RE: MATT # MADISON
Schon seit einigen Tagen befand ich mich in einem sehr nervenaufreibenden Zustand zwischen entspannter Glückseligkeit und nervöser Anspannung, so als wechsle ich immer zwischen beiden Emotionen hin und her. Das bedeutete, dass ich entweder wie ein wild gewordenes Warzenschwein durch unser neues Haus rannte, auf der Suche nach meinem Handy, weil mir mal wieder etwas für unsere Hochzeit einfiel, das eigentlich in meinem Aufgabengebiet lag. Oder aber ich alberte völlig losgelöst mit meiner wunderschönen Frau herum und hielt sie gewaltsam so lange im Bett wie möglich, weil es viel wichtiger war diese schönen Momente der Zweisamkeit zu genießen, als unsere Feier zu planen oder die Wände unseres Wohnzimmers zu bemalen. Dann versicherte ich Madison immer, dass ich sie auch auf einem Schrottplatz heiraten würde, mit schlechter Countrymusik im Hintergrund, und dass wir durch die ganze Organisation viel zu viel Zeit verschwendeten, die wir eigentlich besser nutzen konnten. Mit Sex zum Beispiel. Oder damit einfach nur übereinander zu liegen und über verrückte Visionen für unser Haus zu diskutieren. Im Laufe der vergangenen Tage hatte ich dann jedoch den perfekten Mittelweg für mich gefunden und einfach all meine Freunde dazu rekrutiert das mit den Planungen zu übernehmen. Beziehungsweise- ich hatte Kilian aufgetragen er sollte das tun. Also- die Verteilung der Aufgaben. Der war darin sowieso besser, als ich. Und ich konnte mich ab diesem Zeitpunkt entspannt zurücklehnen und meine Frau immer wieder auslachen, wenn sie an der Einkaufsliste für ihr veganes Buffet schrieb oder durchplante in welcher Reihenfolge sie die Gerichte zubereiten würde. "Mach dir nicht so einen Stress, ich werde dich sowieso so schnell wie möglich vernaschen, da brauch ich gar kein anderes Essen", neckte ich sie dann immer mit einem dümmsten Scherze, die ich je gebracht hatte. Eigentlich waren wir uns ja auch von Anfang an einig gewesen: Ein kleines Fest, mit den engsten Freunden und wenig Aufwand.
Doch auch ich brach natürlich all die Regeln, die wir uns gemeinsam gesetzt hatten, und statt nur die engsten Freunde einzuladen kam letztendlich tatsächlich eine Horde von Menschen zusammen. Viel mehr, als ich eigentlich erwartet hätte. Aber so war das nunmal, wenn man einen so großen Bekanntenkreis pflegte. Und wenn man dann auch noch in dieser Stadt aufgewachsen war und jeden irgendwie über zwei Ecken kannte, dann weitete sich der Kreis der engen Freunde ganz automatisch aus. So versuchte ich es zumindest für mich zu rechtfertigen. Aber auch das mit dem wenigen Aufwand nahm ich nicht ganz so genau, allein schon dadurch, dass ich frühzeitig Madisons Vater und ihre beiden besten Freunde in New York kontaktiert hatte, um sie gemeinsam mit Ian - und eigentlich auch seiner Mutter - ebenfalls einzuladen. Vermutlich war das das falsche Wort dafür, denn von Anfang an hatte ich ihnen gar keine Option gelassen, sondern schon am Telefon damit genervt, dass sie es bis an ihr Lebensende bereuen würden, wenn sie nicht zu der Feier erschienen. Feuerwerk, Zauberkünstler, Ufos und Aliens - alles Mögliche hatte ich ihnen versprochen, was ich dann leider doch nicht halten konnte, aber es schien zu überzeugen. Oder sie hatten einfach keine Lust mehr auf meine nervige Stimme und sagten deshalb zu.
