RE: MATT # MADISON
Bis zu einer unverhofften, unerwarteten Begegnung war dieser Tag und diese Feier tatsächlich perfekt. Schöner noch, als in meiner Vorstellung. Wie Madison und ich einander immer wieder verliebt in die Augen sahen, grundlos lachen mussten, weil wir uns aneinander so erfreuten. Wie es sich durch den ganzen Abend zog, dass wir uns gegenseitig dumme, zweideutige - manchmal auch sehr eindeutige - Kommentare ins Ohr flüsterten und danach beide vielsagend grinsten. Wie mir jeder ein neues Bier in die Hand drückte, mit mir anstoßen wollte, auf diese wunderbare Frau an meiner Seite und diese ebenso großartige Hochzeit. Ich würde nie wieder dieses überwältigende Gefühl vergessen, als ich in dem Bogen aus Holz und Blumen stand und Madison mit ihrem Vater durch den Sand auf mich zulief, in einem weißen, wunderschönen Kleid. Wie mein Herz jedes Mal ein wenig stärker schlug, wenn sie über ein Kommentar von Kate lachen musste. Und wie sie sich während ihrer Rede verhaspelte, aber doch die schönsten Worte fand, die man mir hätte sagen können. Und ich würde nie das vergessen, was ich danach zu ihr sagte, mit ihren warmen Fingern in meinen Händen und dem Blick in ihren schönen Augen. "Madison, du wunderschöne Frau, meine wunderschöne Frau." Weil ich sie nicht zum ersten Mal so ansprach, zog sich allein schon dank dieser Erinnerung ein Lächeln über meine Lippen. "Ich wünschte ich könnte mich an den Tag erinnern, als wir uns das erste Mal gesehen haben, aber das kann ich nicht. Weil Kilian damals ständig Frauen mit nach Hause geschleppt hat und ich dachte du wärst nur eine von vielen." Ein vielsagendes Grinsen in Richtung meines besten Freundes. "Umso schöner wäre es, wenn ich mich an die Nacht erinnern könnte, viele Jahre später, in der wir uns erneut über den Weg gelaufen sind, aber auch das kann ich nicht. Weil ich zu betrunken war." Diesmal kam das Lachen von den anwesenden Gästen. "Aber weißt du, woran ich mich erinnern kann? Ich erinnere mich an den nächsten Tag, daran wie nervös ich war, als ich in dein Studio gekommen bin und ich erinnere mich an das, was ich gedacht hab, als ich dich dort zum ersten Mal wieder gesehen hab. Geil Matt, hast du gut gemacht." In Richtung von Kilian formte ich mit den Lippen das Wort Entschuldigung, weil aber außer uns Dreien vermutlich sonst niemand verstand, worüber ich gerade redete, fuhr ich schnell fort. "Ich erinnere mich an unser erstes richtiges Date in der Kneipe, das sich so rebellisch angefühlt hat, weil gerade er nichts davon wissen durfte. Und ich weiß noch, dass ich trotz allem mit zu dir nach Hause gegangen bin und seitdem niemals - nicht einmal ansatzweise - eine Sekunde unserer gemeinsamen Zeit bereut habe. Ich erinnere mich an unseren spontanen Trip nach Coney Island und weißt du, woran ich mich auch erinnern kann? Dass ich dich dort am Strand von der Seite angesehen hab und genau wusste, dass ich mich gerade in dich verliebe. In die Frau, mit der ich in Freizeitparks einbrechen, Lakritze klauen und unerlaubt auf Riesenrädern fahren kann. Ich erinnere mich an den ersten richtigen Wutausbruch von dir und das erste Möbelstück, das du nach mir geschmissen hast. Genauso wie ich mich an unseren ersten Kuss erinnere. Den in Mexiko am Strand, der vielleicht nicht wirklich zählt, und dann der in Los Angeles in der Bahn, nachdem ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe. Ich weiß auch noch, wie du damals das erste Mal hierher gekommen bist, genau hier an den Strand, um mir zu sagen, dass du mich mehr magst, als du eigentlich geplant hast. Und dass du mit mir zusammen sein willst. Das war bis dahin der angsteinflößendste und zugleich schönste