RE: CATHOUSE STRIPCLUB
Ich hatte schon mit vielen Männern geschlafen, ich war nicht prüde und ich konnte auch sehr gut kommunizieren, was ich wollte und was mir gefiel, aber schon lange hatte niemand meine Ansprüche mehr so perfekt befriedigen können wie Lenn es in dieser Nacht tat. Es war als wüsste er genau, was mich erregte und wie er mich berühren musste, um mich bis an meine Grenzen und darüber hinaus zu bringen. Und das, obwohl wir einander doch kaum kannten. Obwohl wir gar nicht die Vertrautheit zueinander hatten, die es eigentlich brauchte, um so hemmungs- und tabulos miteinander umzugehen. Irgendetwas war da zwischen uns, das einfach passte, und das gemeinsam mit meiner Lust, meiner Erregung und meinem Alkoholkonsum eine Verbindung erzeugte, die ich bei jeder Berührung spürte. Schon als er sich zum ersten Mal in mich schob, stieß ich ein solch überfordertes, helles Stöhnen aus, dass wir wohl beide eine stille Danksagung an die laute, ohrenbetäubende Musik hinter der Tür in den Himmel schickten, und auch meine Fingernägel krallte ich so hart in die Haut auf seinen Schultern, in seinem Nacken, dass Lenn am morgigen Tag zweifellos rötliche Striemen auf seinem Körper finden würde. Zeichnungen, die ihn an mich und an diese Nacht erinnerten. Zu mehr war ich aber kaum fähig, denn immer gerade in dem Moment, in dem ich das Gefühl hatte wieder atmen zu können, wieder denken zu können und mich wieder bewegen zu können, reizte er meine Lust noch einmal auf eine ganz neue Ebene aus. Immer wieder keuchte oder stöhnte ich überreizt, krallte mich in seinem Körper fest, in seinen starken Armen, oder ließ ihn verbal eindeutig wissen, was ich von ihm wollte. Tiefer. Schneller. Härter. Fass mich an. Und als er dann auch noch meinen geschwächten, zitternden, wehrlosen Körper vor sich platzierte, als er sich über mir aufrichtete, mich schamlos ansah und mir darüber hinaus auch noch die Luft abschnürte, da erregte mich das so sehr, dass er erneut einen solch erfüllenden Orgasmus in mir provozierte, der mir jegliche übrige Kräfte nahm. Ich konnte nichts anderes tun, als mir selber verzweifelt in die Haare zu greifen und hörbar laut zu atmen, selbst dann noch, als er sich schon längst aus mir zurückgezogen hatte. Ich war zu nichts anderem fähig, als mich auf dem Fass zur Seite zu winden, keuchend nach Luft zu schnappen und die letzte, übrige Lust so lange auszureizen wie möglich, indem ich meine eigenen Hände erneut über meine erogenen Zonen bewegte. Fuck. Wie sollte ich es nach dieser Nacht denn jetzt noch schaffen auf meine Vernunft zu hören? Wie sollte ich von nun an Lenn meiden, um April nicht zu verletzen? Wie sollte ich seinem Job, der anscheinend auf der Kippe stand, wenn Chas herausbekam, was zwischen uns vor sich ging, mehr Bedeutung beimessen, als meinen eigenen Sehnsüchten? Dazu war ich zu egoistisch, das würde ich nicht schaffen, und als Lenn bereits in hörbare Flüche verfiel, in denen er sich selber für diese Schwäche maßregelte, stieg ich dort ganz bewusst nicht mit ein. Ich bereute es nicht mit ihm geschlafen zu haben, im Gegenteil, und als ich mich endlich zitternd aufrichten konnte, mich auf meine wackligen Beine stellte und meinen schlaffen, erregten Körper wieder ankleidete, da zeigte sich deshalb auch ein schwaches Lächeln auf meinen Lippen. Ohne Reue im Blick und ohne dieselbe Wut, die Lenn anscheinend gerade spürte, ging ich langsam auf ihn zu, legte meine Hand in seinen Nacken und streckte mich so weit nach oben, dass ich ihn noch einmal küssen konnte, mit einem so tiefen Atemzug, dass ich diesen Geruch von Sex, der in der Luft lag, nicht so schnell