RE: JUGENDZENTRUM
Zac konnte im Nachhinein gar nicht mehr genau eingrenzen, wann ihm die Idee gekommen war sich einfach über Lahjas Kopf hinweg für einen Kampf anzumelden, heimlich und ohne auf die gemeinsame Abmachung Rücksicht zu nehmen, aber dass er jetzt hier stand, alleine in diesem Trainingsraum, und seine Faust immer wieder gegen den Boxsack schmetterte, das war keine überstürzte, spontane Handlung. Schon vor Wochen hatte sich dieser Plan in ihm festgesetzt, schon bevor er seine Ex-Freundin überhaupt wiedergesehen hatte, und wenn Zac sich einmal etwas vornahm, dann war es nicht sonderlich leicht ihn davon abzubringen. Und tatsächlich sein Versprechen einzuhalten? Sich gemeinsam mit Lahja für einen Kampf anzumelden? Das war keine Option, nicht einmal ansatzweise. Sie trainierte zwar genauso hart wie er, sie hielt sich an seinen Ernährungsplan, sie hatte durch ihren teilweise körperlich anstrengenden Job Muskeln aufgebaut und ihre Ausdauer gestärkt, sogar ihren Alkoholkonsum schränkte sie während der Vorbereitungszeit ein wenig ein, aber sie war noch nicht so weit. Sie war zu unkontrolliert, nicht umsichtig genug. Lahja stürzte sich immer mit dem Kopf nach vorne ins Chaos, diesen Charakterzug hatte sie bis heute nicht ablegen können und das würde ihr im Kampf zu einem gefährlichen Nachteil werden. Und ja, darüber hinaus hasste Zac auch jegliche Vorstellung, in der ein anderer Mann ihre Zerstörungswut und ihre Leidenschaft spüren durfte. Allein schon, dass sie jemand anderem so viel Aufmerksamkeit schenkte, zerrte an seinen Nerven, nicht unwesentlich deshalb, weil sie zu etwas geworden war, das er nicht haben konnte. Zac war nicht krankhaft eifersüchtig und er hatte während der gemeinsamen Beziehung auch nicht jeden Schritt von Lahja kontrolliert. Er vertraute seinen Partnerinnen, immer, er stellte keine Regeln auf und wurde nicht grundlos misstrauisch, aber genau darin lag das Problem: Lahja war nicht mehr seine Partnerin. Es gab nichts mehr, in das er vertrauen müsste. Keine Treueversprechen, die eingehalten werden sollten. Sie konnte tun, was sie wollte, mit wem sie es wollte, und dieses Wissen brachte Zac nicht selten an seine Grenzen. Jeder neue Bluterguss, jede Kratz- oder Beißspur an ihrem Körper wurde von ihm missgünstig betrachtet. Manchmal gab es Tage, vor allem dann, wenn es Ava nicht gut ging und wenn er körperlich, emotional wieder an seine Grenzen kam, in denen er sich so sehr nach Lahja und nach dem gemeinsamen Sex sehnte, dass ihn der Anblick ihrer Verletzungen nur noch wütender machte, aber eben diese Momente waren es auch, in denen er spürte mit diesem gemeinsamen Training das Richtige zu tun. Bis zur völligen Erschöpfung trieb er sich dann, bis sein Körper einfach keine Kraft mehr besaß, und dadurch, dass er Lahja bei sich hatte, gab es auch jemanden, auf den er seine Wut zentrieren konnte. Es half ihm, dass es ihm gelang sich in regelmäßigen Abständen so auszupowern und es gab sicher auch Tage, in denen er glaubte er bräuchte diesen Kampf doch nicht mehr, er würde diese Zeit auch überstehen ohne einen anderen Menschen zu verprügeln, aber letztendlich konnte ihm das kontrollierte Training niemals das geben, was er aus einem realen, echten Boxkampf zog. Die Polster, die Lahja dabei vor ihrem Körper hielt und gegen die er schlagen musste, waren nicht zu vergleichen mit der Haut eines anderen Menschen und darüber hinaus ging es auch niemals nur darum austeilen zu können. Die Verletzungen, der eigene Schmerz, das Blut und die Erschöpfung, das war für ihn genauso wichtig wie seine eigene Kraft und das Adrenalin, das er dabei produzierte. Er könnte noch so lange durch die Straßen der Stadt rennen, sich noch so oft bis zur völligen Aufgabe seines Körpers treiben und trotzdem würde er nicht das finden, was er gerade brauchte. Letztendlich entstand seine Entscheidung das alles hinter Lahjas Rücken durchzuziehen also aus einem ganz einfachen, egoistischen Gedanken heraus. Nicht, weil er sie hintergehen oder belügen wollte und auch nicht, weil er zu wenig Respekt vor ihr hatte, sondern mit ihr geschah das, was jetzt auch schon seit Wochen mit Ava passierte: Zac traf eine Entscheidung für sie beide, weil er glaubte, dass es für sie besser so war.
