RE: ROUTE 66
Matt lebte und liebte oft von ganzem Herzen, laut und expressiv, offen und schamlos, aber als Madison ihm hier im Bus gegenüber saß, ganz ruhig und ganz einsam, und als sie ihm seine Fragen unerwartet ehrlich beantwortete, wurde er auf einmal ungeahnt stumm. Dass sie ihn noch liebte, das lag auf der Hand, daran zweifelte Matt nicht, ebenso wenig wie an seiner eigenen Liebe zu ihr. Dass es in ihrer Beziehung auch nach Jahren noch immer wunderschön gewesen war nebeneinander einzuschlafen und nebeneinander aufzuwachen, auch das wusste er aus erster Hand, bei niemandem würde es sich je so gut und so richtig anfühlen wie bei ihr. Aber dass sie gerade in diesem Moment sein Herz erwärmte, das lag auch viel weniger daran, was sie sagte, sondern eher daran, dass sie es überhaupt sagte. Dass sie Matt wirklich eingestand sich noch einmal so verletzlich vor ihm zu zeigen. Madison könnte ihm keine größere Ehre erweisen, als das, und während die Blicke der beiden aneinander hängen blieben, da würde sie auch wortlos erkennen können wie dankbar er ihr dafür war. Denn ja, auch nach so vielen gemeinsamen Jahren war sie noch immer die eine Traumfrau, die Matt an seiner Seite visualisieren konnte: Immer ein wenig anders. Ständig eine neue Herausforderung. Und viel zu oft undurchschaubar. "Weißt du, was ich absurd finde, Madison? Ich finde absurd wie unterschiedlich wir sind und dass es sich trotzdem nie falsch angefühlt hat mit dir zusammen zu sein. Ich hatte nie das Gefühl, dass es mir ohne dich besser gehen würde und ich hab auch nie bereut, was wir hatten, nicht einmal vor zwei Jahren. Im Gegenteil." Auch Matt hob schwach seine Mundwinkel, während er ihr noch immer warm in die Augen sah. "Du bist mir schon immer ganz oft ganz hart auf die Nerven gegangen und ich vermute bei dir war das ähnlich, es hat sich aber einfach- immer gelohnt. Es lohnt sich immer noch. Auch, wenn es weh tut hier sitzen zu müssen und dich nicht so berühren zu können wie ich gerne würde. Und auch, wenn es vor zwei Jahren wehgetan hat. Auch, wenn es seitdem immer wieder weh tut. Das ist der Deal, den wir damals eingegangen sind, Madison. Der Schmerz ist doch nichts anderes, als einfach nur eine Begleiterscheinung von dem, was wir miteinander teilen durften. Das gehört dazu, wenn das alles auf einmal nicht mehr ist. Und nein, du kannst das nicht zurücknehmen, das stimmt, aber- vielleicht ist Verzeihen doch leichter, als ich dachte. Denn während du glaubst, dass dieser Kuss gestern total dumm war und dass der niemals gleichbedeutend sein könnte mit unseren anderen gemeinsamen Erinnerungen, war das für mich- einfach alles. Alles, was ich gebraucht hab, um zu merken, dass es mich nicht mehr interessiert, was vor zwei Jahren passiert ist. Ich verzeihe dir, Madison, wirklich. Von ganzem Herzen. Wenn nicht, dann könnte ich dich nicht so ansehen wie ich es jetzt tue. Ich verzeihe dir und ich liebe dich und ich vermisse dich. Du hattest genug Zeit, um es gerade zu biegen. Und du hast auch noch genug Zeit, um ganz andere Dinge gerade zu biegen, aber ich hab das Gefühl, wenn ich dir jetzt noch einmal sage, dass du zum Arzt gehen sollst, dann kratzt du mir die Augen aus. Also lass ich es. Und ich sage dir stattdessen einfach nur, dass ich da bin, wenn du es möchtest. Egal, wofür du dich entscheidest. Dass ich dabei leiden werde steht außer Frage, das kannst du mir gar nicht nehmen, aber wie ich schon gesagt hab: Das ist der Deal und du hast sowieso keinen Einfluss darauf, ob ich diesen Deal annehme oder nicht. Ich leide so oder so, wenn du irgendwann nicht mehr leben solltest, Madison. Ganz egal, ob du mich jetzt an dich heran lässt oder nicht. Ob du lernst dir selber zu verzeihen oder nicht. Das macht keinen Unterschied." Wieder blieb Matt mit seinem Blick lange an ihrem wunderschönem Gesicht hängen, betrachtete warm ihre vertrauten Züge, ihre geliebten Augen, ehe er langsam die Schultern hochzog und auf seine Hand hinab sah, auf das Stück Fleisch mit der Tablette darin. Vielleicht war das tatsächlich seine letzte Möglichkeit sie zu erreichen. Vielleicht war das etwas, das sie verstehen könnte. Matt war sich unsicher, ob sie selber die Parallelen ebenfalls erkannte, aber selbst wenn nicht, dann würde er sie jetzt mit der Nase darauf stoßen, indem er die Tablette aus dem Fleisch wieder heraus prokelte und dem gierigen Waschbären nur das leckere Rind vor die Nase hielt, über das er sich auch sofort genüsslich her machte. "Vielleicht sollten wir einfach akzeptieren, dass das garstige Tier sich nicht helfen lassen will, hm? Ich meine, klar, dann wird sich seine Wunde wahrscheinlich entzünden und die Entzündung wird sich auf den gesamten Körper ausweiten und er wird früher oder später daran sterben, aber- wenn er doch nunmal nicht möchte? Warum sollten wir es dann immer und immer wieder versuchen?" Madison würde zweifellos die Provokation in seinem Blick sehen können, als er den Kopf wieder hob und die Tablette dabei schulterzuckend in ihre Richtung hielt.
MATTHEW NICHOLAS DAWSON # 39 YEARS OLD # HIPPIE PUNK
![[Bild: matt04.png]](https://i.postimg.cc/g2W8p0zz/matt04.png)
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