Tag meines Lebens. Ich erinnere mich an all unsere Top-Listen, an alle erfolgreichen Platzierungen und genauso an - fast - alle gescheiterten Versuche. An die versteckte Stelle hinter der Halfpipe letzte Woche, an das Festival, den Strand in Mexiko und all die anderen Orte, an denen wir einfach nicht die Finger voneinander lassen konnten. Schwiegervater, es tut mir Leid." Zwischen den Gästen suchte ich nach seinem Gesicht und zog entschuldigend meine Schultern hoch. "Ich erinnere mich auch noch - wenn auch nur ganz dunkel - an den Tag, an dem ich dich gefragt hab, ob du mich heiraten möchtest. Betrunken. Aber du hast Ja gesagt und wenn mir eins in dem Moment klar war, dann das: Alkohol ist unser bester Freund." Wieder ein Grinsen meinerseits und ein Lachen aus der Meute neben uns. "Ich könnte dir auf Anhieb hundert Wutausbrüche aufzählen, die ich an deiner Seite überstanden hab, und danach hundert Momente, in denen ich trotzdem wusste, dass das, was wir haben, einmalig ist. Und wenn ich dir etwas versprechen muss, das ich dir in der U-Bahn in New York noch nicht versprochen hab, dann dies: Ich schwöre dir, dass ich unsere Geschichte niemals vergessen werde. Dass ich niemals vergessen werde, was zwischen uns war und immer sein wird. Dass, egal was kommt, ich mich immer wieder an uns erinnere. Das hat mich durch die letzten Monate gebracht und das wird mich durch den Rest meines Lebens bringen. Ebenso verspreche ich dir, dass ich niemals zulassen werde, dass du unsere Geschichte vergisst. Ich verspreche dir, dass ich dich an das hier erinnern werde, wenn du noch einmal an uns zweifeln solltest und einen erneuten einsamen Selbstfindungstrip in Erwägung ziehst. Oder wenn du mal wieder wütend wirst und mich lautstark verfluchst. Ich erinnere dich sogar dann noch, wenn du alt, faltig und dement bist. Neben all den Dingen, die ich dir schon einmal versprochen hab, verspreche ich dir jetzt hunderte, tausende Erinnerungen, die wir noch gemeinsam sammeln werden. Und dass wir in vielen Jahren zusammen auf all das zurück blicken und uns genauso sicher sein können wie jetzt, dass jede Entscheidung, die mich näher zu dir geführt hat, eine richtige Entscheidung war. Du bist meine Frau, genauso wie meine beste Freundin, meine Partnerin für den Rest meines Lebens, ich liebe dich und ich werde niemals vergessen, wie viel besser es uns miteinander geht." Diese Blicke, mit denen wir einander danach ansahen, war eine weitere Erinnerung, die ich niemals wieder vergessen würde. Ebenso wie die etwas heisere Stimme von Madisons Vater, der unerwartet nach vorne kam, um uns die Ringe seiner Mutter zu überreichen. Die Tränen in Madisons Augen, die sich einfach nicht aufhalten ließen, und gnadenlos über ihr so hübsch geschminktes Gesicht liefen. Das alles war perfekt. Wie ich meiner Frau genau diesen Ring an den Finger schob, der wie angegossen darauf passte, und im Gegenzug den Ring von ihrem Großvater erhielt. Wie wir uns in die Arme nahmen und einander danach küssten, zu dem Jubeln und Applaus all unserer Freunde und Familienmitglieder. Ich bereute es nicht Madison überstürzt in New York bereits geheiratet zu haben, keine Sekunde zog ich in Erwägung, dass dieser Feier noch mehr Bedeutung inne läge, wenn wir uns nicht mit ihren beiden besten Freunden in eine U-Bahn gestellt und dort schon ein Gelübde abgegeben hätten. So waren wir nunmal, das gehörte zu uns und genau das machte uns so perfekt füreinander. Aber trotzdem war ich unheimlich froh, dass wir es jetzt doch endlich geschafft hatten diese Hochzeit auf unsere Art nachzuholen, mit all unseren Freunden und all den Dingen, die zu einer richtigen Trauung dazu gehörten.
