RE: AIDEN
Wer Haily von ihrem Wesen her kannte, der wusste, nichts lag dieser jungen Frau ferner als aus einem Pflichtgefühl oder aus Anstand heraus eine Entscheidung zu treffen. Es war nicht so, dass sie Entscheidungen die sie traf, mit ihrem Kopf und ihrem Herz zusammen gefällt wurden sondern rein aus dem Bauch heraus. Als Aiden sie nicht hatte sehen wollen, war sie ins Land gezogen, weil sie es nicht ertragen konnte und Haily hatte schon immer gewusst, sie würde irgendwann erneut auf Reisen gehen. Wieso und Weshalb, diese Fragen hatte sie nie gestellt aber gewusst hatte sie es. An einem Ort zu sein war nicht ihre Art, dafür passierte in der Welt viel zu viel Aufregendes. Dafür gab es zu viele Menschen, die von ihr noch kennen gelernt werden wollten. Zu viele Lebensweisen, die sie noch nicht zu Gesicht bekommen hatte und Haily wollte lernen, sie wollte sie alle selbst Fühlen und sie wollte allem voran nicht, wenn sie sich schlecht fühlte, vor dieser Tatsache kapitulieren und es ertragen. Natürlich musste man schwere Zeiten durchleben, alleine schon um die guten zu sehen aber das hieß nicht, dass man darin stecken bleiben sollte. Diese zwei Jahre mit Matt waren wichtig gewesen, um zu verarbeiten, was in Los Angeles alles passiert war und sie war auch noch nicht fertig damit, Haily wusste das aber sie hatte auch nicht gezögert ihm von sich aus zu sagen, sie würde mit ihm zurück kommen. Das machte sie aber nicht an Matt fest oder an der Stadt. Haily hatte ihr Herz noch nie an einen Ort gehangen und wenn es Sibirien gewesen wäre, wo es sie hinzog, wäre es eben das geworden aber diese Stadt hatte eben einen besonderen Status. Nicht wegen der Stadt sondern wegen dem Haus, ihrem Haus, darin und weil Chas sich diese Stadt als sein Zuhause ausgewählt hatte. Natürlich verstand sie, dass Matt das herzlich egal war aber sie liebte ihren Bruder. Er war als kleines Kind ihr Fels gewesen und auch heute noch hatte er sich als solcher Bewährt. Auch wenn er grausam und kalt war, wenn er sie am Telefon anschrie, weil sie etwas tat, was ihm nicht passte – das blonde Mädchen wusste auch, sie konnte so ziemlich alles von ihm verlangen, wenn sie es brauchte. Deswegen flauschte sie ihn auch ganz doll, als sie ihn zu Gesicht bekam und da konnte er sich noch so mit Händen und Füßen gegen wehren. Anders als Summer, die ihr sofort durch die Haare streichelte und sie ebenso feste drückte. Die Frau an Chas Seite war für Haily schon fast eine Art Ersatzmama geworden und als sie ihr sagte, wie froh sie darüber war, dass die Kleine wieder Lächeln konnte, schloss Haily Summer nur noch mehr in ihr Herz und ihre Arme. In Los Angeles lebten Menschen, denen sie den Rücken nicht kehren wollte und als sie Jamie erblickte und als sie Matt bei sich aufnahm, fühlte es sich erstmals richtig an, nicht alle Wege gänzlich hinter sich abzuschneiden. Matt war ein neuer Weggefährte, so nannte sie es am liebsten. Für die anderen klang das nicht Ernst, was nicht schlimm war, denn Haily wusste, was die beiden aneinander hatten. Sie liebte Matt. Es war eine ehrliche und reine Liebe und er gab ihr so viel mehr als Sex, Freundschaft und Gesellschaft aber auf der anderen Seite. Das hier war nicht wie bei Aiden, Matt hätte sie auch alleine weiter ziehen lassen, die beiden hätten sich ihrer Wege gehen lassen und auf das Schicksal vertraut, dass sie sich irgendwann wieder sahen. Für Aiden war das Schicksal ein Trugschluss und Haily gestand ihm zu, von ihr Sicherheit zu erwarten – hatte sie zumindest. Chas hatte sie auch immer wieder angerufen, natürlich aber der würde ihr sonst gewaltsam einen GPS-Tracker einpflanzen, auch daran zweifelte sie nicht aber bei Aiden war das so Grundlegend anders gewesen. Wenn Haily einmal geliebt hatte, um Kopf und Kragen, wie bei ihrem ersten Freund, dann lösten diese Menschen bei ihr einen schnelleren Herzschlag und so viel Leid aus weil es waren immer die Menschen in ihrem Leben gewesen, die sie von sich gewiesen hatten und nicht anders herum. Haily wäre vielleicht ein Leben lang um diese Personen gewesen, weil sie das wollte und brauchte aber sie hatten sie abgestoßen und sie war verschwunden. So auch bei Aiden.
