RE: KILIAN # APRIL
Nach allem, was ich April gesagt oder angetan hatte, war es sicher nicht selbstverständlich, dass sie mich überhaupt noch in ihre Nähe ließ - geschweige denn mir die Möglichkeit gab mit ihr zu sprechen - und deshalb sah ich sie auch gewissermaßen erleichtert an, als sie aufstand. Aber da war noch etwas anderes. So wie sie mit den Leuten hier sprach, wie sie die Flasche Schnaps an ihren Rucksack lehnte, wie sie sich in diese Gruppe eingliederte. Das waren doch sonst nicht die Art von Personen, mit denen April ihre Zeit verbrachte, also was - verdammt nochmal - war innerhalb der vergangenen Woche geschehen? Mein großes Problem war, dass ich mich an kein einziges Wort von ihr erinnern konnte, mit dem sie versucht hatte meine Wut zu besänftigen oder ihr Verhalten zu erklären. Das war so in diesem Rausch der Aggressionen. Da konnte nichts und niemand wirklich zu mir durchdringen und deshalb wusste ich auch nicht mehr, dass sie von ihrer Wohnung gesprochen hatte. Dass sie diesen Job annehmen musste, um ihre Miete zu zahlen, weil sie sonst vor die Tür gesetzt würde. Vielleicht wäre es mir leichter gefallen diese Puzzleteile zusammen zu setzen und zu verstehen, weshalb da ihr Rucksack im Sand lag, wenn ich mich daran erinnern könnte, aber stattdessen hob ich unsicher den Blick in Aprils Augen, als wir in ein paar Metern Entfernung stehen blieben. Zwei Mal wechselte ich zwischen ihrem Gesicht und den paar obdachlosen Menschen dort im Sand, ehe ich ein wenig überfordert den Kopf schüttelte. "Was machst du hier? Mit deinem Rucksack? Woher kennst du die Leute?" Für mich war das in diesem Moment wichtiger, als meine Entschuldigung, gerade weil April noch einmal einige von den Dingen wiederholte, die ich ihr voller Wut entgegen geschrien hatte. Auch diesbezüglich war meine Erinnerung nicht die Beste, ich hatte meine Beleidigungen und Vorwürfe zwar noch bruchstückhaft im Kopf, aber Situationen wie diese waren nunmal tatsächlich wie ein Rausch. Schwammig und undurchsichtig. Gleichzeitig führte mir das noch einmal vor Augen, dass jeder meiner Sätze in Aprils Kopf noch deutlich präsent war und dass sie all diese Dinge, die ich eigentlich nicht so meinte, tatsächlich befolgen wollte. Weil sie nicht verstand, dass ich in solchen Situationen auch die Kontrolle über meine verbale Kommunikation verlor. Aber wie sollte sie auch? Sie kannte mich nicht, zumindest nicht so. "Nein, ich- wollte dich nicht verscheuchen. Das hat nichts mit der Hochzeit zu tun. Ich wollte nur- mit dir reden. Über letzte Woche." Kaum jemand konnte verstehen wie schwer es für mich war diese vier kleinen Worte der Entschuldigung über die Lippen zu bringen. Mein Herz raste, ein schwerer Druck legte sich auf meine Kehle und schon wieder wich ich ihrem Blick aus, starrte stattdessen den Strand hinab, beobachtete einige Personen, die sich dort bewegten und versuchte irgendwo dazwischen den Mut zu finden, aber erfolglos. Vorerst. "Ich glaube- es ist neulich nichts von dem gesagt worden, was ich eigentlich sagen wollte."
KILIAN THOMAS CARTER # 40 YEARS OLD # JOE'S BAR
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