RE: THE ROOSEVELT HOTEL
Dass Summers Verhalten manchmal in bisschen grenzwertig sein konnte, das war nichts Neues. Sie war eine gestandene, starke Frau und wenn sie sich etwas vornahm, dann setzte sie das auch um, egal wie. Das konnte manchmal sehr verlockend und beeindruckend sein, viel öfter aber auch unheimlich dumm und kurzsichtig, das hatte sie in der Vergangenheit bewiesen und genau das wurde mir auch heute wieder eindrucksvoll demonstriert, indem ich mitten in einem wichtigen Geschäft einen Notfall-Anruf erhielt. Summer hatte sich eine Waffe geschnappt und im Zimmer verschanzt. Alleine. Das war nicht ihr scheiß Ernst. Ohne zu wissen, was genau da los war, drehte ich mich sofort um und ließ einen Schwall an wütenden Flüchen heraus, die allerdings nicht ihr galten, sondern meinen unfähigen, minderbemittelten Männern, die so hohl waren sich von ihr blenden zu lassen. Wie konnte denn eine verletzte Frau mindestens drei große, bullige, harte Kerle an der Nase herum führen? Die Männer, die ich eigentlich darauf gedrillt hatte mir in den gefährlichsten Situationen den Rücken zu stärken? Das war doch ein dummer, makaberer Scherz und das bekam mein Telefon auch so lange deutlich zu spüren, bis ich einfach auflegte und mich in mein Auto setzte. In Rekordgeschwindigkeit heizte ich durch die Stadt, bis zu meinem Hotel, drückte dort wütend dem Pagen meinen Schlüssel in die Hand und wurde schon unten in der Lobby von einem meiner Männer abgeholt, der sich im Aufzug auf dem Weg nach oben noch einmal anhören durfte wie unfähig er war. Dass Summer sich selber etwas getan hatte oder tun wollte, schloss ich aus, dafür kannte ich sie zu gut. Dann hätte ich auch schon viel eher meine Männer wieder in das Zimmer geschickt, um sie notfalls zu überwältigen. Eine andere logische Erklärung fand ich jedoch auch nicht und befand mich daher letztendlich irgendwo zwischen der Theorie, dass Summer sich doch auf einmal gegen mich stellte und jetzt irgendwelche Forderungen loswerden wollte oder aber, dass sie den Verstand verlor und meine Männer nur auf Abstand hielt, weil sie ein bisschen Ruhe haben wollte. Wahrscheinlich eher Letzteres. Doch völlig gleich was genau dahinter steckte, ich ließ mich nicht so leicht einschüchtern wie manch anderer und öffnete mir deshalb auch ohne zu Zögern mit meiner Karte die Tür, ging in die Suite hinein und lief durch einen kleinen, offenen Flur unachtsam bis in den großen Raum, wo ich urplötzlich erschrocken stehen blieb. Da saß nämlich nicht etwa eine verzweifelte, weinende Frau, die schon wieder an ihrem Schicksal nörgelte und langsam durchdrehte, weil sie schon verdammte viele lange Tage hier alleine eingesperrt war, sondern wahrscheinlich das genaue Gegenteil davon. Eine Summer, die vor Selbstbewusstsein strotzte, die penibel ihre Haare aufgelockt und das Gesicht geschminkt hatte, in einem engen, glänzenden Latex-Kleid und einem Arztkittel darüber. Das war nicht ihr Ernst, oder? "Was zur Hölle?!" Fassungslos und mit steinerner, wütender Miene starrte ich ihr direkt ins Gesicht, breitete dabei erwartungsvoll meine Arme ein wenig aus und versuchte die Situation in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, was mich aber etwas mehr Zeit kostete, als üblich. Weil ich von ihrem Anblick so abgelenkt war. Aber nein, sie musste mir nicht erst erklären, was hier passierte, damit ich verstand, dass sie gerade versuchte mich zu verführen. Das erkannte ich auch so und es klappte auch äußerst gut, immer wieder senkte ich meinen Blick an ihrem makellosen Körper hinab, verfolgte mit meinen Augen ihre dünnen, entblößten Beine oder starrte auf ihr hoch gepushtes Dekolleté, aber mein Verstand wehrte sich noch dagegen ihr das einfach so durchgehen zu lassen. "Dir ist schon klar, was du gerade für eine Aufregung verursacht hast, oder? Dass ich eventuell sogar einen wichtigen Geschäftspartner verliere, wegen dir?" So einfach würde ich es ihr nicht machen, das hörte man schon deutlich an meiner vorwurfsvollen, erbosten Stimme.
CHARLES LUCAS THOMPSON # 34 YEARS OLD # CRIMINAL
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