RE: JUGENDZENTRUM
Dass sein Verhalten nicht richtig war und dass Zac einen Fehler beging, indem er Lahjas Rückkehr vor Ava verschwieg, das war ihm durchaus bewusst, aber trotzdem ließ er sich nicht von den schnippischen Worten seiner Ex-Freundin provozieren. Er hatte diese Entscheidung bei klarem Kopf getroffen, er wusste, weshalb er das tat und welche Unsicherheiten und zusätzlichen Belastungen er seiner Verlobten damit ersparte, deshalb gab es nichts, was er sich selber vorwerfen müsste und das spürte auch sie, als er auf ihre herausfordernde Frage mit keinem Wort reagierte, sondern nur schweigend mit ansah wie Lahja erneut die Boxhandschuhe hervor holte, um ihre schmalen, aber doch kraftvollen Hände dort hinein zu schieben. Die beiden waren schon immer gut darin gewesen Differenzen auf körperlichem Weg zu lösen und obwohl Zac ständig dafür plädiert hatte mehr miteinander zu sprechen, Konflikte verbal zu lösen, konnte er doch unheimlich gut nachvollziehen, was gerade in seiner Ex-Freundin vorging und griff deshalb auch bereitwillig nach den Schutzpolstern, die er vor sich hielt, um ihr damit eine breite Angriffsfläche zu geben: Sich selber. Und anscheinend erfüllte er damit auch genau den Zweck, den Lahja sich erhofft hatte. Mit jeder Frage wurden ihre Schläge härter, aber mit jedem harten Schlag fiel da auch immer mehr die Arroganz und Distanz aus ihrem Blick. Schleichend begann sie sich ihm zu öffnen, das spürte Zac ganz deutlich, und obwohl er anfangs nicht glaubte, dass er selber am heutigen Abend auch noch irgendwelche Emotionen verarbeiten müsste - ihm ging es schließlich gut, er war entspannt und kontrolliert - griff er dennoch nach den Handschuhen, als Lahja sie ihm anbot, und hielt ihr stattdessen die Polster entgegen. "Okay, der Reihe nach." Das war auf ihre Fragen bezogen und während er noch dabei war die Bänder an seinen Handgelenken fest zu zerren, hob er erneut kurz den Blick in ihre Augen. "Ich wünsche mir einen normalen Umgang mit dir, weil ich die Vorstellung schrecklich finde, dass wir in derselben Stadt sind, nur ein paar Blöcke voneinander entfernt, und nicht miteinander reden. Wir sind uns zu ähnlich, wir kennen uns zu gut und wir- haben zu viel zusammen erlebt, um so zu tun, als würden wir nicht existieren." Zac ballte seine Hände in den Handschuhen ein paar Mal zu Fäusten, um den richtigen Griff zu finden, ehe er Lahja dazu motivierte die Polster hoch zu halten, damit er den ersten harten, aber kontrollierten Schlag darauf abgeben konnte. "Du bist anders, als Ava. Ganz anders. Und du- provozierst etwas in mir, das mir gerade fehlt. Und das ist auch der Grund, warum ich mit ihr nicht darüber reden kann. Meiner Verlobten geht es gerade nicht gut, die Schwangerschaft ist belastender für sie, als wir erwartet haben und hat dazu geführt, dass sie- depressiv wurde." Diesmal war der Fausthieb deutlich stärker, den Lahja mit dem Polster abfedern musste. "Das ist nicht ungewöhnlich, es gibt viele Frauen, die während der Schwangerschaft durch eine depressive Phase gehen und in der Regel ist das auch vorbei, sobald das Kind geboren ist, aber- das holt viele Dinge von früher in mir hoch, mit denen ich eigentlich schon abgeschlossen hab. Es ist so als würde sich die Vergangenheit nochmal wiederholen und weil ich gerade wieder an einem Punkt bin, an dem ich mit meinen eigenen Emotionen, mit der Wut und der Überforderung nicht fertig werde, brauche ich ein Ventil dafür. Deshalb war ich letzte Woche so anfällig für dich, Lahja. Für dich und dein Chaos. Ich würde gerade so viel dafür geben das alles- noch einmal zu durchleben. Das zwischen uns. Aber das kann ich nicht, ich kann Ava nicht so verletzen und schon gar nicht- schon gar nicht unser Kind. Deshalb suche ich andere Wege das loszuwerden, ich gehe wieder härter trainieren, ich denke- darüber nach nochmal an einem Kampf teilzunehmen, aber auch das