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CHAS' SUITE AT THE ROOSEVELT HOTEL
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Charles Thompson
REFUSE TO LOSE


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Beitrag #46
RE: THE ROOSEVELT HOTEL
Ich war so nicht. Ich war kein Mensch, der Zuneigung brauchte, um sich besser zu fühlen. Der sich in die Nähe einer anderen Person flüchtete, wenn es ihm schlecht ging. Ich machte mich nicht so abhängig, verdammt, und deshalb war auch meine erste Reaktion, dass ich die Hand unter den Fingern von Summer wegzog. Damit würde ich auch sehr gut alleine klar kommen, ich brauchte das nicht. "Natürlich weiß ich, dass Haily seine Tochter kennt." Als wäre das eine Beleidigung an mir und an meiner Sorgfältigkeit, schüttelte ich mit zusammen gezogener Stirn den Kopf. "Ich weiß immer mit wem Haily Kontakt hat, aber- nein. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Chris das auch wusste. Ich habe nur den wenigsten von ihr und Gus erzählt." Nur denen, die es sowieso unwillkürlich mitbekamen, weil sie sich entweder ständig in meiner Nähe aufhielten oder weil ich sie zuvor schonmal auf meine Schwester angesetzt hatte. Aber was, wenn Chris es doch wusste? Wenn er das trotz unserer Verwandtschaft getan hatte? Würde ich ihm das zutrauen? Angespannt verschränkte ich die Arme vor meiner Brust, bohrte die Finger in meine eigene Haut, ehe Summer mich wieder aus den Gedanken riss. "Was hab ich nie getan? Jemanden vergewaltigt?" Auch dafür erntete sie zuerst einen fassungslosen, kritischen Blick, aber als ich in ihren Augen sah wie viel Sorge tatsächlich in der Frage mitschwang, stieß ich tief die Luft aus meinen Lungen und schüttelte schwach den Kopf. Sie war diesmal nicht diejenige, die für den Druck auf meinen Schultern und die Wut in meinem Bauch verantwortlich war und möglicherweise war sie - die Frau, die sich gerade stundenlang rührend um meine kleine Schwester gekümmert hatte - daher auch nicht diejenige, die das abbekommen sollte. "Nein." Ich versuchte die Tonlage in meiner Stimme zu beruhigen und auch meinen Körper wandte ich wieder frontal in ihre Richtung. "Nein, habe ich nicht. Ich weiß, dass viele Dinge, die ich getan hab, sehr grenzwertig sind und- ja, ich habe Frauen auch schon wissentlich zum Sex gedrängt oder sie bedroht, wie bei Madison, aber- ich habe nie ohne ihr Einverständnis mit einer Frau geschlafen." Wenn doch, hätte das etwas zwischen uns geändert? Ein paar Sekunden zu lange blieben meine Augen an Summers Gesicht hängen und obwohl ich in dem Moment nicht genau definieren konnte was es war, änderte sich auf einmal etwas in mir. Bisher hatte ich meine Familie aus dieser absurden Beziehung heraus gelassen, Gus spielte in meinem Leben sowieso gerade keine Rolle und ich hatte keinen Grund darin gesehen, weshalb ich Haily und Summer einander vorstellen sollte. Eigentlich hatten die beiden doch nichts miteinander zutun, dachte ich zumindest, bis jetzt, denn in Wirklichkeit verband die beiden Frauen einiges. Sie waren die einzigen, die dazu fähig waren, das mit mir zu machen, was gerade geschah: Dinge, die mich eigentlich nicht persönlich betrafen, belasteten mich, weil sie darunter litten. Wenn mir jemand Unrecht tat, dann war das in Ordnung. Dann übte ich meine Rache, ich zog die nötigen Konsequenzen und dann schloss ich damit ab, aber das funktionierte nicht, wenn ich mit jemand anderem fühlte. Vor allem nicht, wenn Haily diese Person war. Sie war nicht so realistisch und kalt wie ich, sie konnte sich nicht von diesem Missbrauch distanzieren oder Vergeltung suchen. Sie war emotional und sensibel und verletzlich und dieses Leid, das sie gerade durchlebte und das sie wohlmöglich auch noch lange belasten würde, zog auch mich mit nach unten. Eigentlich sollte das der beste Beweis dafür sein, dass das Leben so viel einfacher war, wenn man sich von anderen Menschen isolierte, aber als Summer jetzt vor mir stand und als sie erneut ihre Hände um meine legte, da spürte ich auch, was diese Empathie noch mit sich brachte. Wenn man jemanden so nah an sich heran ließ, dass die eigenen Emotionen von den Emotionen der