RE: THE ROOSEVELT HOTEL
Während Summer sich um meine kleine Schwester kümmerte, hielt ich mich selber fast gänzlich zurück. Was konnte ich denn auch für sie tun? Ich fühlte mich unwohl in der Situation, fehl am Platz. Nach außen hin wirkte ich noch immer unfassbar kühl, fast schon desinteressiert, während sich in mir die unbändige Wut nur mehr verstärkte und mich bis an meine Grenzen trieb. Mehrmals musste ich den Raum verlassen, um vor der Tür ein paar Mal tief durchzuatmen oder ein paar Schritte zu laufen, denn mit dem Hass, der gerade in mir kochte, wollte ich Haily nicht auch noch belasten. Summer hingegen schien genau zu wissen wie sie sich verhalten musste, sie gab meiner Schwester genau das, was sie jetzt brauchte, und nicht nur einmal ertappte ich mich selber dabei wie ich die beiden Frauen beobachtete, weil der Anblick die negativen Gefühle in mir kurz zum Schweigen bringen konnte. Wenn auch immer nur für kurze Dauer. Erst als Hailys Schluchzen verebbt war, als sie schlief und Summer leise zu mir ins Wohnzimmer zurückkehrte, ließ ich zu, dass die Wut erkennbar wurde. Anfangs nur, indem ich meine Hände zu Fäusten ballte, während ich auf sie zuging, aber als sie mich so direkt fragte wie es mir dabei ging, gab ich ihr genug Einblick in mein Inneres, dass sie in meinem Gesicht ganz genau erkannte wie überfordert ich gerade war. "Ich soll mit dir reden? Worüber soll ich mit dir reden, Summer? Was ändert das? Bringt das Chris zurück von den Toten, damit ich ihn noch einmal umbringen kann?" Ich dämpfte zwar meine Stimme, um Haily nicht zu wecken, aber es war dennoch nicht zu überhören wie gepresst die Worte über meine Lippen kamen. "Ich versteh einfach nicht- wie er das tun konnte. Fuck! Ich kenne Chris seit Ewigkeiten, ich kenne ihn noch aus New York und- ich weiß, dass er auf komische Dinge steht, ich weiß das, aber Haily ist doch- wie ein Kind. Sie verhält sich wie ein Kind. Wie kann man das tun?!" Ich presste voller Hass meine Kiefer aufeinander und wandte mich von Summer ab, um noch einmal tief durchatmen zu können und mich dann auch auf die Fragen zu besinnen, die sie mir zuvor gestellt hatte. "Keine Ahnung." Überfordert drückte ich Daumen und Zeigefinger gegen meinen Nasenrücken, schloss für einen Moment die Augen und schüttelte den Kopf. "Mit Aiden meine ich. Keine Ahnung. Das war Mord, das ist ein Kapitalsdelikt und zwar nicht irgendeine Gang-Scheiße, sondern vor den Augen von unzähligen Zeugen. Ich weiß nicht wie ich ihn da raus kriegen soll. Ich hab schon ein paar Leute angerufen, aber- das ganze Ding rollt schon, die falschen Leute sind an dem Fall dran, wir haben zu lange gewartet. Ich versuche, was ich kann, aber- ich weiß es einfach nicht. Wenn Haily das will, dann kann ich aber zumindest dafür sorgen, dass die beiden sich noch einmal sehen, ohne die strengen Regeln und ohne einen Tisch zwischen ihnen. Wenn du denkst das tut ihr gut, dann setz ich die Hebel gleich noch in Bewegung. Meinen Anwalt hab ich auch schon kontaktiert, er kümmert sich um Aiden. Und danach-" Summer wusste, dass mir das alles andere als leicht fiel, aber ich sah ihr trotzdem ins Gesicht und nickte langsam, zögerlich. "Vielleicht ist es nicht so schlecht, wenn sie danach zu Matt fährt." Auf die Art hatte ich wenigstens einen Überblick darüber wo sie sich aufhielt und obwohl ich einige Differenzen mit dieser ganzen Familie hatte, wusste ich auch, dass sie dort sicher war. "Sie läuft immer weg, wenn ihr irgendetwas zu viel wird, also- vielleicht ist es nicht so schlecht, wenn wir ihr ein Anlaufziel geben und damit ein bisschen Kontrolle behalten. Denkst du- denkst du sie kommt zurecht? Früher oder später? Glaubst du sie packt das ohne völlig abzudrehen? Und was ist mit dir? Gehts dir- gut?"
CHARLES LUCAS THOMPSON # 34 YEARS OLD # CRIMINAL
![[Bild: chas01.png]](https://i.postimg.cc/9Q6PrBYh/chas01.png)
|