Sogar alles, was danach noch passierte, zerrte nicht an meiner guten Laune. Mit all den anwesenden Personen, die mit uns trinken und feiern wollten, hatten Madison und ich zwar weniger Zeit füreinander als erhofft, aber was war schon ein Abend, wenn wir danach unser ganzes Leben miteinander teilen konnten? Immer wieder trafen wir zwischen den Gästen aufeinander, nahmen uns ein paar Sekunden Zeit, aber wurden dann doch von jemandem in eine andere Richtung gezerrt. Auch den lautstarken Konflikt zwischen Lahja und ihrer Begleitung nahm ich einfach so hin und zog meine Quasi-Nichte erst zur Seite, nachdem sich dieser Ärger auch auf Jamie auswirkte. Aber danach schien wenigstens auch alles zwischen ihr und mir endlich geklärt, deshalb ließ ich mich davon nicht herunter ziehen. Ebenso wenig wie von Jamies unangenehmen, alkoholisierten Erfahrungen. Das alles minderte diese Feier in ihrer Bedeutung für mich nicht, im Gegenteil. Ich hatte heute nicht nur meine wunderschöne Frau zum zweiten Mal geheiratet, sondern konnte auch für meine Familie da sein und ihnen zur Seite stehen. Jedem Einzelnen. Das war tatsächlich ein perfekter Abend. Bis jemand erschien, mit dem niemand von uns hier rechnete.
Ich traute meinen Augen kaum, als ich in der Dunkelheit eine bekannte Person in unsere Richtung laufen sah, die ich am Liebsten nie wieder gesehen hätte: Chas. Und obwohl ich Kilian direkt auftrug, dass er Madison ablenken sollte, damit sie sich von seinem unerwarteten Erscheinen nicht stressen ließ, war es bei mir dafür schon zu spät. Denn was um alles in der Welt konnte gerade er hier wollen, außer uns den Abend zu verderben? Deshalb und wegen allem, was zwischen Madison und ihm in der Vergangenheit vorgefallen war, ging ich direkt schon ablehnend auf ihn zu, obwohl ich normalerweise niemals eine lautstarke Auseinandersetzung provozierte. Möglicherweise hatte es auch etwas mit dem Alkohol zutun, den ich heut schon getrunken hatte und der dafür verantwortlich war, dass ich ein wenig sensibler reagierte als üblich. Ohne ihn überhaupt zu Wort kommen zu lassen stieß ich hart meine Hände gegen seine Brust, machte ihm deutlich, dass er hier nicht Willkommen war und weil ich mich über sein Erscheinen so in meine Wut hinein steigerte, gab ich seinem Quengeln auch kein Gehör und bekam gar nicht recht mit, dass er nach Summer fragte. Das verstand ich erst, nachdem meine Faust seinen Kiefer getroffen hatte und sie schlichtend zwischen unseren Körpern erschien. Summer? Gerade Summer? Mit Chas? Völlig geschockt starrte ich in ihr Gesicht, wollte schon verhindern, dass sie mit ihm die Feier verließ, weil ich fest davon ausging, dass sie einfach keine Ahnung hatte mit wem sie sich dort einließ, aber bevor ich dazu kam erschien noch ein anderer, ungeladener Gast auf der Bildfläche und sorgte dafür, dass es auf einmal ganz still wurde: Brooke. Ich wusste von ihrem Einfluss in dieser Stadt und ich wusste vor allem, dass man sich der rothaarigen Frau nicht einfach so widersetzte oder in den Weg stellte, deshalb blieb ich trotz meines rasenden Pulses schweigend stehen, nickte ihr nur kurz zu und sah dann fassungslos mit an, was sich vor meinen Augen zwischen ihr, Summer und Chas abspielte. Erst wie sie eine meiner besten Freundinnen in den Sand stieß, wie degradierend sie mit ihr redete, dann wie Chas auf einmal seine Waffe zog und sich zwischen die beiden Frauen stellte. Wir alle wichen aus Instinkt einen Schritt zurück, mein Herz setzte für eine Sekunde aus und natürlich sah ich sofort um mich, suchte nach meiner Familie, aber erinnerte mich langsam daran, dass ich Jamie schon nach Hause geschickt hatte und Madison sich nicht mehr in der Nähe befand. Kilian stand direkt neben mir, sowie auch Lahja mit Noah. Niemand direkt im Schussfeld, stellte ich beruhigt fest, aber genau in diesem Moment zog sich ein ohrenbetäubener Knall über den Strand. Chas