RE: ZAC # AVA
Zac wusste doch, dass er einen Fehler gemacht hatte, verdammt. Er hätte seine Verlobte niemals so hintergehen dürfen, er hätte nicht über Wochen hinweg etwas vor ihr verheimlichen und sie tagtäglich belügen dürfen, aber es gab doch auch Gründe dafür. War es so verwerflich, dass er Ava und ihr gemeinsames Kind vor noch mehr Belastung schützen wollte? Dass er in ihrer Depression Rücksicht auf sie genommen hatte? Obwohl sich die beiden jetzt so distanziert gegenüber saßen, obwohl seine Freundin ihre Hand von ihm zurück zog und noch immer nicht den Verlobungsring an ihrem schmalen Finger trug, war er sich nicht sicher, ob er es beim nächsten Mal nicht wieder genau so tun würde, ganz einfach aus Mangel an Alternativen. Nur, dass er von Anfang an - schon ab Beginn der Beziehung - ehrlicher und offener hätte sein müssen, mit ihr, aber auch mit sich selber, das sah er ein und blickte daher auch angespannt, reumütig auf seine ineinander gepressten Hände, ehe er die Lungen tief mit Luft füllte, um offen, ehrlich weiter auszuführen, was in ihm vorgegangen war. Auch wenn er es hasste Ava damit zu verletzen. "Ich hab vielleicht- ein oder zwei Mal dabei an Lahja gedacht, ja." Sogar ihm selber schmerzte es in der Brust, als er den Blick in ihr Gesicht hob. "Ich kann das nicht mehr genau rekonstruieren, Ava, ich weiß nicht mehr, was mir wann durch den Kopf gegangen ist, aber- ja. Ja, wahrscheinlich habe ich auch beim Sex daran gedacht wie das mit ihr damals war." Zu dem Zeitpunkt hätte Zac nicht im Entferntesten geahnt, dass es noch schlimmer werden würde, aber all die Fragen, die danach Avas Lippen verließen, die führten ihm so deutlich vor Augen wie er über alles in seinem Leben - gnadenlos alles - die Kontrolle verloren hatte. Jede einzelne, unterschwellig auch mit einem Vorwurf belastete, Frage drückte ihm schwer auf die Schultern, auf den Kopf, und je öfter er verzweifelt feststellen musste, dass ihm keine beruhigende Antwort einfiel, desto schwieriger wurde diese Situation für ihn. Zac fühlte sich so in eine Ecke gedrängt, überfordert und machtlos, und weil er nichts mehr hasste, als das Gefühl der Ohnmacht, konnte man auch deutlich erkennen wie er seine Hände immer fester ineinander presste, wie er die Schultern höher zog und die Kieferknochen deutlich sichtbar an seinen Wangen heraus traten. "Ich weiß es nicht, Ava", kam gedämpft zwischen seinen Lippen hervor, nach einem Moment der Stille zwischen den beiden. "Ich weiß es nicht. Ich hab nicht auf alles eine Antwort. Ich wollte dich schützen, deshalb hab ich nicht mit dir darüber geredet. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich hatte Angst, dass es dir dadurch nur noch schlechter geht. Dass uns das kaputt macht. Ich dachte ich hätte alles unter Kontrolle, ich war gut im Training, ich hätte den Kampf- locker gewonnen. Ich hab ihn gewonnen. Die paar Verletzungen danach, die hätte ich dir anders erklärt. Ich hätte dir gesagt, dass ich überfallen worden wäre, keine Ahnung. Irgendetwas. Du hättest mich bemitleidet und dann- dann wäre alles wieder gut. Nur noch zwei Monate, dachte ich, und dann ist das alles sowieso vorbei. Dann geht es dir wieder besser, dann ist alles nicht mehr so eine ständige Belastung und dann können wir zurück in dieses Leben, das so perfekt für uns ist. Bevor das mit der Depression kam, hatte ich diese Probleme nicht. Ich war nicht wütend, ich war nicht angespannt und ich stand auch nicht unter Stress. Ich dachte- nach Scarletts Geburt wird das wieder so wie vorher und wir können das einfach hinter uns lassen." Ein Trugschluss, den Zac sich über Wochen hinweg selber eingeredet hatte, um nicht an der Realität zu verzweifeln, denn in Wirklichkeit würde es immer wieder Höhepunkte und Tiefpunkte in seinem Leben geben. Er würde immer wieder an die Grenzen seiner Belastbarkeit kommen und diese Aggressionen, die gingen zwangsläufig damit einher. Die würden nie ganz aus ihm verschwinden. Und es war verdammt nochmal an der Zeit, dass er sich das endlich eingestand, vor seiner Verlobten. "Ich weiß nicht, was passiert, wenn noch einmal eine schwierige Phase kommt. Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich dann mache. Ich weiß nicht wie ich das dir erklären soll, so dass du es verstehst, und ich weiß auch nicht wie ich Scarlett meine Verletzungen erklären soll, falls es wirklich nochmal dazu kommt, dass ich an einem Kampf teilnehme. Keine Ahnung. Ich- kann einfach nichts dagegen tun. Ich würde, wenn ich könnte, aber ich kann nicht. Es gibt nichts. Früher war ich- ich war unkontrolliert, ich hab jeden umgeschlagen, der mir quer kam, auch wenn der Typ drei Köpfe größer war, als ich, oder noch drei Freunde bei sich hatte. Die Aggressionen mussten einfach raus, egal wie. Mit der Zeit hab ich eine Möglichkeit gefunden das zu kontrollieren, ich trinke nicht, ich rauche nicht, ich nehme keine Drogen, ich ernähre mich gesund, ich mache Sport und meistens- meistens hab ich mich dadurch auch unter Kontrolle, aber wenn dann alles zu viel wird, wenn ich mir zu viele Sorgen mache oder wenn Dinge nicht so funktionieren wie ich sie beabsichtige, dann- dann kommt das alles wieder hoch. Das Kämpfen, das hilft mir dabei diese Wut auszuleben, bevor sie in mir explodiert. Und ja, Ava, ja, wenn ich nicht kämpfe, wenn ich kein anderes Ventil dafür finde, dann bin ich eine tickende Zeitbombe. Dann reicht irgendwann nur eine Kleinigkeit, eine kleine Auseinandersetzung, damit das Fass überläuft und ich die Beherrschung verliere. Und nein, ich kann nicht dafür garantieren, dass das niemals vor dir geschehen wird. Oder vor Scarlett. Nicht, wenn du mir nicht das lässt, was ich brauche, um damit fertig zu werden. Diese Kämpfe sind nicht ungefährlich, das stimmt, sie sind ein Risiko, aber diese Option - dass mir dabei etwas passiert - ist immer noch besser, als die andere Option - dass dir oder Scarlett dabei etwas passiert." Diese Erkenntnis, die war auch für Zac so hart, dass er seinen Oberkörper noch weiter nach vorne lehnte, so weit, dass er die Finger diesmal in seinem Nacken verschränken konnte und dabei angespannt, mit geschlossenen Augen, die Kiefer aufeinander presste. Er hatte sich das doch nicht ausgesucht, dieses Leben. Er hatte das doch nie gewollt. "Lahja wusste nicht, dass ich kämpfe. Sie war von Anfang an dagegen. Sie meinte ich kann das nicht tun, als Vater, und sie hat sich zwar auf das Training eingelassen, aber nur, um mich im Blick zu haben. Um verhindern zu können, dass das passiert. Ich hab mich angemeldet ohne ihr etwas davon zu sagen, aber sie hat es am Abend vor dem Kampf herausgefunden und ist dann anscheinend zu dir gekommen, damit du mich davon abhältst. Weil sie das nicht geschafft hätte." Damit konnte Ava zumindest diesen Abend rekonstruieren. Und obwohl Zac kaum glaubte, dass das jetzt noch einen Unterschied machen würde, schüttelte er langsam den Kopf und entschuldigte sich erneut bei seiner Verlobten. "Es tut mir Leid, es tut mir wirklich Leid, aber- Ava, ich bin immer noch ich. Es gibt das alles zwar in mir, ja, aber das, was du kennst, ist genauso echt. All die Nächte, die ich neben dir gelegen und dich getröstet habe. Wie oft ich dir gesagt hab, dass ich dich liebe und dass ich für dich da bin. Unsere Pläne für die Zukunft. Das war doch alles nicht gelogen. Du weißt, dass ich ein guter Vater bin und dass ich alles für Scarlett tun würde. Und du weißt auch, dass ich das auch für dich tun würde. Ich liebe dich. Bitte, lass uns- gemeinsam daran arbeiten. Einen Weg finden. Irgendetwas."
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
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