anderen Person abhängig waren, dann ließ man nämlich nicht nur zu, dass man sich fremde Wut und fremde Trauer auflastete, sondern man ließ auch zu, dass die positiven Gefühle sich ebenfalls übertrugen. Ich hatte noch nie so deutlich gespürt wie in diesem Moment, was eine eigentlich so unschuldige, unbedeutende Berührung in mir verursachen konnte und ich war jemand anderem auch noch nie so dankbar gewesen wie Summer jetzt gerade. Einfach nur für ihre Existenz, nur dafür, dass sie da war und dass sie mit dem schwachen Lächeln auf ihren Lippen und ihren liebevollen Worten den Druck von mir nahm. "Okay. Ich- okay." Diese neuartigen Dinge, die in mir vorgingen, brachten mich für einen Moment völlig aus dem Konzept, aber nachdem ich ebenfalls sanft ihre Hände mit meinen gedrückt und erneut tief Luft in meine Lungen gesogen hatte, nickte ich fest. "Ich kümmer mich darum, dass sie Aiden morgen sehen kann. Wenn du mit Matt gesprochen hast, buchst du ihr dann ein Busticket zu ihm? Dann setz ich sie morgen direkt an der Busstation ab. Und dann- schauen wir, wie es weiter geht." Schon wieder blieben meine Augen an ihren hängen, aber noch bevor ich irgendetwas anderes sagen konnte, hörten wir auf einmal Geräusche aus dem Schlafzimmer. Unruhig wälzte Haily sich in unserem Bett und ohne zu zögern wollte Summer sich schon von mir zurückziehen, um meiner Schwester Beistand zu leisten, aber eine Hand von mir legte sich im selben Moment so fest um ihre, dass ich sie daran noch kurz aufhalten konnte. "Danke. Dass du da bist. Für sie- und-" Für mich wollte ich eigentlich sagen, doch anstatt die Worte zu formen, zog ich nur schwach meine Schultern nach oben. Irgendetwas sagte mir jedoch, dass Summer verstand, was ich nicht über die Lippen brachte. Möglicherweise das schwache Lächeln auf ihrem Gesicht oder dass sie sich zu mir lehnte, um mich zu küssen. Nicht so leidenschaftlich wie sonst, sondern fast schon unschuldig. Wir sahen einander noch einmal fest in die Augen, ehe ich dann doch meine Hand von ihrer löste und zuließ, dass sie erneut im Schlafzimmer verschwand, während ich zum Telefonieren in den Flur hinaus ging.
Zum Glück gelang es mir tatsächlich, dass Haily und Aiden sich noch einmal sehen durften, ohne strenge Beobachtung und ohne eine Tischplatte zwischen ihren Körpern. Nicht lange und natürlich wurde sie vorher auch gründlich durchsucht, aber es ging ja überhaupt nicht darum ihm irgendetwas in die Zelle zu schmuggeln. Meine Schwester wollte nur einfach nochmal bei ihm sein, ihn einfach nochmal in den Arm nehmen und sich von seiner Nähe ein wenig heilen lassen. Während sie dafür in dem großen Gebäude verschwand, wartete ich geduldig im Auto und jeder Anruf, der eigentlich meine Aufmerksamkeit benötigte, wurde abgewimmelt. Solange Haily nicht sicher im Bus saß, ignorierte ich jegliche Verpflichtungen und kümmerte mich tatsächlich nur um meine kleine Schwester, die eine knappe Stunde später wieder zu mir zurückkehrte. Und man merkte so deutlich wie gut ihr das getan hatte. Sie lachte nicht über das ganze Gesicht, natürlich nicht, aber sie wirkte stärker, ihre Wangen leuchteten und sie strahlte so viel Liebe aus. Es war absurd wie viele gute Emotionen da noch in ihr steckten, trotz allem, was geschehen war, und auf der Fahrt vom Gefängnis zur Busstation, sah ich auch mehrmals schweigsam zu ihr rüber, um mich zu vergewissern, dass sie nicht nur eine Fassade aufgesetzt hatte. Summers Worte vom gestrigen Abend hatte ich ebenfalls nicht vergessen und als ich Haily mit ihrem Rucksack, den wir zuvor noch in ihrem Haus geholt hatten, bei ihrem Bus ablieferte, war ausnahmsweise ich derjenige, der zuerst die Arme öffnete, um sie an mich zu drücken. Ich brachte es zwar nicht über die Lippen ihr zu sagen, dass ich sie gern hatte, diese Schwäche wollte ich mir noch nicht so bewusst eingestehen, aber als wir einander danach ansahen, spürte ich auch bei meiner Schwester, dass es diese Offenbarung gar nicht unbedingt benötigte. Sie verstand mich auch ohne Worte.


CHARLES LUCAS THOMPSON # 34 YEARS OLD # CRIMINAL

[Bild: chas01.png]
04.07.2016 18:37
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