kann ich meiner Verlobten gerade nicht sagen. Weil ich Angst hab, dass sie zusammenbricht, wenn ich noch mehr Last auf ihren Schultern ablade." Noch immer wurden die Schläge von Zac stetig härter und kraftvoller. "Deshalb verschweige ich auch das hier. Sie würde nicht verstehen, weshalb ich das - dich - gerade brauche und ich glaube- ich glaube das würde nur noch mehr Ängste in ihr hervorholen. Das kann ich nicht verantworten. Und- ich merke doch wie ich bin, wenn du da bist. Scheiße, du weckst solche Sehnsüchte in mir, Lahja. Für mich war das nicht abgeschlossen zwischen uns. Es war auf Eis gelegt, wir haben es offiziell beendet, aber die Gefühle waren noch da. Die sind immer noch da. Wir haben gepasst, verdammt!" Zac wusste nicht, weshalb er in dem Moment so wütend wurde - vielleicht weil er sich jetzt gerade mehr denn je nach Lahja sehnte - aber auf einmal kam da wieder eine solche Anspannung in ihm hoch, dass er sich von seiner Ex-Freundin abwenden und stattdessen zwei Mal mit all seiner Kraft gegen den Boxsack schlagen müsste, weil er die junge Frau sonst vermutlich auf den Boden befördert hätte. Erst danach, als die Muskeln unter seiner Haut zuckten und er einen Moment lang mit schwer schlagendem Herzen und geschlossenen Augen innehielt, erlangte er auch langsam die Kontrolle über sich zurück. Und damit kehrte auch wieder ein wenig Ruhe in seinen Körper ein. "Weißt du, was ich letzte Woche gemacht hab? Nachdem wir uns gesehen haben? Ich bin nach Hause gekommen und ich hab- so mit Ava geschlafen wie wir miteinander geschlafen haben. Du und ich. Ich hab versucht das mit ihr zu tun, was ich mit dir tun konnte, weil das immer- so befreiend war. Das hat mir immer geholfen. Ihr nicht. Sie hat mir hinterher gesagt sie hätte es über sich ergehen lassen und dass sie das auch wieder tun würde, wenn es mir hilft, aber- sie hatte richtig Angst vor mir." Frustriert, verbissen trat Zac einen Schritt von dem Boxsack zurück und öffnete die Bänder der Handschuhe wieder, um sie sich angespannt von den Fingern zu ziehen. "Sie hat das nicht verstanden, sie konnte mir nicht einmal in die Augen sehen. Ich brauche einfach- ich brauche gerade jemanden, der das versteht. Ich brauche jemanden, der nachvollziehen kann, was in mir passiert. Ich weiß, dass du das kannst. Und ich weiß auch, dass es unfassbar egoistisch ist jetzt hier zu stehen und das alles auf dir abzuladen, aber- aber ich weiß gerade einfach nicht weiter. Ich weiß nicht, was ich machen soll." Mit einem leisen, dumpfen Geräusch ließ Zac die Handschuhe einfach auf den Boden fallen und zog seine verspannten Schultern hilfslos an. "Das überfordert mich alles. Manchmal kann ich mich selber nicht verstehen. Ich freue mich darauf Vater zu werden, natürlich. Ich liebe dieses Kind, unser Kind, jetzt schon. Aber manchmal- manchmal erwische ich mich selber dabei wie ich mir wünsche einfach die Zeit zurückdrehen zu können. Dorthin, wo alles noch einfacher war. Wenn ich könnte, dann- ich glaube dann würde ich noch warten. Ich glaube ich wäre vorsichtiger und ich würde versuchen zu verhindern, dass wir- so schnell Eltern werden. Das war nie geplant, wir haben das nicht gewollt, so früh. Wir waren verlobt, bevor wir davon wussten, und irgendwann- irgendwann wollten wir auch Kinder kriegen, das schon, aber- nicht so. Nicht so schnell. Vielleicht war das alles- vielleicht war das ein Fehler. Ich weiß nicht einmal mehr, was ich fühlen und was ich denken soll, weil alles- weil das alles einfach zu viel ist." Es war absurd, aber sich vor Lahja zu öffnen, die ihm so distanziert und kalt gegenüber trat, war einfacher, als dasselbe bei deiner Verlobten zu tun. Bei der Frau, mit der er eigentlich diese Probleme teilen sollte.
ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE
![[Bild: zac04.png]](https://i.postimg.cc/tgR61mn8/zac04.png)
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