vergaß. "Keine Sorge. Das bleibt unter uns", versprach ich ihm, mit weiblicher, weicher Stimme, und bevor ich mich von ihm zurück zog, schenkte ich ihm auch noch einen vielsagenden, begehrenden Blick. "Du weißt, wo du mich findest, wenn du das wiederholen willst." Danach ließ ich ihn hier alleine. Ich drehte mich nicht noch einmal zu ihm um und auch, als ich die Kneipe betrat, redete ich mit niemandem mehr, sondern ging auf direktem Weg nach draußen, setzte mich in ein Taxi und ließ mich nach Hause bringen. Ob April noch da war wusste ich nicht, ich hatte sie zumindest nicht gesehen, aber auch in unserer Wohnung war sie nicht aufzufinden. Vielleicht schlug sie sich noch immer mit Kilian herum, vielleicht hatte er sie auch erneut mit geheuchelten Versprechen einlullen können, keine Ahnung, aber auch am nächsten Morgen war sie noch nicht wieder da, zum Glück, denn so musste ich auch nicht nochmal mit ihr sprechen und ihr Halbwahrheiten über meinen Abend in dem Club auftischen, bevor ich mich auf den Weg nach Las Vegas begab. Sie wusste bereits von meinem Urlaub, aber trotzdem ließ ich einen Zettel für sie in der Küche liegen, wünschte ihr ein paar schöne, entspannte Tage - ohne mich - und versprach ihr, dass ich mich zwischendurch melden würde. Dazu kam es aber nie.
Schon am ersten Abend, als ich gerade mit ein paar meiner Mädchen durch die Clubs zog, erreichte mich eine Nachricht von meinem Ex-Mann. Er habe gehört ich sei in der Stadt, er wolle mich sehen, mit mir reden, doch ich verdreht nur die Augen und reagierte überhaupt nicht darauf. Ich hatte damit gerechnet, dass solche Neuigkeiten sich schnell herum sprachen, wir hatten damals schließlich auch gemeinsame Freundschaften gepflegt, und ebenso hatte ich damit gerechnet, dass er mich kontaktieren würde, aber das, was danach folgte, das überstieg jegliche Vorstellungskraft meinerseits, denn als mein Telefon eine halbe Stunde später erneut eine Nachricht ankündigte, war darin nur ein Datum zu lesen, das mich gänzlich außer Gefecht setzte. Der 23. November 2007 war ein Tag, den ich nie vergessen würde. Eine Erinnerung, die ich fest in meinen Kopf gebrannt hatte, aber gleichzeitig auch etwas, von dem niemand wusste. Damals war ich gerade achtzehn Jahre alt gewesen, hatte im Sommer zuvor die High School abgeschlossen und direkt danach mit meinem damaligen, älteren Freund unseren Heimatort verlassen, um durch das Land zu reisen. Ohne Perspektive, ohne Anhaltspunkt, aber auch ohne Geld. Wir träumten von einem selbstbestimmten Leben in Freiheit und von halsbrecherischen Abenteuern. Wir waren jung und dumm und obwohl wir anfangs versucht hatten auf legale Art und Weise unseren Lebensunterhalt zu verdienen - mit schlecht bezahlten Farm- oder ähnlichen Tagesjobs - mussten wir irgendwann der Realität ins Auge sehen. Das war nicht der Traum, den wir uns ausgemalt hatten. Wir wollten reisen, verrückt sein, Spaß haben. Stattdessen standen wir oft stundenlang auf einem Feld, um dort zu arbeiten, und waren am Abend so müde, dass wir sofort in unsere Betten fielen und einschliefen. Kurzerhand wurden unsere Pläne also geändert und die gute Erziehung in den Sand gesetzt, denn anstatt legal zu arbeiten wie jeder andere normale Mensch auch, versuchten wir es anders. Erst mit unmoralischen Drogengeschäften, indem wir Kokain kauften und es mit Backpulver streckten, um es danach in Clubs viel zu überteuert weiterzuverkaufen, aber irgendwann gingen wir auch dahin über in fremder Leute Häuser einzusteigen und uns dort einfach zu nehmen, was wir brauchten, um gut leben zu können. Bevorzugt Bargeld, aber auch Schmuck oder teures Porzellan ließen