RE: SPIELPLATZ
Was blieb mir für eine andere Wahl, als Lahjas Angebot anzunehmen und ausnahmsweise ihrem Ratschlag zu folgen, der sich auch noch verdammt richtig anfühlte? Ich konnte Nele nicht mehr lange dort zurücklassen und hier in aller Ruhe mit Lahja über das reden, was die Wut in ihr so provozierte, das ging nicht. Was, wenn es Nele doch schlimmer getroffen hätte, als es zuerst den Anschein erweckte? Wenn es ihr gerade gar nicht gut ging? Im Gegensatz zu Lahja hatte sie das nicht so gewollt, das wusste ich, weil ich sie mittlerweile seit zehn Jahren kannte. Sie brauchte nicht den Schmerz oder die Gewalt in ihrem Leben, so wie ich, vielleicht war das jetzt gerade ein Teil ihrer Manie. Vielleicht wollte sie sich mir näher fühlen, weil wir nicht mehr zusammen waren. Vielleicht wollte sie versuchen mich zu verstehen. Aber Nele wäre niemals aus eigenem Antrieb hierher gekommen, um sich von Frust oder Wut zu befreien, indem eine fremde Person auf sie einschlug. Das war sie einfach nicht. Und deshalb nickte ich ergeben, vertraute darauf, dass Lahja ihr Wort hielt und rieb mir noch einmal das Blut von den Lippen, bevor ich an ihrem erschöpftem Gesicht und Körper hinab sah. "Ich komme", versicherte ich ihr mit ruhiger, aber fester Stimme, nickte ihr noch einmal zu und ging dann ohne ein weiteres Wort die Straße hinab. Ich war nicht ihr Babysitter, ich musste nicht mit ihr auf ein Taxi warten, das würde sie auch alleine schaffen, also tat ich das, was getan werden musste, und kümmerte mich um Nele.
Meine Theorien sollten sich gewissermaßen bestätigen, sie hatte tatsächlich versucht in diesen Kämpfen das zu finden, was ich darin fand -absolute Befreiung und ein kaum vergleichbarer Rausch -, aber auf sie wirkte es nicht so wie auf mich. Und weil sie sich in ihrer Manie kaum auf eine Sache länger als ein paar Minuten konzentrieren konnte, war das alles auch schon viel zu schnell wieder vergessen. Ohne dass ich ihr Rede und Antwort darüber stehen musste, wer diese Frau mit dem harten Faustschlag gewesen war, wegen der ich sie dort im Keller allein zurück gelassen hatte. Viel eher drängte Nele schon wieder auf etwas ganz anderes, legte noch im Taxi ihre Hand zwischen meine Beine und lehnte sich ganz weit zu mir, aber auch wenn es mir unheimlich schwer fiel, ließ ich mich diesmal nicht darauf ein. Einerseits, weil ihr Körper unheimlich wehtun musste und ich ihr nicht noch mehr Schmerzen zufügen wollte, aber andererseits auch deshalb, weil ich mit Lahja reden wollte. Weil ich sie heute Abend über Nele stellte. Das konnte meine Ex-Freundin zwar nicht wissen, aber trotzdem schien sie über die Zurückweisung so erbost, dass sie mir die Haustür noch vor der Nase zuschlug und mich nicht einmal mit hinein nahm, damit ich mir ihre Verletzungen ansehen und ihr etwas zum Kühlen geben konnte.
Also machte ich mich stattdessen direkt auf den Weg zu der Adresse, die Lahja mir tatsächlich per Nachricht hatte zukommen lassen, und klingelte dort wie verabredet an der Tür. Es verging nicht viel Zeit, bis sie unten erschien, diesmal in einem großen Hoodie versteckt, aber die rötlichen Schwellungen von den harten Schlägen waren in ihrem Gesicht trotzdem deutlich sichtbar. Ebenso wie in meinem. "Geht so. Aber ich bin erstmal hier, um zu hören, was du mir eben nicht sagen wolltest", erwiderte ich auf ihre Fragestellung, ehe ich langsam neben ihr her die Straße herunter lief, bis wir zu einem kleinen Park kamen, mit Spielplatz, und uns dort auf eine Bank setzten. Schweigend gab ich ihr all die Zeit, die sie brauchte, um für mich zusammenzufassen, was im Moment so penetrant an ihrer Kontrolle kratzte, und als sie das dann tat, war ich über das alles so erschrocken, dass ich noch für ein paar weitere Sekunden gar nichts anderes tun konnte, als angestrengt in die dunkle Nacht zu starren. "Scheiße", sprach ich irgendwann einfach in die Stille aus, aber versuchte noch immer das alles in meinem Kopf zu ordnen. Und irgendeine Art von Hilfe für sie zu finden. "Das- ist viel, was da falsch läuft." Erst jetzt wandte ich den Kopf zu ihr und sah von der Seite in ihre harten Gesichtszüge. "Du weißt, dass du zurück ins Gefängnis gehst, wenn du auch nur mit einer dieser Pillen erwischt wirst, oder? Was hat diese Freundin gegen dich in der Hand, dass du nichts dagegen tun kannst?" Das war zumindest das erste Thema, das ich mir raussuchte, weil es die größte Bedrohung für Lahja darstellte. "Und was ist das zwischen dir und deinem Freund?"
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
|