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KRANKENHAUS
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Matthew Dawson
WHERE IS MY MIND?
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Registriert seit: Jun 2015
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RE: KRANKENHAUS
Ich hatte gerade meine Augen geschlossen und versuchte wenigstens ein paar Minuten Schlaf zu bekommen, bevor der Arzt zu seiner täglichen Visite kam, als sich auf einmal unter meiner Hand etwas bewegte. Ein Finger von Madison. Oder? Erschrocken saß ich plötzlich aufrecht im Stuhl, starrte wie besessen auf ihre Finger, dann in ihr Gesicht, sprach sie immer wieder namentlich an, aber für ein paar Sekunden geschah gar nichts. War ich so übermüdet, dass ich mir das jetzt schon einbildete? War es tatsächlich so weit gekommen? Doch gerade, als ich die Hoffnung schon wieder aufgeben und mir über mein Gesicht reiben wollte, geschah dasselbe noch einmal. Diesmal ganz deutlich. Ihr Finger zuckte, dann ihre Wimpern, ihre Augenlider öffneten sich einen Spalt, aber schlossen sich aufgrund des grellen Lichtes direkt wieder. Vier Wochen hatte ihre Netzhaut kein Tageslicht abbekommen, natürlich würde das jetzt schmerzen. Aber so weit konnte ich eigentlich gar nicht denken, denn mit eine Mal ließ ich ihre Hand los, stürzte aus dem Raum und rief nach Pflegern oder Ärzten. Ganz egal, nur irgendjemand sollte kommen und meiner Frau helfen. Natürlich war das die richtige Entscheidung, aber als auf einmal die vielen Hände an ihrem Körper herum fuchtelten, alle durcheinander redeten und ich nur apathisch daneben stehen und starr dabei zusehen konnte, wünschte ich mir, ich hätte wenigstens ein paar Sekunden alleine mit ihr gehabt, bevor sie die Beruhigungsmittel wieder in einen tiefen Schlaf versetzten.
Doch zum Glück schienen alle hoffnungsvoll, redeten mir gut zu und versicherten mir, dass meine Frau im Laufe des Vormittags mit Sicherheit noch einmal aufwachen würde und ansprechbar wäre. Ihre Reaktionen auf Licht und Berührungen seien gut und man könnte zuversichtlich sein. Natürlich hatte ich als grundsätzlich optimistischer Mensch in den letzten vier Wochen die Hoffnung nie aufgegeben, aber manchmal - gerade in der letzten Zeit - war es zunehmend schwerer geworden die positive Grundstimmung zu wahren. Das hier jedoch, das war alles für mich. Madison hatte ihre Augen geöffnet und mit einem Mal war ich mir wieder sicher, dass alles gut werden würde. Ich war so euphorisch, dass ich durchgängig wie unter Strom neben ihrem Bett saß, nicht einmal mehr an Schlaf dachte, sondern nur sanft ihre Hand streichelte und in ihr Gesicht starrte, um auf ein erneutes Zucken ihrer Augenlider zu warten.
Es vergingen ein paar Stunden, bis sich erneut etwas in ihrem Körper regte, bis sie die Augen öffnete, langsam um sich sah und dann direkt mein Gesicht erblickte. Sie sah mich an. Es schnürte mir die Kehle zu, als ich mich an das letzte Mal erinnerte, in dem wir einander in die Augen geblickt hatten, an diesen besonderem Moment im Auto, kurz bevor das alles hier passiert war. Meine Hand bebte, als ich ihre Finger mit meinen drückte, mich im Stuhl nach vorne lehnte, um ihren Kopf mit der anderen Hand zu berühren, aber bevor ich dazu kam, verließen kratzige Wörter ihre trockene Kehle, die ich anfangs überhaupt nicht in einen Zusammenhang bringen konnte. Wer ich war? Meinte sie das Ernst? Ich starrte ihr ins Gesicht, wartete darauf, dass sie mich erkannte, aber da war keine Wärme in ihren Augen. Nicht die Liebe, mit der Madison mich sonst ansah. Es war, als betrachtete sie mein Gesicht gerade zum ersten Mal. "Ich bins, Madison", sprach ich trotzdem unsicher aus, die Stirn in Falten gelegt und auf einmal deutlich verkrampfter, als noch kurz zuvor. "Ich bins. Matt. Dein Mann. Kannst du-- ist alles in Ordnung? Kannst du sehen?" Noch einmal versuchte ich die Hand zu heben, aber als ihr Körper bei der Bewegung zusammen zuckte, hielt ich inne. Was geschah denn hier? "Ich-- Warte." Mit schwer schlagendem Herzen ließ ich ihre Hand los, stand vom Stuhl auf und lief erneut in den Flur, um nach einer Pflegerin zu rufen. Sie kam hinein und die gleiche Prozedur wie eben folgte, indem sie Madison in die Augen leuchtete, aber letztendlich doch um die Hilfe von einem Arzt bat und uns beide damit vertröstete, dass in wenigen Minuten jemand kommen würde, um nach der Patientin zu sehen. Vielleicht wäre es das Beste, wenn ich einfach so tat, als hätte sich nichts verändert, deshalb nahm ich auch ein wenig angespannt wieder neben dem Bett Platz und sah meiner Frau in die Augen. "Wie fühlst du dich? Hast du Schmerzen? Willst du was trinken?"
MATTHEW NICHOLAS DAWSON # 39 YEARS OLD # HIPPIE PUNK
![[Bild: matt04.png]](https://i.postimg.cc/g2W8p0zz/matt04.png)
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20.09.2015 23:05 |
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