RE: ROUTE 66
Manchmal könnte sie wirklich Verfluchen das er sich über die zahlreichen Jahre, die sie sich nun schon kannten, nicht mehr so leicht Einschüchtern ließ. Nachdem sie seinen Spruch mit einem finsteren Blick quittiert hatte, gefolgt von einem Augenrollen, wagte er dennoch ihr gegen die Stelle zu tippen, an der er ihre Gedanken vermutete. Symbolisch natürlich. Spielerisch oder womöglich auch als stille Drohung schnappte sie nach seinen Fingern, wie der Waschbär es in den letzten Stunden schon ein paar mal getan hatte aber – weiterhin nein, sie zog noch immer keine Vergleiche zwischen dem Fell-Gast der beiden und sich selbst. „ Du bist ganz schön Mutig, gleich Quängelst du nur wieder.“ Brummelte sie vor sich hin. Noch immer wanderten ihre Blicke zwischen dem Tier im Bus und Matt hin und her. Sie schaffte es nicht, sich seinen Worten durchgehend zu Stellen und sich dabei eventuell in die Karten schauen zu lassen. Auch wenn es genau das war, was Matt sich von ihr wünschte. Madison wusste doch manchmal selbst nicht, warum sie sich so schwer tat. Gerade mit ihm war sie doch vor langer Zeit schon über diese unsichtbare Barriere hinweg gekommen. Ihr Exmann hatte mehr Zugang zu ihren Gedanken gehabt als je ein Mensch vor oder nach ihm, zumindest nachdem ihre Großmutter verstorben war. Die einzige Person, bei der sie sonst Zuflucht gesucht hatte. Deshalb konnte sie aber auch sein Empfinden verstehen, sich zu Fühlen, als kenne er sie nicht. Auch in der Beziehung hatte er nicht immer Nachvollziehen können, was ihr Problem war – weil sie sich auch gerne selber auf den Füßen stand. Matt hatte viel eher Zugehört und manchmal einen Umweg für sie gebastelt, Schritt für Schritt aber immer basierend auf ihren Aussagen. Nur, es war doch jetzt nicht mehr seine Aufgabe. Madison wollte nichts an ihn abgeben, sie stand doch so schon in seiner Schuld. Wie immer konnte sie doch nicht ihren Mund halten, als er Behauptungen von sich gab, die ihr nicht passten und ihr Blut in Wallung brachten. „ Ich habe keine Angst und das hat auch gar nichts mit Trauen zu tun.“ Kam es bissig über ihre Lippen aber der Blick, mit dem sie dann an ihm hängen blieb, der war um einiges weicher als ihre Tonlage vermuten ließ. Schon als die beiden sich kennen gelernt hatten und sie eigentlich nur Kilian ein wenig hatte Zanken wollen, lockte seine Art sie an, wie den Waschbären in diesem Moment wohl auch. „ Woher nimmst du diese Geduld? Diese Beharrlichkeit – auch jetzt noch danach zu Fragen? Ja, damals hast du dich deswegen vielleicht in mich verliebt. Weil dich das mehr Herausgefordert hat, als andere Frauen. Jeden Tag - eine andere Frau - aber eigentlich ist es nur eine einzige...“ Madison konnte nicht anders, als ein wenig zu Lächeln weil sie sich an all die Spinnereien der beiden erinnerte und man fand auch eine Gewisse Zärtlichkeit in ihrer Stimme, bis sie ihre Lungen tief mit Luft füllte und den Kopf schüttelte. Zwei Tage musste sie noch Stark bleiben – wenn ihr Herz auch noch weiter abdriftete und sie sich gerade Bewusst wurde, er handelte noch immer so, wie sie sich ihren Traummann vorstellte, wie sie sich ihr Leben mit einem Partner ausgemalt hatte. Sie durfte nicht vergessen, dass Kapitel der beiden war vorbei und ihr Herz durfte träumen aber ihr verstand müsste beisammen bleiben. „... aber – das ist auch schon ziemlich lange her und da war auch noch nicht so viel... passiert, hm?“ Nicht so vieles kaputt gegangen. Sie hatte ihn nicht so verletzt und sie war nicht krank gewesen. Es wäre besser für alle beide das nicht zu vergessen. Als Madison sah, dass der Waschbär schon wieder um die Tablette herum gefressen hatte - weil sie noch an seiner Futterstelle lag, sah sie Vorwurfsvoll auf sein Hinterteil weil er gerade Matt inspizierte. Eigentlichen war sie nur Verzweifelt. Müde davon ihre Zuversicht schwinden zu sehen und damit seine Genesung. Die blonde Frau nahm also den nächsten Leckerbissen, lehnte sich gegen die Seitenwand des Busses und winkelte die Beine an. „ Ich bin nicht anders Matt, unser Verhältnis zueinander ist aber anders und auch wenn es schön wäre, dass einfach einen Abend zu vergessen, kann ich das einfach nicht. Beim letzten Mal, als ich so dumm war, nicht an den nächsten Tag und die Konsequenzen zu denken, habe ich einen Fehler gemacht – der mich dein Vertrauen gekostet hat, unsere Beziehung und ich habe dich auch noch Verletzt.