Körper sackte zu Boden, in den Armen von Summer und zurück blieb bei allen nur der blanke Schock. Ich konnte noch gar nicht wieder klar denken, als Brooke vor mir stehen blieb und mir mit Madisons Leben drohte, falls jemand in Erwägung ziehen sollte die Polizei zu informieren. Keine Sekunde zweifelte ich an ihren Worten, das tat man bei ihr einfach nicht, sondern nickte nur geistesabwesend und sah zu, wie sie mit ihrer Entourage in Richtung der Promenade verschwand. Zurück blieb ein Haufen geschockter Gäste, Chas blutender Körper auf dem Boden und Summer, die- verzweifelt nach der Waffe griff und sie auf Kilian und April richtete. "Summer", versuchte ich sie mit ruhiger Stimme zu besänftigen, hob meine Handflächen nach oben, aber sie ließ sich nichts sagen. Entschlossen mit der Pistole in ihrer Hand verlangte sie nach Aprils Hilfe und als sie dann feststellte, dass April als Krankenschwester tatsächlich wusste, was sie da tat, wollte Summer sie einfach mitnehmen. Kilian protestierte lauthals, ebenso wie ich, aber obwohl keiner von uns im nachhinein tatsächlich in Erwägung zog, dass sie auf uns geschossen hätte, taten wir in dem Moment doch das einzige, was man tun konnte, wenn eine Waffe auf jemanden gerichtet war: Wir gehorchten. Ich trug den regungslosen Körper von Chas zu ihrem Auto und Kilian verband dort seiner Freundin die Augen und ihre Hände, bevor sie in den Kofferraum gelegt und die Heckklappe über ihr geschlossen wurden. Hilf- und noch immer fassungslos blieben wir zurück, während Summer mit dem Auto davon fuhr, und konnten nichts anderes tun, als die Rückblenden des Wagens anzustarren, bis sie im Dunkeln verschwanden. Sie hatte uns zwar versichert, dass April nichts geschehen würde, sie hatte sich auch entschuldigt und ich glaubte ihr das alles sogar, doch wem ich nicht traute, das war Chas. Und er war gerade in unmittelbarer Nähe zu Kilians Freundin. Mein bester Freund schien dieselben Sorgen zu haben, denn in diesem Moment, in dem die Rücklichter nicht mehr zu sehen waren, verlor er völlig die Kontrolle. Er fluchte und schrie, suchte verzweifelt nach einem Ausweg, während mir nichts anderes übrig blieb, als ihn wieder zu beruhigen und ihm gut zu zu sprechen. Danach kümmerte ich mich um die Gäste, versicherte mich, dass es allem gut ging und vor allem, dass tatsächlich niemand die Polizei rufen würde. Meine Freunde verstanden das, wir kamen alle aus dem selben Viertel und niemandem hier war Brooke unbekannt. Madisons Vater und Ian hatten die Feier zum Glück ebenfalls schon eher verlassen, bei Kate und Jacob benötigte es allerdings ein wenig Überzeugungskraft. Zum Glück war ich gut darin. Die beiden waren es allerdings auch, die nach einer gefühlten Ewigkeiten Madison wieder in mein Gedächtnis brachten. Scheiße!
Hilfesuchend griff ich nach dem Arm eines guten Freundes von mir, fragte ihn wo meine Frau sei und drehte dann sofort auf dem Absatz um, als er von der kleinen Holzhütte am Strand sprach. Bei der Brautentführung hätte ich eigentlich nach ihr suchen müssen, ein bisschen Wartezeit war also bestimmt eingeplant, aber ich hatte das Zeitgefühl schon völlig verloren. Ich wusste nur, dass seit Chas Erscheinen defintiv mehr Zeit vergangen war, als nur ein bisschen. Vielleicht hätte ich deshalb ein wenig reumütiger sein sollen, doch um ehrlich zu sein - der ganze Stress gerade war eine mehr als gute Entschuldigung. Das müsste sie doch verstehen. Zumindest rechnete ich nicht mit der Wut, die sie mir noch entgegen bringen sollte, als ich versuchte die Tür der Holzhütte zu öffnen, aber irgendetwas mir den Weg versperrte. "Madison?", rief ich, rüttelte noch einmal an der Klinke und klopfte mehrmals laut gegen das Holz. "Mach auf, ich bins!"
MATTHEW NICHOLAS DAWSON # 39 YEARS OLD # HIPPIE PUNK
![[Bild: matt04.png]](https://i.postimg.cc/g2W8p0zz/matt04.png)
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