wir mitgehen, bis zu besagtem Datum. Bis wir uns in ebendieser Nacht unerlaubt Zutritt in ein fremdes Haus verschafft hatten und mir dort ein folgenschwerer Fehler passierte. Während wir noch dabei waren so leise wie möglich den Schmuck in unsere Taschen zu schieben, hörten wir auf einmal ein Geräusch im oberen Stockwerk und in meiner Eile aus dem Haus zu fliehen stieß ich eine große Stehlampe um, deren Schirm in der Glut des offenen Kaminfeuers landete. Der Stoff fing Feuer, ich registrierte das auch, aber war viel zu sehr darauf fixiert mich selber zu retten, dass ich den Ort mit meinem Freund einfach verließ. Ohne jemanden zu warnen. Ohne die Polizei oder die Feuerwehr zu verständigen. Stattdessen rannten wir so schnell wie möglich durch die Nacht, bis zu unserem Auto, und freuten uns dort über die schwere Beute, die uns trotzdem gelungen war. Bis wir am nächsten Morgen in einem kleinen Diner am Highway frühstückten und mir dabei auf einem kleinen Röhrenfernseher die Nachrichten ins Auge stachen. Da war das Haus zu sehen, in dem wir gestern noch gewesen waren, nur dass es lichterloh in Flammen stand, und auf einer kleinen Banderole unten auf dem Bildschirm wiederholte sich in einer Endlosschleife die Nachricht, dass ein 5-jähriger Junge bei dem Feuer ums Leben gekommen sei. Die Eltern wurden eingeblendet, wie sie bitterlich weinten und von Angehörigen getröstet wurden, und hinter mir am Tisch regte sich jemand über die Schaulustigkeit dieses Landes auf, aber das bekam ich schon gar nicht mehr mit. Ich war so in Schock, so in Trance, dass alles um mich herum auf einmal verschwamm, so lange, bis die Übelkeit meinen Körper einnahm, bis ich im Badezimmer verschwand und mich dort übergeben musste. Auch jetzt noch trug ich diese Schuld mit mir herum, aber mein Freund und ich hatten damals beschlossen den feigen Weg zu gehen. Wir würden nie wieder ein Wort darüber verlieren, wir würden niemandem davon erzählen, wir würden so tun als wäre das nie passieren. Als wären wir nicht Schuld an dem Tod eines unschuldigen Kindes. Und daran hatten wir uns beide gehalten, bis jetzt. Bis auf einmal besagtes Datum auf dem Display meines Handys erschien und mir mit einem Schlag klar wurde, dass noch jemand wusste, was mir geschehen war. Jack wusste es auch. Und er hatte mich damit in der Hand.
Meine Freundinnen sahen mich argwöhnisch an, als ich auf einmal erschrocken den Kopf schüttelte und dann übereilt aus dem Club verschwinden wollte, aber die Blässe, die mit diesem Schock auch in mein Gesicht getreten war, ließ mich so wirken, als ginge es mir körperlich einfach nicht gut. Als würde sich eine Krankheit anbahnen, die mich gerade außer Gefecht setzte. Resignierend ließen sie mich deshalb ziehen, sagten mir ich solle mich schnell auskurieren, damit wir morgen direkt weiter feiern konnten, aber auch dazu kam es nicht, denn mein Ex-Mann hatte andere Pläne für meinen zukünftigen Werdegang. Nach dieser Nachricht von ihm war mir keine andere Wahl geblieben, als doch zu ihm zu fahren und ihn zur Rede zu stellen, aber schon als ich in seinem Appartement ankam und als er mir so erhaben in die Augen sah, war mir bewusst, dass dies hier nicht gut für mich enden würde. Mord verjährte nicht, das wusste er leider auch. Und Jack hatte nicht nur diese Information ausfindig gemacht, mit der er mich erpressen wollte, sondern auch meinen damaligen Ex-Freund, der bereit war vor der Polizei gegen mich auszusagen, wenn er im Gegenzug angemessen dafür bezahlt wurde. Das bedeutete, dass es sogar einen Zeugen gab und dass ich ohne Zweifel hinter Gittern landen würde, wenn ich nicht tat, was man von