RE: THE ROOSEVELT HOTEL
Ich blieb für einen Moment an Summers provokativen Augen hängen, ehe ich genauso emotionslos und kalt wie immer langsam meinen Kopf schüttelte. "Nein, aber mir würde die Frau fehlen, für die ich jetzt zum wiederholten Mal mein eigenes Leben riskiert habe." Wie oft hatte Kilian das schon für Lahja getan? Oder Matt für Madison? Gab es überhaupt ein Band, das noch stärker sein konnte, als das? "Summer-", wollte ich gerade ansetzen, doch bevor ich dazu kam die Dinge auszusprechen, die mir auf die Brust drückten, landete klirrend der Spiegel auf dem Boden und zerbrach in tausend Teile. Zu Recht. Wie sollte sie auch anders auf das reagieren, was sie darin sehen musste? Nicht nur, weil sie so entstellt war, sondern vor allem, weil ihr dadurch das Ausmaß ihrer Verletzungen erst so richtig bewusst wurde. Im Gegensatz zu ihr hatte ich mich aber bereits mit der Tatsache abgefunden, dass sie von jetzt an auf meine Hilfe angewiesen war, und deshalb stand ich auch ohne zu Zögern von der Matratze wieder auf, um einen Mülleimer zu holen und geduldig die größeren Scherben vom Boden dort hinein zu werfen. Die übrigen kleinen Splitter schob ich mit meiner Hand vorsichtig in einer Ecke zusammen, damit die Putzfrau sich in den nächsten Tagen darum kümmern konnte, ehe ich wieder aufstand, um mich neben sie zu setzen. "Schon okay. Ich kann verstehen, warum du Matt geglaubt hast und es ist auch gar nicht schlecht zu wissen, dass man mir so etwas sofort zutraut." Das hieße nämlich man hatte Angst vor mir. Man wusste wie unberechenbar ich sein konnte. "Ich versuche grade übrigens mit deinem Chef zu verhandeln. Geschäftlich wird das nicht mehr funktionieren und er ist unheimlich wütend, weil er vier seiner besten Männer lassen musste und du ihm in den Rücken gefallen bist, aber ich bin nicht der Einzige, der Fehler gemacht hat. Das, was in Matts Haus passiert ist, war etwas Persönliches und er hätte sich nicht einmischen dürfen. Vor allem nicht so. Wir sind jetzt alle wieder ins Visier der Cops geraten, wegen ihm. Bisher sind wir uns einig darüber, dass er sich wieder nach San Francisco zurückzieht und wir beruflich nicht mehr miteinander kooperieren, ich muss ihn jetzt nur noch überzeugen, dass er dich auch in Ruhe lässt." Wie schwierig und nervenaufreibend das gerade war, behielt ich jedoch für mich, denn natürlich wollte er, dass ich ihm Summer auslieferte. Sie hatte sich gegen ihren Chef gestellt, das musste man in unseren Kreisen mit dem Leben bezahlen und bisher hatte ich noch nichts gefunden, das ihn davon abhalten würde. "Das wird schon", sagte ich trotzdem zuversichtlich, auch um Summer die Angst und die Hilflosigkeit zu nehmen, die sich zweifellos in ihrem Blick spiegelte. Sie konnte noch so weit ihr Gesicht von mir abwenden, ich sah allein schon in ihrer Körpersprache wie verzweifelt sie gerade war und hörte es spätestens dann, als sie mich mit ihrer Frage erneut völlig vor den Kopf stieß. Für einen Moment brach meine Fassade, unsicher sah ich sie an, fand nicht auf Anhieb die richtigen Worte, um darauf zu reagieren, und hob stattdessen meine Hand, um sie vorsichtig über der Decke auf ihr Bein zu legen. "Nein, Summer. Nein, hätte ich nicht. Ich wünschte ich könnte. Und ich wünschte ich würde nicht so destruktiv mein eigenes Leben und meine Geschäfte aufs Spiel setzen, für dich, immer wieder, aber ich kann nicht anders. Ich kann nicht klar denken, wenn es dir nicht gut geht. Ich bin so auf dich fixiert, dass ich Fehler mache und meine Handlungen nicht richtig durchdenke und- das macht mich so wütend." Ich presste die Worte regelrecht zwischen meinen Lippen hervor, mit harter Stimme. "Auf mich selber. Ich bin so wütend auf mich selber, weil ich all meine Prinzipien fallen lasse, wenn es um dich geht, aber ich kann nicht anders. Es passiert einfach. Also nein. Solange ich lebe, werde ich mich auch immer wieder einmischen und immer wieder verhindern, dass jemand dich mir wegnehmen will. Finde dich damit ab."
CHARLES LUCAS THOMPSON # 34 YEARS OLD # CRIMINAL
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