RE: FAMILIE SMIRNOW
Selten hatte Bex so einen Einblick in die Gefühlswelt von jemandem bekommen, der solch eine Beziehungsform lebte. Noah schienen ihre Emotionen nicht so fremd wie sie angenommen hatte, Bex würde verliebt sein genauso beschreiben wie er – es gab da nur einen Unterschied und sie wusste selbst nicht, wie Elementar der einzuordnen war. Sie würde sich schlecht fühlen, zwei Menschen zu Lieben und sie mochte, was ihr vorgelebt wurde von ihren Eltern. Das man ewig zusammen war. Vielleicht weil ihre Eltern sich noch wirklich liebten, weil sie zusammen hielten und weil die Augen beider noch so glänzten, wenn sie sich abends begegneten. Sie wusste nicht, was das Erfolgsrezept ihrer Eltern war aber wenn sie sich doch daran hielt, was sie ihr sagten, dann würde sie eventuell auch das finden, was sie aneinander hatten. Noah würde noch einen Einblick am nächsten Morgen bekommen, wie liebevoll ihre Eltern miteinander umgingen und das ihr Vater seiner Frau auch jetzt noch einen Abschiedskuss gab, wenn er das Haus verließ. Nicht reißerisch aber auch nicht abwesend, er nahm sich die Zeit, sie an sich zu drücken und das, obwohl er den Jungen in seinem Haus hatte – bei seiner Tochter im Zimmer, den er nun heim fahren sollte und wo noch Ärger wartete, mit seiner Tochter. Jetzt war sie aber hier, lauschte Noah während ihr Kopf an seiner Schulter lehnge und jetzt fühlte sie sich komisch, denn alles, was er über das verliebt sein da sagte, das galt nun auch für sie? Fühlte er sich bei ihr so? Sie hatte zu viel Respekt vor der Frage und zu viel Angst vor der Antwort und musste das alles auch irgendwo in sich verarbeiten. „ Es klingt schön, wie du das beschreibst und jedes Theater oder Musical wäre für die Katz´, wenn verliebtsein nicht das logische Denken ausschalten würden.“ Sprach sie leise aus, um warmherzig den Blick zu heben. Es bedeutete für sie noch etwas anderes, sie musste nicht so hart mit sich ins Gericht gehen wegen Joker. Sie war verliebt gewesen und hatte manche Zeichen eventuell nicht wahr genommen. Nachdem Noah ihr das mit der Eifersucht sagte, lächelte sie – geschmeichelt und verlegen zugleich. „ Na, dann kann auch der Friedliebenste Mensch so etwas wie Eifersucht spüren. Das beruhigt mich. Danke Noah, für alles.“ Sie lehnte sich zu ihm damit sie ihn ganz behutsam und vorsichtig umarmen konnte, eher sie in ihr Bett – oder eher auf die Matratze kletterte. Er würde verstehen, egal ob es nun an falschen Prinzipien lag oder sie lieber neben ihm geschlafen hätte, in dem Haus ihrer Eltern ginge das nicht. Erst als sie sich in die Decke wickelte wurde deutlich wie schwer der Tag auf ihr Gemüt schlug, Bex schlief schnell ein aber wurde immer wieder wach.
Am nächsten Morgen gab es noch ein üppiges Frühstück, von dem Noah sogar etwas für die Hausbewohner mitnehmen konnte. Ihre Mutter war so liebevoll wie gestern und das obwohl diese Familie nicht viel besaß. Das jedoch war normal, man teilte alles. Dann fuhr ihr Vater Noah heim. Es war schon abzusehen, dass die Stimmung etwas angespannt war und Bex unheimlich still. Auch das gehörte dazu, so zeigte sie ihren Eltern, dass es ihr Leid tat, was sie getan hatte. Bex Vater bedankte sich beim aussteigen ebenso bei Noah, wie ihre Mutter am Abend zuvor. Ihr Vater war noch etwas strenger, er hatte eine kühlere Art aber man spürte schnell, nicht weil er ein boshafter Mensch war sondern er war eher besorgt um seine Familie und deswegen so angespannt.
Er war es auch, der mit Bex gemeinsam die Sachen bei Joker abholte und ihm mit der Polizei drohte, wenn er seiner Tochter erneut zu nahe kam. Sie selbst hatte keine Gelegenheit alleine mit ihm zu Sprechen aber das wollte sie auch gar nicht, sie musste nur sagen, dass sie nicht mehr wollte. Bex hatte es nicht übers Herz gebracht ihren Eltern von seinem Job etwas zu sagen aber der Rest reichte mehr als aus und war auch das wichtigste, oder?
Mit ein paar offenen Fragen blieb sie aber auch alleine, weil wie geahnt, bekam sie zwei Wochen Hausarrest. Das man sich das mit neunzehn gefallen ließ, das konnte man belächeln aber für sie war es okay. Ihre Eltern wollten viel eher auf sie aufpassen, hatten angst, dass Joker sie doch aufsuchen würde und wollten, dass sie Struktur in ihr Leben zurück brachte. In der Zeit hatte sie aber so auch den Kopf für sich. Sie arbeitete, sie bewarb sich, sie ging zum Sport aber am Abend, da schrieb sie immer wieder mit Noah. Angefangen, dass sie parallel den selben Film sahen, über die Arbeit und May kommunizierten. Bex erzählte wie sich das Verhältnis zu ihren Eltern langsam normalisierte und dann kamen sie auf das Schlupfloch, er konnte sie ja bei den Hundespaziergängen in ihrem Dienst begleiten – auch wenn die kürzer ausfielen und stressig waren und als Bex ihm berichtete, dass sie kein Weihnachten sondern Chanukka feierte, sprengte es den Textrahmen und sie telefonierten. In diesen zwei Wochen hörte sie nichts von Joker und Noah tauchte immer wieder mal in ihren Gedanken auf, sie freute sich aufs Handy zu schauen und eine Nachricht von ihm zu sehen aber noch immer war das Freundschaftlich. Bex musste man romantische Gefühle entlocken, indem man diese Momente schaffte, dass hatte sie Noah schon einmal gesagt aber als sie sich an diesem Abend zum ersten mal wieder trafen – ohne Hund und Hausarrest, fühlte sie sich ihm doch noch näher. Eben beim Friseur hatte sie ihre Dreads enthäkeln lassen, die langen Haare gefärbt, wie Frauen das eben so machten, nach einer schlimmen Phase. Irgendwo konnte man daran ganz gut sehen, sie begann abzuschließen. Nicht zuletzt war Noah dafür Verantwortlich, den sie feste in den Arm nahm. Übrig geblieben war ein mulmiges Gefühl allein durch die Straßen zu laufen oder sich im dunklen zu erschrecken. Joker, würde er das nun einfach akzeptieren? Oder musste sie etwas befürchten? Man sah es daran wie oft sie sich umsah, wie kleine Geräusche sie zum stehen bleiben zwangen. Auch über diese Angst hatte sie mit Noah schon gesprochen aber nehmen konnte ihr das zur Zeit niemand. Es brauchte zeit. Vielleicht auch deswegen die krasse Veränderung, Joker würde sie auf der Straße so schnell nicht erkennen.
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