RE: FAMILIE SMIRNOW
Aufmerksam hörte Bex Noah zu, nachdem sie – wenn auch noch sehr vorsichtig und umsichtig – den Platz neben ihm gesucht hatte. Sie hatte genickt, als er ihr das Versprechen gegeben hatte, auf sie zuzukommen, wenn es ihm zu viel wurde. Wenn er spürte, dass es zu sehr schmerzte, in ihrer Nähe zu sein aber für sie war das trotzdem verwirrend zu Wissen, welche Gefühle Noah für sie hatte. Sie hatte Respekt davor, sie wollte ihm nicht weh tun oder zur Last fallen aber sie mochte ihn doch selbst so gerne. Er sprach davon, es würde ihm mehr weh tun, wenn sie wieder auf Distanz ging und sie musste einfach darauf Vertrauen, dass er sein Wort hielt. Leichter wurde es nicht, als er auch noch begann zu Erklären, wie schwammig seine Grenzen noch waren. Wie er empfand, wenn er verliebt war und wie es sich zu Freundschaftlichen Gefühlen unterschied. Bex hatte sich das irgendwie anders Vorgestellt, vielleicht hatte sie es schlechter geredet als es war aber es formten sich auch so viele Fragen in ihrem Kopf. „ Also... also gibt es einen Unterschied zwischen Freunden nahe sein, Freunden sexuell nahe zu sein und verliebt sein? Kannst du es dir denn... kannst du dir Vorstellen auch mit zwei Frauen gleichzeitig zusammen zu sein? Bist du dann nicht eifersüchtig, wenn deine Freundin... auch mit jemand anderem so intime Dinge teilt? Wenn du dadurch eventuell einen wichtigen Moment in ihrem Leben verpassen würdest, wäre dir das egal – wenn sie an ihrem Geburtstag, an ihrem Schulabschluss mit jemand anderem zusammen wäre? Was... macht das Wort verliebt sein denn dann für dich so besonders und... wie würdest du es deiner Freundin anders zeigen, als Haily zum Beispiel. Was ist es dann für dich Wert, zu wollen, mit jemandem eine Beziehung einzugehen, wenn es doch keinen Unterschied mehr macht ob man ein Paar ist oder nicht? Ich... es tut mir Leid, wenn ich das auf eine schlechte Ebene gestellt habe aber manchmal kommen mir diese offenen Beziehungen vor, wie ein Freifahrtschein, sich nicht... jedem hin zu geben, aus welcher Situation heraus. Ein Partner sollte mich ergänzen und bereit sein, für mich Kompromisse einzugehen... irgendwo verliert das alles... darin das, was ich in einer Beziehung sehe. Du... du schienst so verletzt als ich dir das gesagt habe und das war auch nicht richtig, ich mag, dass du anders bist und ich finde, wenn für dich die Grenze anders bleibt als bei deinen Freunden ist es doch nur ehrlich. Es ist das, was du willst. Nur... nur denkst du, es passt zu dem, was ich mir wünschen würde?“ Bex wusste nicht mal, was sie damit bezwecken wollte. Wollte sie Noah zeigen, dass es mit den beiden schon alleine deswegen nie Funktionieren würde? Aber warum gab sie dem Wunsch nach, sich an seiner Schulter anzulehnen, nachdem sie ihn fragend angeschaut hatte und egal was er eben gesagt hatte, seine stille Zustimmung abwartete. „ Es... entschuldige wenn ich dich so löchere aber ich bin Neugierig.“ Und es lenkte sie hervorragend ab. Bex gelang es endlich, ihre Gedanken von dem Thema Joker zu befreien – zumindest bist sie auf die Hände der beiden sah. Schon richtete sie sich wieder etwas in dem Kissen auf und zog die Beine an, dass die ineinander gekreuzten Hände in ihren Schoß sanken. „ Nein -...“ sie dachte noch einmal nach. „...habe ich nicht. Familiär oder mit romantischen Gefühlen.“ Ein wenig verwirrt darüber, betrachtete sie nun, was zwischen den beiden passierte und bekam vor sich selbst etwas Angst, so sehr, dass sie ihre Finger von seinen löste und lieber seinen Handrücken streichelte. „ Das bin aber eher ich. Ich finde das Haus interessant und die Menschen aber ich... bin nicht so der Mensch, der jeden... gerne Berührt. Ob das mein Charakter oder meine Erziehung ist, kann ich dir nicht sagen aber es fühlt sich nicht immer richtig an. Gerne höre ich den Hausbewohnern zu, wenn sie darüber Reden und ich fordere mich auch gerne heraus aber schon fast eher um auch mal einen Schritt auf Menschen zuzugehen, die ich mag. Nicht auf jeden. Ich würde nicht jeden Umarmen, dem es schlecht geht... kennst du diese eigene Aura? Dieser Kreis um einen selber? Ab einem Gewissen Punkt möchte ich Fremden nicht Näher kommen. Diese Eindeutigen Gesten wie ein Kuss, sich an jemanden zu kuscheln... dafür brauche ich Vertrauen zu jemandem. Wenn mich jemand tröstet, lasse ich ihn in den Momenten an mich heran, wo man sehr sensibel und angreifbar ist und nicht jeder den ich kenne, weiß, was mich in dem Augenblick eventuell verletzen könnte. Diese Gesten gehören für mich aber auch zu einem Prozess... der erste Kuss zwischen zwei Menschen... dieses Hand halten entscheidet, für mich, wo man sich mit dem anderen eher sieht. In einer Beziehung oder Freundschaftlich. Joker... Joker hat wirklich sehr gekämpft, sich bemüht damals... aber auch hier bin ich ganz klassisch. Ich mag Dates, ich mag es, wenn jemand mich hier abholt und beide ganz aufgeregt sind, wenn man aus der Tür kommt und ich mag auch Blumen geschenkt bekommen, erst nach vielen Dates einander näher kommen, Überraschungen an einem doofen Tag wie Valentinstag... oder auch einem anderen, ganz kitschig aber irgendwo so viel... Wertschätzung zu erfahren. Heutzutage bedeutet es ja auch Mut, so zusammen zu kommen und nicht über Sozial Media mal eben ein Treffen auszuhandeln. Alles will Spontan sein. Ich mag das Theater und große Liebesgeschichten....“ Ihr war bei den Worten zum Lachen und Heulen zumute, weil es sie so an ihre gescheiterte Beziehung erinnerte. „...deswegen wird es immer Dinge geben, die ein Partner von mir bekommen kann aber nie ein Freund.“ Da war sie zumindest Sicher, bei dem letzten Satz. Erstaunlich, wie viel Noah und sie gesprochen hatten und wie wenig sie übereinander wussten, in dieser Hinsicht.
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