Am Tag der Veranstaltung selber war ich dann aber doch überraschend gelassen, mehr noch als üblich. Immer wieder erwischte ich mich dabei wie ich einfach schweigend irgendwo stehen blieb und mein Umfeld beobachtete. Mein Leben, in dem ich einfach uneingeschränkt glücklich war. Die Leinwände überall in unserem Haus, an denen noch gearbeitet wurde. Wie Madison mit Jamie im Badezimmer stand und ihr dabei half ihre Haare herzurichten. Das Grinsen auf dem Gesicht meiner kleinen Schwester, als Gus an der Tür klingelte. Und vor allem die Fahrt in unserem Van, zu viert, die Musik auf voller Lautstärke. Das alles waren diese Momente, in denen ich spürte, wie gut es mir ging. Dass es mir an nichts fehlte. Und damit erklärte ich mir dann auch, weshalb gar keine Nervosität in mir aufkam, denn ganz egal, was heute passieren oder schief gehen würde, ich hatte diese - für mich - absolut perfekte Familie und nichts konnte daran etwas ändern. Nichts konnte das kaputt machen. Da war nur eine kribbelnde Euphorie in mir, darüber, dass ich gleich vor allen anderen genau damit angeben konnte.
Am Strand angekommen sah ich dann auch erstmalig mit eigenen Augen, was für eine Mühe meine Freunde auf sich genommen hatten, um Madison und mir diesen Tag so unvergesslich zu machen. Innerlich freute ich mich schon darauf, dass meine Frau mir das ganze Lob dafür zusprechen würde, schließlich war das ja meine Aufgabe gewesen, aber während sie sich noch einmal im Van verkroch, bedankte ich mich schnell ausgiebig bei allen, indem ich - natürlich - mit jedem meiner engagierten Freunde anstieß. Danach schloss ich einen Arm fest um Jamies Schulter, um ihr zu verdeutlichen, dass sie jetzt erst einmal in meiner Gewalt war, und machte mit ihr noch eine Runde, damit ich sie allen als meine Tochter vorstellen konnte. Die meisten fanden das eigentlich auch sehr lustig, bis auf Madisons Vater, der die Kleine eher verwirrt ansah. "Schwere Geburt, so groß wie die schon ist", führte ich meine dummen Witze fort und meinte im Augenwinkel zu erkennen, wie Jamie verzweifelt nach einem Ausweg aus der Situation suchte. Dazu sollte sie allerdings erst einige Minuten später kommen, als ich gerade erneut versuchte einem Freund zu erklären, wie das Mädchen in meinem Arm gleichzeitig meine Schwester als auch meine Tochter sein konnte, aber mitten im Satz etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine äußerst attraktive Frau, in einem weißen Kleid. Verdammte Scheiße, bei dem Anblick gingen mir sogar die passenden Flüche aus. Und ich verlor die Kontrolle über meinen Arm, unter dem Jamie sich schnell hinweg wandte, um vermutlich lieber ein wenig Zeit mit Gus zu verbringen. Konnte ich nachvollziehen, ich hätte mich jetzt auch lieber in traute Zweisamkeit verzogen, mit dieser wunderschönen Frau dort, die lächelnd eine Hand in meine Richtung streckte. "Entschuldige. Prioritäten", brach ich das Gespräch mit meinem Freund gnadenlos ab und ging direkt auf meine Braut zu, ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen, das sich mit Sicherheit für die nächsten paar Minuten auch erstmal dort eingebrannt hatte. Bis ich mich an diesen atemberaubenden Anblick von ihr in dem weißen Kleid gewöhnt hatte. Ohne etwas zu sagen schlossen sich meine Finger um ihre ausgestreckte Hand, aber anstatt sie sofort mit meiner Nähe zu überfallen, hob ich ihren Arm ein wenig an und motivierte sie nur mit Gesten dazu sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Und dann nochmal. Und wieder geschah etwas, das nicht oft vorkam: Ich war vollkommen sprachlos. Ich konnte nichts anderes tun, als meine Hände an Madisons Taille zu legen, sie dicht an mich zu ziehen und ihre Lippen zu küssen, um irgendwie meinem so schwer schlagenden Herzen Ausdruck zu verleihen. Und genau das tat ich auch, bis mein Puls sich langsam wieder beruhigte und ich endlich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. "Ich heirate dich gleich." Gut, ein bisschen benebelt vielleicht noch. "Wenn ich dich noch nicht gefragt hätte, dann würde ich es spätestens jetzt tun."
MATTHEW NICHOLAS DAWSON # 39 YEARS OLD # HIPPIE PUNK
![[Bild: matt04.png]](https://i.postimg.cc/g2W8p0zz/matt04.png)
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