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JOE'S BAR
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Kilian Thomas Carter
THE MISTAKES OF MY YOUTH
Beiträge: 147
Registriert seit: Jun 2015
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RE: JOE'S BAR
Das, was Nele mit zitternder Stimme erzählte, klang eigentlich ganz nachvollziehbar und plausibel, aber trotzdem saß Kilian dort angespannt neben ihr, presste immer wieder die Kiefer aufeinander und konnte nicht verhindern, dass er im Kopf auf einmal alles anzweifelte. War das der erste Beweis dafür, dass sie es doch nicht schaffen würde? Dass sie einfach noch nicht so weit war? Dass es besser gewesen wäre auf Zac zu hören? Konnte Nele das überhaupt: Ihr Leben in die eigene Hand nehmen? Oder würde sie immer und immer wieder daran scheitern? Und wenn er ihr nun anbot, dass sie wieder bei ihm einziehen durfte, würde dann als Nächstes der Job folgen? Würde sie sich dafür dann auch zu schwach fühlen? Würde genau das passieren, was Neles Ex-Freund schon von Anfang an erwartet hatte? Kilian zweifelte unheimlich schnell an sich, das hatte er auch schon immer getan, und an seinem besorgten, unsicheren Blick würde auch Nele erkennen können, dass er sich gerade schwer damit tat. Spätestens, als er tief die Luft in seine Lungen sog und den Blick angespannt auf die hölzerne Theke vor sich senkte, gäbe es keinen Zweifel mehr an seinen Bedenken, aber anstatt sie auszusprechen, blieb Kilian ganz still. Er tat etwas, wozu er sonst selten in der Lage war, indem er seine eigenen Gedanken zuerst ruhig im Kopf abwägte, bevor er sie aussprach. Warum ihm das bei Nele gelang, konnte er selber nicht begreifen, vielleicht lag es auch eher daran, dass die Gespräche mit ihr immer so ruhig und ausgeglichen verliefen, nicht wütend und voll destruktiver Emotionen wie mit Lahja. Doch es war gut, dass er sich die Zeit nahm, denn je länger er sich Neles Bitte durch den Kopf gehen ließ und je länger er dabei auch warm ihre hilfesuchende Hand auf seinem Arm spürte, desto eher gerieten seine Sorgen in den Hintergrund. Und stattdessen kam eine elementare Frage immer wieder auf: Warum glaube er Nele nicht einfach? Warum vertraute er ihr nicht wie sie das auch bei ihm tat? Warum ging diese Krankheit - jede mentale Krankheit - für Kilian automatisch mit Misstrauen einher? Tat er damit nicht dasselbe wie Zac? Indem er sich über Nele erhob? Indem er sich anmaßte zu glauben er wüsste besser, was in ihr vorging, als sie? Diese Frage war es letztendlich, die ihn dazu motivierte den Kopf zu heben und der jungen Frau lange in ihre dunklen Augen zu blicken, ehe er nickte. "Okay. In Ordnung." Möglicherweise hatte auch seine eigene Sehnsucht etwas mit dieser Entscheidung zutun, denn aus irgendeinem für ihn noch unerklärlichen Grund fühlte es sich in einem Herzen und in seinem Bauch so viel besser an, wenn er wusste wo sie war. Wenn er täglich mit ihr reden und dadurch ein wenig den Überblick über sie und ihre Fortschritte behalten konnte. Und dass es ihr genauso ging - dass sie ihm deutlich mehr Zuneigung und Vertrauen beimaß, als ihren Betreuern, wie man ja jetzt gerade sah - erfüllte Kilian mit einer angenehmen Wärme. "Wenn du möchtest, dann kannst du wiederkommen, Nele, aber- wie gesagt, nur auf Zeit." Dass er das sagte, tat er bloß aus dem Grund, dass er sich dazu verpflichtet fühlte. "Ich hoffe du weißt, dass ich das nicht sage, weil ich dich nicht gerne bei mir hab oder weil du mir auf die Nerven gehst, das stimmt nicht. Aber auf Dauer- auf Dauer muss es eben alleine funktionieren, oder? Das ist doch auch das, was du willst? Wenn dir das jetzt alles zu schnell geht, dann ist das okay, dann verstehe ich das. Nur langfristig kann das keine Lösung sein, aber- ich denke das weißt du auch, oder?" Noch einmal hob er den Blick in ihr Gesicht und blieb diesmal sogar noch ein wenig länger an ihren Augen hängen, so als suche er darin auch nach der Antwort auf eine Frage, die ihn noch immer viel zu oft quälte: Welche Rolle nahm er eigentlich für Nele ein? Was war er für sie? Was war der Sex mit ihm für sie gewesen? Hatte das tatsächlich gar nichts mit seiner Person zutun gehabt? Hätte sie - wegen ihrer Manie - wirklich jeden genommen? Oder konnte sie ihn vielleicht sogar ganz gut leiden? Als Menschen? Es war nicht so als hätte er Gefühl für sie - oder zumindest war er sich dessen noch nicht bewusst - aber mit dem Alter war bei Kilian nunmal auch die Unsicherheit mit ich selber gestiegen. Er versuchte Bestätigung für seine Attraktivität zu finden, die Nele ihm noch vor wenigen Wochen so unvergleichlich gut hatte geben können, aber seitdem er von der Krankheit wusste, wurmte ihn auch ständig die Frage, ob seine Attraktivität in dieser kurzlebigen Affäre überhaupt je eine Rolle gespielt hatte.
KILIAN THOMAS CARTER # 40 YEARS OLD # JOE'S BAR
![[Bild: kilian02.png]](https://i.postimg.cc/nVNqdkNQ/kilian02.png)
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11.02.2017 18:29 |
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