RE: STRAßENSTRICH
Sie machte das nun schon seid viel zu langer Zeit, sich für Geld zu verkaufen und deswegen verstand sie auch Noah´s Sorge. Deswegen sah sie doch auch so beschämt von ihm weg aber was hatte sie denn tun sollen? Seid dem Tod ihres Vaters fühlte sie sich so zerbrochen und eigentlich... eigentlich auch Perspektivlos. „ Ich... ich weiß, dass ist nicht gut und man kommt da so schnell nicht wieder raus aber... ich wollte nur warten, bis ich was gespart habe um dann... irgendwohin zu gehen. Weg von hier und weit genug, dass mich der Zuhälter auch nicht findet. Ich hasse es... etwas von dem Geld abzugeben aber ich hasse es auch, mich von den Schweinen über´s Ohr hauen zu lassen.“ Diese vagen Pläne ließen nur auf ein Mädchen schließen, was nicht wusste, wohin es sollte und dem auch einfach die Mittel fehlten. Das Joker diese Raube selbst Inszeniert hatte, um Apple an sich zu binden, dass konnte hier auch noch wirklich keiner der beiden Ahnen. Als sie sich aufgerichtet hatte, als er sie fragte, ob sie genug Geld hatte, nickte sie zaghaft. „ Ja – deswegen... deswegen habe ich dein Geld angenommen. Sonst hätte ich...“ Sie brach ab, weil das einfach nicht hier her gehörte, so Detailliert mit ihm über ihren Umsatz zu sprechen. Das war schon alles schwer genug, besonders seid dem sie gehört hatte, was sich Noah für Gedanken gemacht hatte – es verunsicherte sie. Hätte sie das Spiel nicht noch etwas weiter spielen können? Dann müsste sie sich nun niemandem erklären aber auf der anderen Seite war da auch der Blick in seine Augen, der Dank beinhaltete, den sie sich nur nicht eingestehen konnte. Deshalb überspielte sie das mit einem Lächeln, einem Schulterzucken. „ Du bist... ganz schön Hartnäckig – ich komme lieber wieder.“ Das er ihr nicht egal war, hatte sie schon damit bewiesen, dass sie sich erklärt hatte, warum sie Überhaupt sein Geld genommen hatte. Sie hätte das auch einfach stillschweigend unter den Tisch fallen lassen können. Verdammt. Mit diesen Gedanken im Kopf, die sich immer wieder in verschiedene Richtungen entwickelten, drehte sie sich herum und verließ das Café.
Es dauerte etwa fünfzehn Minuten, die Noah auf sie warten musste. Derweil hatte er eine Nachricht von Lahja bekommen, mit dem Inhalt, er sollte sich Zeit lassen und das er sich melden sollte, wenn er Hilfe oder einfach nur sie brauchte. Das war gar nicht so einfach weg zu stecken, dass konnte er sich denken aber Lahja schrieb auch, dass sie sich freute, dass er nun die Chance hatte, seine offenen Fragen zu stellen und das er daran auch festhalten sollte. Je nachdem, wie man das Interpretierte, könnte man etwas Wut auf das Mädchen – Apple - herauslesen, was Noah so hintergangen hatte aber so wie Lahja sich entwickelte, könnte man auch nur meinen, sie hatte Sorge um ihn. So war das mit den Textnachrichten, es blieb immer ein wenig Spielraum – Worte ohne Betonung, Mimik und Gestik zu lesen.
Als sie wiederkehrte, setzte sie sich nicht erneut zu ihm sondern wollte lieber die Distanz zu diesem Ort schaffen. Sie musste ihn auch darum nicht besonders bitten, als die beiden dann ihr Nachtlager als Ziel anstrebten. Auf dem Weg kam Apple kaum etwas über die Lippen. Lediglich an einem Fitness-Studio, wo sie duschen wollte, was auch nicht schwer für Noah nachzuvollziehen war und an einem Supermarkt, machten sie einen Zwischenhalt. Das Geld, was sie hatte, investierte sie in ein paar Lebensmittel, die nicht schnell schlecht wurden und sie bat ihn, eine Flasche Schnaps zu besorgen. Apple bekam die meist nicht verkauft. Das half um einiges mehr und hielt sich besser, als Bier. Warum? Das würde sie ihm hoffentlich nicht Erklären müssen, auch sie wühlte der Besuch von ihm auf. Als sie unter der Brücke angekommen waren, zog sie den Schlafsack aus den Streben, zwischen den sie ihn geklemmt hatte und dahinter waren ein paar Klamotten. Sie legte sich einen Zipper um die Schultern, rollte den Schlafsack vor der kleinen Feuerstelle aus und bot Noah den Platz an. Man konnte hier deutlich sehen, wie minimalistisch sie lebte aber auch wie alleine. Außer das gelegentliche ruckeln eines Autos, war hier nichts und bis zum Fluss war nur ein wenig Sand und Steingemisch. Apple hatte ewig einfach nur auf das fließende Wasser gestarrt. „ Da... sind wir.“ Unnötig sprach sie damit aus, das Ziel erreicht zu haben aber eventuell auch nur, um das trockene Brot, von dem sie den letzten Bissen genommen hatte, mit dem Schnaps herunter zu spülen – und das trinken damit zu eröffnen. Apple war jedoch auch noch sie, wie hatte sie davon gesprochen, wie sie Menschen fand, die sich nur mit Substanzen betäubten? Deshalb zierte sie sich noch etwas, schob unnötig hier und da etwas ihrer wenigen Habseligkeiten hin und her, bis sie dann doch neben Noah ihren Platz fand. Er konnte noch immer an ihrem Gesicht sehen, wie verspannt sie war, wie viel Sorge, Trauer, Wut und Angst da in dem Gesicht einer siebzehnjährigen sein konnte. Wie die mit der Beherrschung einen Krieg führte, nicht wieder weinen zu müssen. Das beste war es, nun eben nicht über Chris zu sprechen – also holte sie Luft, als sie ihre Arme um die angewinkelten Knie geschlossen hatte. „ Ich... habe damals die Anzeige gegen meinen Dad gefunden. Ich hatte Angst, dass er... er ins Gefängnis muss. Also habe ich... Lahja gesucht und gefunden. Dich habe ich... dann auch gefunden und... als... das Treffen, das war kein Zufall. Ich wollte, dass wir uns über den Weg laufen und deshalb habe ich wegen dem Namen gelogen und dem Alter. Mein... mein Leben... das habe ich dir verschwiegen, weil ich darüber nicht sprechen wollte, dass ist wahr aber meine Daten... das war... damit du nicht raus bekommst, wer ich bin und... und wer mein Vater war. Ich habe nicht... nicht verstanden, wie du... ihr Glauben kannst und... ob sie dich auch manipuliert. Da waren so viele Fragen – weil... weil du bist so gut... anders, als jeder Mensch, den ich kennen gelernt habe...“ Apple strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. „...als du mich mit genommen hast, nach San Francisco und... auf dem Konzert auf dem Dach... das alles... das war nicht... nicht gelogen. Von meiner Seite nicht gelogen.“ Der Schmerz über die Ablehnung saß noch immer tief und Chris hatte ihre Abneigung gegen ihn nun einmal geschürt. „ Trotzdem war das falsch. Das... war von Anfang an einfach ein... eine... dumme Idee.“ Mit beiden Fingern fuhr sie sich durch die Haare und legte das Kinn auf ihren Knien ab. „ Das... das wolltest du doch... doch Wissen, oder?“ Hier sah sie auch so viel natürlicher, ehrlicher und jünger aus, als eben noch auf der Straße.
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