er ihr auch die halbe Flasche Vodka in einer Cola zurück, Alkohol war hier Streng verboten aber die Tarnung nicht mehr schwer. Kaum war sie alleine, begann sie zu weinen, zog ein Bild von Adam und ihrer Ma aus der Schublade. Das waren die Momente, in denen sie doch ihre Eltern brauchte und deswegen waren es auch die, in denen die beiden ihr am meisten fehlten. Natürlich war das ihr Schuld, was passiert war und natürlich hatte sie das alles selber verbockt – sie hatte ihn zu sehr bedrängt aber mit der Ohrfeige hatte er ihr doch gezeigt, sie war ihm nicht egal. An den Sportunterricht war nicht zu denken, denn auch nach einer Stunde in der sie auf ihrem Bett mit dem Konsum von dem Vodka beschäftigt war, der Liebe hinterher trauerte, die Sicher nie eine war und ihre Wange auf das Bild der Eltern drückte, verschwand der Schmerz am Rücken nicht sondern wurde kaum zu Ertragen. Prellungen taten mehr weh als Brüche, hatte sie mal aufgeschnappt aber sie brauchte irgendwas um runter zu kommen. Mehr Alkohol oder was zu rauchen, das stand fest. Bevor der Stoff also leer gehen konnte, richtete sie sich keuchend auf und begann die Spuren auf ihrer Wange verschwinden zu lassen. Nach der Stunde war wegen des Eises die Schwellung ausgeblieben aber von ihrem Wangenknochen bis hin zur Mitte der Augen zog sich ein blauer Schimmer, das würde noch richtig fies aussehen. Cat war Profi darin, solche Blessuren unter Lidschatten und Schminke verschwinden zu lassen, durch ihre Exfreunde – sie glichen sich eigentlich alle sehr – und als das Pony mit der Sonnenbrille bündig schien, war auf den ersten Blick nichts zu erkennen. Jetzt einfach nur noch schnell nach draußen in die Sonne und sich mit der Brille nicht zu lange im dunklen Flur herumtreiben, dann würde das schon werden. Umständlich zog sie auch eine dünne Jacke über die Arme, denn die Kleidung war noch immer knapp also Bauch- und Beinfreiheit war gegeben und sie konnte nicht mal im Spiegel checken, wie ihr Rücken aussah, so weit ließ sich die Wirbelsäule nicht drehen. Mit dem restlichen Gemsich aus Cola und Vodka bewaffnet, schrieb sie ihrem Stammversorger mit Gras und ihr eigener Fehler, dabei achtete sie nicht darauf, dass jemand hinter der Tür stand. Wie dumm! Sonst hätte sie gewartet, bis Zac weg gewesen wäre, hätte sie doch nur das klopfen gehört aber nein, so rannte sie dem Sporttrainer sofort in die Arme. Jetzt galt es schnell zu Reagieren, war ja nicht das erste Mal, dass so was passierte und wohl wissend hatte sie sich einen Kaugummi eingeworfen. Betreuer liefen hier überall herum. Trotz dem pochen in der einen Gesichtshälfte biss sie ein paar mal kräftig bevor sie den Mund aufmachte „ Sorry, ich bin krank, war auch nicht in der Schule, hab gerade gekotzt und wollte zum Arzt.“ Dreist und obwohl sie ihn eiskalt anlog, hob sie auch noch die Tarn-Cola an um ihm zu Signalisieren, dass sie sich mit Cola gegen die Übelkeit über Wasser hielt. „ Ja, ich hätte mich melden sollen, kommt nicht wieder vor.“ Würde es auch nicht, sie würde nicht wieder auftauchen, denn sie hatte über den Tag in Erwägung gezogen das sie durch den Sport zu wenig Zeit für ihren Freund gehabt hatte und auch das ein Mädchen einen solchen Sport nicht ausübte, das fand kein Kerl cool. Wenn sie ihn zurück gewinnen wollte, ja, auch jetzt noch, dann würde sie diesen Fehler ausmerzen müssen. Alle Ungereimtheiten beseitigt? Klasse. Cat wollte sich an ihm vorbei schieben, wenn auch nicht ganz so Elegant.
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