Auch seine Verlobte war seit Wochen noch immer im Ungewissen darüber, mit wem ihr Freund so viel Zeit außerhalb der Arbeit verbrachte. Er versuchte ihr gegenüber so ehrlich wie möglich zu sein, er sagte ihr noch einmal, dass er einfach unter Stress stand, und dass er in seinem Sport und in seinem Training eine Möglichkeit fand diesen loszuwerden. Jedes Mal, wenn er morgens länger joggte, als üblich, oder wenn er bis spät in die Nacht trainierte, dann war er ehrlich zu ihr. Dann sagte er ihr, dass es ihm an diesen Tagen schlechter ging und dass er deshalb länger brauchte, um den Stress abzubauen. Das Einzige, was er nur nicht zu ihr hindurch ließ, war, dass er diese Dinge nicht alleine tat, sondern mit Lahja. Mit seiner Ex-Freundin. Er verschwieg vor Ava welche Sehnsüchte da erneut in ihm geweckt wurden und obwohl er manchmal nicht anders konnte, als seine Verlobte lange zu betrachten und sich verzehrend daran zu erinnern wie die beiden im Badezimmer miteinander geschlafen hatten - einseitig, hart und kalt - blieb er seiner Entscheidung treu und initiierte das nie wieder. Schon dieses eine Mal hatte zu viel zwischen ihnen kaputt gemacht und keiner von ihnen konnte verhindern, dass es über ein paar Tage hinweg ihren Alltag beeinflusste. Wenn Zac seine Verlobte berührte, hatte er noch mehrmals das Gefühl gehabt, dass sie sich unter seinen Händen verspannte, und wenn er zufällig ins Badezimmer stolperte, während sie gerade darin war, drehte er sich oftmals wieder um, anstatt ihre Nähe zu suchen. Mit der Zeit hatte sich diese Anspannung wieder gelegt, sie gingen wieder normal miteinander um, aber diese Erfahrung lehrte ihn, dass er es nicht noch einmal so weit kommen lassen durfte. Er durfte diese Vertrautheit, diese Nähe und Zuneigung nicht aufs Spiel setzen.
Stattdessen gab es also diesen Kampf, auf den er sich vorbereitete. Bis ins kleinste Detail versuchte er alles durchzuplanen, hatte sich extra den Tag ausgesucht, an dem Ava und er normalerweise wöchentlich ihr Date miteinander verbrachten, weil das die Tage waren, an denen Lahja und er abends nicht trainierten. Die gemeinsamen Dates fielen mittlerweile oft spärlicher aus, als früher, manchmal verbrachten sie auch einfach nur gemeinsam einen Abend auf dem Sofa, wenn es Ava zu schlecht ging, aber sie räumten sich trotzdem jede Woche Zeit füreinander ein. Heute allerdings hatte Zac seiner Verlobten schon am frühen Abend geschrieben, dass es später werden würde und hatte dabei sogar detailliert gelogen, dass einer der Jungs, die er betreute, Probleme hatte, um die er sich kümmern musste. Was die Arbeit anging war Ava immer sehr nachsichtig mit Zac, das wusste er, insbesondere, wenn es um die verlorenen Jugendlichen ging, und das nutzte er heute zu seinen Gunsten. Später würde er sich dann nochmal melden, direkt nach dem Kampf würde er ihr schreiben, dass er sich jetzt auf den Heimweg machen würde, und dann - mit ein wenig Verzögerung - gezeichnet von Verletzungen dort auftauchen. Er würde sogar so weit gehen sein Portmonnaie und sein Handy wegzuwerfen, damit er es so darstellen konnte als wäre es ein Überfall gewesen, irgendwo auf einer einsamen Straße. Es war alles perfekt geplant, in seinem Kopf hatte er alles passend zurecht gelegt, er fühlte sich gut vorbereitet, gut trainiert, nichts konnte ihm mehr in die Quere kommen. Glaubte er zumindest. Bis Lahjas Stimme dann auf einmal ertönte.
