RE: SANTA BARBARA
Auch mir entging nicht, dass es letztendlich der warme Blick meiner Augen und die sanfte Berührung meiner Hände war, womit ich Summer erreichen konnte. All die panisch ausgerufenen Befehle hatte sie überhaupt nicht wahrgenommen, stand nur völlig abwesend vor der zerbrochenen Scheibe, aber als unsere Blicke einander trafen, als ich ihr ganz nah kam und die Tonlage in meiner Stimme änderte, da regte sich etwas in ihr. Da schenkte sie mir die Aufmerksamkeit und das Gehorsam, das ich jetzt von ihr benötigte. Ohne Widerworte folgte sie meiner Bitte, griff nach den Füßen des toten Körpers und obwohl es ihr sichtlich schwer fiel sich nicht erneut zu übergeben, schafften wir es den Mann bis zum Auto zu tragen und dort sogar in den Kofferraum zu heben. Ganz zum Leidwesen meiner eigenen Verletzung, die nach der Anstrengung so unangenehm in meiner Schulter brannte, dass ich mich keuchend nach vorne lehnte und die flache Hand darüber hielt, um mir selber durch den Druck Linderung zu verschaffen. Erfolglos. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Zähne zusammen zu beißen, und aus dem Augenwinkel zu beobachten wie Summer in die Tankstelle zurück lief, um die Waffen und die Tasche mit dem Geld zu holen, während ich auf einen der Zapfhähne zuging und versuchte das Benzin als Brennstoff überall zu verteilen. So schnell wie möglich ging ich dabei vor, doch ich kam nicht einmal bis zur Tür des kleinen Ladenlokals, als ich erschrocken in der Bewegung inne hielt und auch Summer mit einer Handbewegung verdeutlichte, dass sie ganz still sein sollte. Sirenen. Polizeisirenen. Das konnte doch gerade nicht wirklich passieren. Hatte irgendein Nachbar die Schüsse gehört? War doch ein Auto hier vorbei gefahren und war auf die zerbrochene Scheibe aufmerksam geworden? Aber so etwas würde mir doch nicht entgehen, oder?
Wieder begann ich unaufhaltsam zu fluchen, ließ den Zapfhahn achtlos auf den Boden fallen und lief so schnell ich konnte auf unseren Wagen zu. "Einsteigen! Sofort!", befahl ich Summer, diesmal ohne sanfte Berührungen und liebevolle Worte, ließ mich selber auf den Fahrersitz sinken und hoffte, dass sie durch das Aufheulen des Motor die Dringlichkeit der Situation verstand. Tat sie. Doch ich wartete nicht einmal, bis Summer die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe ich fest auf das Gaspedal drückte und mit quietschenden Reifen auf die Straße fuhr. Ohne Licht. So schnell wie möglich. Im Rückspiegel glaubte ich noch das blaue Flackern des Polizeiwagens zu sehen, doch ich versuchte mich vor allem auf die Straße vor uns und nebenbei auf das Radio zu konzentrieren, an dem ich mehrmals herum schraubte. So lange, bis ich die Funkfrequenz der Polizei gefunden hatte. Wenn man die richtigen Leute kannte, die einem die passende Technik einbauten, war das gar nicht so schwer. Und zumindest konnte sich mein Puls wieder beruhigen, als ich dadurch vernahm, dass die Polizisten am Tatort seien, aber keine Spur zu einem Verdächtigen hatten. Noch nicht. Denn natürlich sprachen sie auch von einem Mord und dass man ein Team der Spurensicherung schicken sollte und natürlich wusste ich auch, dass Summers Spuren überall am Tatort verteilt waren. Möglicherweise waren wir deshalb auch beide so still. Weil wir beide für uns versuchten das Geschehene zu verarbeiten und uns der Folgen bewusst zu werden.
Erst, als wir weit genug entfernt waren und uns sicher sein konnten, dass für uns persönlich gerade keine Gefahr mehr bestand, fuhr ich an der Seite der Straße auf einen Rastplatz, hielt an, schaltete das Licht aus, ebenso wie den Motor und atmete erst einmal ganz tief ein. Mein Herz schlug nicht mehr so ruhelos wie vorhin, meine Wut hatte sich auch reguliert und als ich Summer jetzt von der Seite ansah, lag in meinen Augen dieselbe besorgte Emotion wie auch eben schon in der Tankstelle. "Ist alles in Ordnung? Kommst du klar?", fragte ich, diesmal nur deutlich ruhiger als vorhin, ehe ich sanft nach ihrer Hand griff. Vorsichtig löste ich den Stoff ihrer Kleidung, zog ihr dann den ledernden Handschuh von den Fingern und betrachtete das getrocknete, klebrige Blut, ebenso wie die Wunde, die so tief war, dass sie auch jetzt noch nässte. "Wir müssen das gleich nähen", sagte ich ruhig, öffnete jetzt jedoch erstmal das Handschuhfach und zog eine Mullbinde dort heraus, die ich einfach so als Rolle direkt auf den Schnitt drückte, um die Blutung zu stoppen, indem Summer ihre Hand fest zu einer Faust darum ballte. Das würde funktionieren, bis wir eine Unterkunft für die Nacht gefunden hatten und ich dort in Ruhe ihre Hand nähen konnte. Jetzt ging es jedoch erst um etwas viel Wichtigeres und dafür sah ich der dunkelhaarigen Frau noch einmal fest in die Augen. "Summer, du weißt, was gerade passiert ist, oder? Und was das jetzt für dich bedeutet? Die ganzen Spuren?"
CHARLES LUCAS THOMPSON # 34 YEARS OLD # CRIMINAL
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