mir verlangte. Natürlich rebellierte ich im ersten Moment, ich hatte mir vorgenommen mich nicht mehr von jemand anderem degradieren zu lassen und ich war zu stark und zu selbstbewusst, als dass ich all meine Vorsätze so schnell fallen lassen würde, aber mit meinen wütenden Schreien und meinen hilflosen Schlägen, die Jack über sich ergehen lassen musste, stieß ich trotzdem nur auf Granit. Er ließ nicht locker. Er wollte mich, er wollte unsere Ehe. Er wollte, dass ich wieder bei ihm wohnte und dass ich ihm gehorchte. Dass ich ihm eine hörige, gute Frau war, die sich ihm nicht widersetzte, und darüber hinaus wollte er auch noch, dass ich von jetzt an für ihn arbeitete. In seinem Nachtclub. Während unserer Ehe hatte ich mich immer dagegen gewehrt, ich hatte darauf bestanden, dass wir beruflich Abstand voneinander hielten, weil ich nicht mit meinem Chef verheiratet sein wollte, aber auch diese Wünsche konnte er jetzt nicht mehr respektieren. Und ich? Ich hatte keine andere Wahl, als all diesen Bedingungen nachzugeben, zumindest so lange, bis mir etwas anderes einfiel. Ich wollte nicht ins Gefängnis, meine Freiheit war mir wichtiger als alles andere, und vor allem wollte ich auch nicht, dass jeder in meinem Umfeld erfuhr, was ich getan hatte. Wahrscheinlich würde ich dadurch meine gesamten sozialen Kontakte verlieren, wer wollte denn schon mit einer feigen Lügnerin und Mörderin befreundet sein? Ich hatte eine unfassbare Angst davor, dass sich danach all meine Freunde so von mir abwenden würden wie es auch schon meine Familie getan hatte, und deshalb blieb mir keine andere Wahl, als am frühen Morgen weinend zusammen zu brechen und Jack zuzusagen, dass ich alles tun würde, was er von mir verlangte. Wenn er dafür im Gegenzug für sich behielt, was er über mich wusste.
Und genau so geschah es dann auch. Seit mittlerweile schon zehn Tagen lebte ich wieder bei Jack, ich tat, was er von mir verlangte, und strippte sogar in seinem Nachtclub. Dort, wo er ein Auge auf mich haben konnte. Mein Handy hatte er mir schon am ersten Tag abgenommen, weil er der Meinung war ich müsste mich eine Zeit lang nur auf ihn konzentrieren und wahrscheinlich auch, weil er Angst hatte, dass ich doch jemanden in diese Geschichte einweihte. Jemanden, der mir sehr nah stand und der mir wohlmöglich helfen würde. Der Kontakt zu all meinen Freunden in Los Angeles war dadurch auch völlig abgebrochen, aber, ganz ehrlich, ich hatte momentan auch andere Sorgen. Was sollte ich April oder den anderen Mädchen denn erzählen? Dass ich wieder zu meinem misshandelnden Ex-Mann zurückgekehrt war? Diese Blöße und diese Schwäche wollte ich mir nicht geben. Nicht, solange ich selber noch völlig neben mir stand und gar nicht recht wusste wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Im Moment fühlte sich das alles noch so an wie in einem schlechten Film oder in einem noch schlimmeren Traum, so als würde ich jedem Moment aufwachen und alles wäre wieder so wie vorher. So als könnte ich meine Selbstbestimmung so schnell zurück erlangen wie Jack sie mir genommen hatte, aber mit jedem weiteren Tag, der verging, wurde es auch umso deutlicher, dass ich der Wahrheit ins Auge sehen musste. Das hier war ernst. Mein Ex-Mann war tatsächlich so verrückt, dass er mich erpresste bei ihm zu bleiben und von mir erwartete, dass ich ihm Liebe und Zuneigung vorheuchelte. Und ich, ich konnte nichts anderes tun, als ihm zu gehorchen und mein Leben nach seinen Wünschen zu gestalten, mit der ständigen Angst im Nacken, dass er bei dem kleinsten Fehler meine ganz Existenz zerstören würde.
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