Leider war Los Angeles nun einmal Los Angeles und Chas hatte, auf ihren Wunsch, einiges getan und riskiert um Aiden vor einer ewigen Haftstrafe zu bewahren. Also wusste sie über ihn auch, dass er wieder in der Stadt war. Ein paar Mal schon war sie an der alten Wohnung vorbei geschlichen aber was sollte sie tun? Sie respektierte die Wünsche eines anderen Menschen und wenn er sie sehen wollte, er wusste, wo sie immer hin zurück kam. In ihr Haus. Er hätte eine simple Nachricht in ihrem Zimmer oder auf dem Kühlschrank hinterlassen können, ein Zeichen – irgendwas – aber nein. Also musste sie es ertragen und da sie Dinge lieber wie ein widerspänstiger Teenie ertrug, lungerte sie eben ein wenig vor seiner Wohnung herum. Solange, bis sie eine Dame erkannte, die sie mit Aiden schon in eindeutiger Pose auf einer Club-Toilette erwischt hatte. Die ging Selbstverständlich, mit dem eigenen Schlüssel gewappnet, in das innere des Flures und Haily konnte nicht anders, als hin und hergerissen dort auszuharren und genau zu fühlen, wie ihr ein flaues Gefühl im Magen entstand. Hier war kein Platz für sie. Aiden hatte im Leben keinen Platz für sie. Bis sie aber wieder zu sich fand, verging zu viel Zeit und so kam ihr schon genau der Mensch entgegen, den sie sich eigentlich erhofft hatte, zu Gesicht zu bekommen und sprach sie auch noch so neunmalklug und blöd von der Seite an. Hm. „ Mimimi, ja, auch in meiner Welt gibt es Klingeln.“ Sprach sie zeternd und aber auch kleinlaut aus. Sie hatte sich noch nicht entschieden, wie sie zu ihm sein sollte und wollte – aus dem simplen Grund, wie erledigt er aussah. Wie wenig Leben in ihm zu sein schien. Haily sehnte sich sofort danach, ihm etwas von sich abzugeben aber ihr Wille war hier nicht wichtig. Sie hatte das nicht zu Entscheiden und deswegen stand sie doch hier vor der Tür und nicht bei ihm. „ Ich will aber nicht klingeln, damit du mir nicht nicht aufmachen kannst. Du wolltest mich nicht sehen und du hast mir nirgends etwas hinterlassen, dass das jetzt anders ist aber ich will dich sehen und deswegen stehe ich hier herum. Also nur sehen – ich wollte nicht mal mit dir Reden. Will ich nicht. Entschuldige. Man sollte den Wunsch eines Menschen schon respektieren.“ Und dennoch redete sie noch immer mit ihm, weil sie konnte Reden eben am besten. Bis jetzt, jetzt schob sie die Finger tief in die Taschen und malte mit der Fußspitze verlegen auf dem Asphalt herum, darauf wartend, dass er vielleicht einfach wieder hinein ging? Zumindest gab sie ihm die Chance, indem sie ihn nicht anschaute. Aber eigentlich, wenn er schon mal hier war? Könnte ja auch sein, dass sie mit der Luft sprach. „ Ich dachte... jemand... der Frei und nicht dreißig Jahre im Gefängnis sitzt, der sieht ein wenig mehr... nach Leben aus. Das ist schade.“
|| LOSING HERSELF » 25 YEARS OLD » DIFFUS ||
Just remember to laugh as much as you cry,
and I promise you will find yourself when you are least expecting it.
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