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FRIEDHOF
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Zac William Coles
THINKING STRAIGHT


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FRIEDHOF
Matt tat gut daran, dass er so schnell und so besonnen reagierte, denn diese Wut hüllte meinen Körper, aber vor allem auch meinen Kopf, in einen unzurechnungsfähigen Nebel. In seinem Blick spiegelten sich keine Vorwürfe, die mich nur noch mehr gereizt hätten, als er mich von seinem besten Freund zurück zog, und als er neben Kilian in die Hocke ging, da wirkte er auch nicht als wäre er darauf aus den Konflikt für ihn fortzuführen, im Gegenteil. Er legte bloß seine Hand auf die Schulter seines Freundes, half ihm dabei sich wieder ein wenig zu fangen, warf dann einen besorgten Blick zu Lahja und blieb zuletzt noch einmal an meinem Gesicht hängen, nickend, so als könnte er verstehen, warum ich das getan hatte. "Ich glaube es ist besser, wenn du gehst", sprach er mich dennoch an, als meine Ex-Freundin gerade in ihrem Zimmer verschwunden war, und obwohl ich noch einen Blick auf die Tür warf und mein langsam wiederkehrender Verstand sich fragte, ob ich bei ihr um Verzeihung bitten musste - dafür, was ich gerade getan hatte - gab ich dann doch resignierend auf, sah noch einmal kurz zu Kilian hinab, der sich stöhnend ein wenig aufrichtete, und ging dann wortlos aus der Tür wieder hinaus. Meine Muskeln waren noch immer gespannt, meine Hände zu Fäusten geballt und auch meine Gesichtszüge wirkten viel härter und viel undurchdringlicher als üblich, aber ich beschäftigte mich nicht umsonst schon seit Jahren mit Gewaltprävention. Ich wusste, was ich tun musste, und die effektivste Methode war für mich noch immer völlige Erschöpfung. Ausräuchern der Aggressionen sozusagen. Erst indem ich - anstatt weiter zu joggen - regelrecht durch die Stadt rannte, und dann indem ich früh morgens schon in dem düsteren Keller-Trainingsraum aufschlug und so lange gegen die dortigen Säcke boxte, bis mein Körper schweißüberlaufen war und meine Muskeln vor Überanstrengung immer wieder zuckten. Kilian hatte es verdient zurechtgewiesen zu werden, er hätte seine Tochter nicht so verletzen dürfen und ich bereute auch nicht, dass ich mich zwischen die beiden gestellt hatte, aber Gewalt war nie eine Lösung. Zumindest nicht, wenn sich nicht beide Parteien im Vorfeld darüber einig waren. Gewalt löste keine Konflikte. Jahrelang hatte ich gegen diese Zerstörungswut in mir angekämpft und umso mehr nahm es mich mit, dass ich mich nicht hatte beherrschen können.
Deshalb brauchte es aber auch ein paar Tage, bis ich den Mut fassen konnte mich Lahja zu stellen. Ein paar Tage, in denen ich mich durchgehend mit kräftezehrendem Sport und sogar mit einem erneuten illegalen Kampf selber dafür bestrafte, dass ich die Kontrolle verloren hatte. Unter anderen Umständen hätte ich das Wiedersehen mit ihr vielleicht noch länger hinaus gezögert, denn obwohl es wohl niemanden gab, der diese Wut so nachvollziehen konnte wie sie, schämte ich mich dafür versagt zu haben. Und das auch noch gegenüber ihrem Vater. Ich hatte allerdings ein äußerst gutes Daten- und Zahlengedächtnis und als ich auf dem Kalender das heutige Datum sah und mich daran erinnerte, dass derselbe Tag auf dem Grabstein von Lahjas Mutter gestanden hatte, gab ich resignierend nach. Selbst wenn sie ihre Differenzen mit Kilian bereits geklärt hatte - wovon ich nicht ausging - wäre er trotzdem an diesem Tag nicht für sie da. Und so wie ich Lahja kannte, würde sie sich bewusst von all ihren Freunden und von ihrer Familie abkapseln, sich lieber in sich selber zurückziehen und alleine um ihre Mutter trauern, aber das wollte ich nicht zulassen. Das war nicht gut. Deshalb zog ich mir am frühen Abend ein großes Sweatshirt über und machte mich auf den Weg zu dem Friedhof, den Lahja schon einmal mit mir besucht hatte, nahm aber noch zwei kleine Umwege. Einmal, um eine Blume zu besorgen, eine einzelne weiße Gerbera, und ein weiteres Mal, um im Kiosk eine kleine Flasche Kräuterschnaps zu kaufen. Ich wusste, dass es ebenso gut sein könnte, dass Lahja schon längst nicht mehr hier wäre oder dass sie gar nicht erst kommen würde, vielleicht war sie sogar bei Noah in San Francisco, aber als ich auf dem Friedhof auf den richtigen Weg abbog und schon von weitem den Grabstein erkennen konnte, sah ich auch, dass sich meine Vermutungen bestätigt hatten. Sie saß tatsächlich dort und je näher ich ihr kam, desto besser konnte ich verstehen wie sie sich verweint bei ihrer Mutter entschuldigte und mit ihrem Grabstein sprach. Ich gab mich jedoch erst zu erkennen, als ich direkt neben ihr stehen blieb und vorsichtig die Blume vor dem Grabstein ablegte. "Wenn du möchtest, dass ich wieder gehe, dann tu ich das", sagte ich leise, weil ich Lahja mit meiner Anwesenheit nicht noch mehr belasten wollte, vor allem nicht heute, aber hielt ihr trotzdem bereits den Schnaps entgegen, als ich in ihre Augen hinab sah.


ZACHARY WILLIAM COLES # 28 YEARS OLD # STRAIGHT EDGE

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20.08.2016 12:03
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