“ Während sie noch immer an dem neuen Versuch herum nestelte, die Tablette im Fleisch verschwinden zu lassen, hob sie den Blick in sein hübsches Gesicht. Nein, sie wollte nicht noch mal hören, dass sie sich selbst verzeihen sollte und so weiter – es würde sich nicht weg zaubern lassen aus ihren Gedanken. „ Es ist keine Angst die ich habe oder Mut der mir fehlt, neben dir oder sonst jemandem zu schlafen – es ist nur. Ich weiß wie es ist neben dir einzuschlafen, wach zu werden – egal ob am Morgen oder mitten in der Nacht. Ich weiß, du brauchst das und kannst mich deswegen vielleicht nicht verstehen – aber ich brauche keinen Ersatz dafür. Du sagst selber, mit Haily war das etwas anderes... und anders brauche ich nicht. Das meinte ich, ich habe schon Grenzenlos geliebt und alles andere würde sich wie ein Fehler anfühlen. Solange das Gefühl nicht verschwindet, will ich das nicht sondern nehme doch lieber nur das positive aus der Begegnung mit. Was sich gut anfühlt. Jetzt fragst du dich eventuell zu Recht, warum ich dann nicht die Chance ergriffen habe, das noch mal mit dir nachzuholen aber das ist doch auch nicht wie vor über zwei Jahren. Wir waren irgendwie... eins. Du hast mich zwar auch in Ruhe gelassen, wenn ich wollte aber irgendwie habe ich immer selbst das Bedürfnis gehabt, dir etwas aus meinem Kopf zu erzählen. Ich verrate dir zwei Geheimnisse...“ Erneut hob sie den Blick, mit einem sanften Lächeln auf den Lippen aber auch vielen Gefühlen in allem, was sie gerade verkörperte. Sehnsucht, Reue, Wohlsein und Trauer und sah wieder hinab. „...ich habe nicht immer gehasst, wenn du gegen meine Meinung geredet hast sondern ich wollte mich entweder Streiten weil ich das brauchte oder aber ich wollte nur von dir hören, dass es diesen anderen Weg wirklich gibt, der viel weniger Madison-Manier gewesen wäre. Du hast mich beeinflussen können. Zweitens, ich habe auch nicht immer gehasst, wenn du mich gekuschelt und mit Liebe erstickt hast, wenn die Welt einfach doof war und auch wenn ich gesagt habe, ich will das alles alleine schaffen, war es so - mit dir viel, viel schöner.“ Nichts was er nicht wissen würde aber etwas, was sie so wahrscheinlich noch nie Zugegeben hatte. Ausgesprochen und ohne Chance es zurück zu nehmen. „ Ich will nicht in zwei Tagen die ganzen, großen und kleinen Momente in unserer Beziehung damit gemeinsam sehen, dass wir einfach hier neben einander geschlafen haben und uns einmal betrunken aufeinander eingelassen haben. Das ist nicht... das reicht dem nicht das Wasser. Ich bin krank Matt, ich hab einen Tumor in der Brust, den ich fühlen kann und wir sind kein Paar mehr. Du hast gesagt es tut dir weh mich zu sehen und du kannst mir nicht Verzeihen und das verstehe ich, das weißt du – aber das sind die Fakten. Um gerade zu Biegen, was ich kaputt gemacht habe, habe ich nicht genug Zeit. Wenn es Überhaupt gerade zu Biegen wäre. Um dann was zu erreichen? Das du dir den Verlauf der Krankheit ansehen musst? Leiden musst? Das zu Realität wird statt unsere Reisen im Alter? Das wäre ja so, als würde ich dich – Egoistisch und mit voller Absicht – noch einmal verletzen. So – das alles geht in meinem Kopf vor sich und wehe du fragst jetzt noch einmal, warum ich nicht gegen den Krebs kämpfen will,...“ Sie kannte ihn doch, er bekam nicht genug und das vor allem nicht, wenn er so Nahe an ihrer Substanz war, wie gerade. Auch das erinnerte sie an ihre ersten, gemeinsamen, endlosen Gespräche und so Lächelte sie erneut. „...immerhin gibt es hier keine Straßenbahnen. Das wäre also nicht angemessen.“ Damit hob Maddi den Blick, reichte ihm die erneut verpackte Tablette. „ Da probier du mal das garstige Tier dazu zu bekommen, sich helfen zu lassen.“ Jetzt – gerade jetzt wurde ihr vielleicht bewusst, wie es genau auf die Situationen der beiden passte und vielleicht biss sie sich auch genau deshalb auf die Lippe aber solange er nichts sagte, würde sie so tun, als wäre der ertappte Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht darauf zurück zu führen, wie garstig auch sie sich wehrte.
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