Erschrocken zog sich sein ganzer Körper zusammen, als er sich in ihre Richtung drehte und schon an ihren wütenden, fassungslosen Augen erkannte, dass sie ihm zuvor gekommen war. Zugegeben, für Lahja hatte Zac keine glaubhafte Entschuldigung gefunden, die er ihr danach vortragen könnte. Wenn sie ihn so sah, malträtiert und von Verletzungen gezeichnet, wüsste sie sofort, was geschehen war, also hatte er seinen Frieden damit gefunden, dass sie sauer auf ihn werden und ihm Vorwürfe für sein hinterlistiges Verhalten machen würde, aber jetzt schon? Dass sie vor dem Kampf bereits herausfand, was er vorhatte, warum auch immer? Das passte nicht in seinen Plan, das zerrte an seiner Konzentration, an seiner Kontrolle. Er konnte sich jetzt nicht mit ihr auseinandersetzen und schon gar nicht damit, dass sie erneut sein Kind zur Sprache brachte und damit auch die Verantwortung, die er seiner Tochter gegenüber besaß. Mehrmals versuchte er einfach nur ihren Namen auszusprechen, sie zu ermahnen, er hob beschwichtigend seine Hände, bat um Verständnis, aber nichts. Nichts. Sie würde sich ihm tatsächlich in den Weg stellen, falls er jetzt gehen wollte, und als er ihr in die Augen sah, da glaubte er auch ohne Zweifel, dass sie jedes ihrer Worte ernst meinte. Wenn sie ihn nicht aufhalten konnte, dann würde sie Ava holen, um das zu tun. Das würde sie wirklich machen und weil Zac so deutlich spüren konnte wie in ihm die Wut darüber aufstieg, wie Angst in seine Knochen schlich, davor, dass ihm gerade verloren ging, was er so dringend benötigte, tat er in einer Kurzschlussreaktion etwas, das er noch bitter bereuen würde. Wohlwissend, dass Lahja sehr penetrant sein konnte, wenn es um ihre eigene Wut ging, drehte er ihr einfach den Rücken zu, strafte sie mit Desinteresse und lief wortlos in die Männer-Umkleidekabine, um genau das zu provozieren, was dann auch geschah. Sie wurde nur noch lauter, sie wurde noch vorwurfsvoller und weil sie es hasste, wenn man ihr dabei seine Aufmerksamkeit entzog, folgte sie ihm einfach in den kleinen Raum. Sie stellte sich dort mitten hinein, während Zac die Kleidung in seine Tasche warf, ungeduldig, und den perfekten Moment abwartete, um nach den Henkeln zu greifen, sich durch die Tür nach draußen zu schieben und sie direkt hinter sich zuzuziehen. Mit all seiner Kraft stemmte er sich dagegen, hörte schon Lahja auf der anderen Seite gegen das Holz poltern und an der Klinke ziehen, aber es gelang ihm den Schlüssel in das dafür vorgesehene Loch zu schieben und abzuschließen, bevor sie sich daraus befreien konnte. Es tat ihm Leid, dass er sie so hintergehen musste, das tat es wirklich, aber er stand so unter Strom, dass nicht ein Wort seine Lippen verließ. Er entschuldigte sich nicht bei ihr, er ging nicht auf ihre durch die Tür gedämpften wütenden Anschuldigungen ein, sondern drehte sich einfach um, verließ den Trainingsraum und schloss auch die nächste Tür hinter sich zu, bevor er sich auf den Weg zum Club begab.
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
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