RE: KILIAN # APRIL
Trotz dieser eindeutigen Spannung zwischen uns, schloss ich meine Finger noch einmal ein wenig fester um Aprils Hand und lachte gleichzeitig leise darüber, wie sie vor mir in dem unebenen Boden für einen kurzen Moment ihr Gleichgewicht verlor. In meinen Körper waren zwar auch schon einige Flaschen Bier geflossen, aber nach allem, was heute vorgefallen war, stand mir nicht einmal der Sinn danach mich völlig zu betrinken. Eigentlich war ich so müde von der körperlichen und emotionalen Anstrengung, dass ich mich eben noch darauf gefreut hatte später endlich ins Bett zu fallen. Doch zumindest das war durch Aprils Anwesenheit auf einmal völlig vergessen und statt mich nach ein wenig Ruhe zu sehnen, klebten meine Augen an ihrem schönen Gesicht, an ihren Lippen und an den Wörtern, die ihren Mund verließen. Ich ließ sie aussprechen, was ihr auf dem Herzen lag, und akzeptierte einfach diese Achterbahn der Gefühle, die das in mir auslöste. Unbändige Euphorie darüber, dass sie mich auch mochte, mehr als das. Und dann die Ernüchterung, als April mir sagte, weshalb sie dennoch zweifelte. Weil sie Angst hatte, weil sie überfordert war und weil ihr Leben auf dem Kopf stand. Ich wartete nur unruhig darauf ihr endlich diese Angst zu nehmen und um das zu kämpfen, was zwischen uns beiden war, aber bevor ich auch nur irgendwie darauf reagieren konnte, sagte sie etwas, das mir die Sprache verschlug. Sie würde das weitermachen, das Strippen. Sie wollte auf die Art Geld verdienen und ihre Schulden abbezahlen, bis sie wieder einen festen Job hatte. Mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen starrte ich April für ein paar Sekunden einfach nur wortlos an und versuchte die Emotionen in mir zu ordnen, die das auslöste. Vielleicht war das altmodisch oder sexistisch, aber ich konnte diesen Gedanken nicht ertragen, dass sie sich noch einmal vor anderen Männern entblößen würde. Dass sie diesen ihre Brüste ins Gesicht drückte und lasziv vor ihnen tanzte. Das war eine intime Sache, die zwei Menschen miteinander teilen konnten, aber doch nicht gegen Geld. Man verkaufte doch nicht einfach seinen Körper. Matt war was das anging schon immer anders gewesen, er hatte keinerlei Probleme damit, wenn Madison freizügige Fotos schießen wollte und auch Summers Job hatte ihn nie so gestört, wie mich. Er war es auch, der mir vor ein paar Tagen noch eingeredet hatte, dass ein nackter Körper nichts Schlimmes war und dass ich April nicht dafür verurteilen sollte. Seiner Meinung nach sollten sowieso viel mehr Menschen nackt herum laufen, aber ich konnte das alles einfach nicht teilen. So sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte das nicht locker sehen. Aber gleichzeitig- war das nicht die einzige Chance, wie ich das hier vielleicht noch retten konnte? Was sollte ich sonst tun? Wo sollte ich denn das Geld hernehmen, um ihr unter die Arme zu greifen? Ich musste doch selber jeden Cent zwei Mal umdrehen, wenn sich der Monat dem Ende zu neigte. "Du- machst das weiter? Das Strippen? Das war nicht- einmalig?", fragte ich unsicher und verzweifelt zugleich. Wenigstens war es diesmal nicht die Wut, die im Vordergrund stand. Scheiße, ich erinnerte mich daran wie ich noch vor wenigen Stunden meiner Tochter versprochen hatte mich für diese Frau ins Zeug zu legen und alles dafür zu tun meine Fehler wieder gerade zu biegen, aber das hier sah gerade ganz und gar nicht danach aus. Das konnte nicht die Reaktion sein, die April von mir wollte, also legte ich für einen kurzen Moment den Kopf in den Nacken, atmete tief ein, presste meine Kiefer aufeinander und blickte ihr erst wieder in die Augen, als ich mich einigermaßen gefasst hatte. "Das ändert nichts. Ich bleibe bei allem, was ich heute gesagt hab. Ich will das- mit dir, aber- gibt es denn gar keine andere Möglichkeit? Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue oder dass ich deine Entscheidungen nicht respektiere, aber- scheiße, das ist hart. Wie fändest du es denn, wenn ich mich regelmäßig vor andere Frauen ausziehe? Wäre das für dich kein Problem?" Ganz so anders war mein Beruf vielleicht nicht einmal, bei mir gehörte es zumindest zum täglichen Geschäft, dass ich mit den weiblichen Gästen ganz offensichtlich flirtete, um sie zum Trinken und auch zu einem netten Trinkgeld zu animieren. "Es ist einfach- ich mag dich. Und ich will dich, wirklich. Aber- ich will dich eben auch nur für mich. Ich will dich nicht mit irgendwem teilen müssen, April. Und ich will mir- wirklich nicht vorstellen, wie andere Männer deinen nackten Körper angaffen. Sieh dir doch an, wie die darauf reagieren." Mit einem Nicken deutete ich in Richtung der anderen Personen, unter denen sich auch einige unserer Freunde befanden, die letzte Woche Aprils Brüste sehen durften. "Die behandeln dich wie ein Stück Fleisch, total respektlos, aber- das bist du doch nicht. Du bist doch besser, als das." Weil das aber immer noch nicht ihre Frage beantwortete, senkte ich für einen Moment resignierend den Blick, rieb mir fest über meine geschlossenen Augen und schüttelte dann den Kopf. "Ich find das nicht gut, wirklich nicht. Und ich wünschte du würdest das nicht tun. Aber wenn du das tun musst, weil du keine andere Möglichkeit hast, dann- werde ich damit leben und das akzeptieren." Wie verdammt hart es war das auszusprechen. "Ich will aber mit dir nicht darüber diskutieren, ob du auf der Straße lebst oder nicht. Geh zu deiner Mutter, auch wenn es schwierig ist, oder zu einer Freundin. Oder- du kommst mit zu mir. Bis sich das alles geklärt hat. Das wird nicht einfach, ich weiß das, aber Lahja versteht das. Okay?"
KILIAN THOMAS CARTER # 40 YEARS OLD # JOE'S BAR
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