RE: THE WAREHOUSE
Eigentlich hatte Haily nichts getan, das ich nicht irgendwie auch von ihr erwarten musste. Ich kannte ihre Prinzipien, ich hatte oft ihren Sorgen zugehört, ich wusste wie schwer sie sich schon mit ihrem Bruder tat, aber der war wenigstens ein Teil ihrer Familie, im Gegensatz zu mir. Da waren ganz andere Grundlagen gegeben. Sie hatte mir mehrmals anvertraut, dass sie nicht wusste, wie sie mit ihm umgehen sollte, weil er einerseits dieser grauenhaft, empathielose Mensch war, der eigentlich nicht in ihr Leben gehörte, aber nunmal auch ihr Bruder. Ihr Fleisch und Blut. Der Mann, zu dem sie in Kindertagen bewundernd aufgesehen hatte. Bei mir war das alles nicht so, ich war nur ein Freund für sie, ein Weggefährte, und natürlich hatte ich deshalb auch nicht grundlos so lange meine Vergangenheit vor ihr verschwiegen. Eigentlich erwartete ich nämlich genau das, was in diesem fremden Wohnwagen in Slab City dann auch passierte: Sie kehrte mir einfach ihren Rücken zu. Das hätte man vielleicht ein wenig subtiler und ein wenig respektvoller machen können, als einfach wegzulaufen, aber das war nunmal Haily. Und eigentlich sollte ich das akzeptieren. Ganz so leicht war es in der Realität aber nunmal nicht, da spielten viel zu viele Emotionen mit hinein, zu viele Gefühle, zu viele Ängste, Enttäuschungen und das alles komprimierte ich letztendlich in Wut, wie so oft. Der einfachste Weg mit Haily abzuschließen, war für mich sie zu hassen und genau das tat ich dann auch. Wenn sie mir fehlte, redete ich mir ein, dass ihr dummes Gequatsche mir eh immer auf den Geist gegangen war und dass sowieso irgendwann irgendetwas zwischen uns gekommen wäre. Ich hasste ihre Unordnung, ihre verrückten Klamotten, ihre direkte Art, ihr loses Mundwerk, ihren Egoismus, ihre Unzuverlässigkeit. Ich hasste das alles, weil das so viel leichter war, als sie zu vermissen.
Nele kam mir genau in der Phase natürlich wie gelegen, sie war die perfekte Ablenkung und als wir uns beim nächsten Rave tatsächlich wieder über den Weg liefen, war ich noch anfälliger für sie, als beim ersten Mal. Wieder konnten wir unsere Lust kaum beherrschen und wieder landeten wir später in meiner Wohnung, diesmal als Erstes auf meiner Couch. Und genau so führte sich das dann auch fort: Wir wirkten wie magnetisch aufeinander. Immer, wenn wir uns sahen, dann endete es genau so, ging aber trotzdem niemals über Sex hinaus. Wir lagen danach nicht kuschelnd im Bett oder redeten über Gott und die Welt, auch ihre Narben hatte ich seit der ersten Nacht nicht noch einmal angesprochen, denn ganz offensichtlich lag diese Depression ja schon lange hinter ihr. Die Krankheit, von der ihr Ex-Freund gesprochen hatte, kam mir ab und zu wieder in den Sinn, aber auch das interessierte mich eigentlich herzlich wenig. Solange der Sex so gut war, warum sollte ich mich dann mit anderen Dingen belasten? Nein, das brauchte ich nicht, und weil ich noch immer als Erstes an mich selber dachte, kostete ich das so lange aus wie ich nunmal konnte. Irgendwann würde auch das bestimmt vergehen, so wie jede verdammte Beziehung zu einer Frau, und weil ich momentan mal wieder viel zu viel konsumierte, merkte ich auch immer öfter, wie mein Körper an seine Grenzen stieß. War aber auch egal, ich hatte ja nichts zu verlieren.
Es war schon öfter vorgekommen, dass Nele und ich einander in einem Club oder bei einem Rave erblickten, dass wir uns anzüglich und lüstern in die Augen sahen und dann alles einfach stehen und liegen ließen, um übereinander herzufallen. Manchmal ignorierte ich dafür urplötzlich eine andere Frau, mit der ich kurz zuvor noch anregend geflirtet hatte, und sie ließ dafür manchmal einfach einen anderen Typen zurück, an dem sie beim Tanzen gerade ihren perfekten Körper rieb. Dasselbe passierte auch heute wieder. Wir wurden fast zeitgleich aufeinander aufmerksam, sahen uns in die Augen und Nele ließ den Mann einfach zurück, der soeben seine Hand auf ihren Po gesenkt hatte, um auf mich zuzugehen und mich vor sich her in Richtung der Toiletten zu schieben. Ohne uns überhaupt Hallo zu sagen, fielen wir dort direkt wieder übereinander her, küssten uns gierig, ich hatte schnell meine Hose geöffnet, sie zog einfach ihren Rock nach oben und wir hatten Sex, schnell und hart, ungeachtet unseres Umfelds. Zumindest so lange, bis uns auf einmal untypische Geräusche auffielen. Ich war so erregt, dass ich das einfach ignorieren wollte, aber Neles verwirrter Blick motivierte mich dazu ebenfalls den Kopf herum zu drehen. Erst sah ich nur die schlanken, weiblichen Finger, aber dann, kurz darauf, starrte ich auf einmal direkt in das Gesicht von Haily, die über die Trennwand in unsere Kabine spähte. Wie-?! Was zur Hölle?!
Ich konnte meine Emotionen gar nicht so schnell ordnen, wie sie sich schon entschuldigte und dann urplötzlich polternd herunter fiel. Meine Augen fixierten noch immer die Stelle, wo kurz zuvor ihr Gesicht gewesen war, als sie sich schon längst aus dem Staub gemacht hatte, und wenn Nele nicht plötzlich ihre Fingernägel ungeduldig und willig in meinen Rücken gedrückt hätte, dann würde ich da vielleicht immer noch stehen und ins Nichts starren. Aber nein, verdammt. Haily würde mir das hier nicht kaputt machen. Warum auch immer sie hier war, sie durfte mir das hier nicht nehmen und so sah ich Nele wieder fest in die Augen, küsste sie auf die Lippen und wollte einfach dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten, aber versagte dabei kläglich. Immer wieder drehten sich meine Gedanken um diesen einen Satz von Haily: Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich wieder da bin und dass ich total blöd war. Sie war blöd? Was hatte das zu bedeuten? Wollte sie sich entschuldigen? War sie deshalb hier? Nein, das waren ihre Prinzipien und sie würde ihre Prinzipien doch nicht einfach so umwerfen, so war sie nicht. Oder doch? Mein Kopf war so darauf fixiert, dass sich trotz aller Bemühungen meine Erektion verabschiedete und mir irgendwann nichts anderes übrig blieb, als mich wütend zur Seite zu drehen und fluchend meine Faust gegen die Kabinentür zu schlagen. Scheiße! Scheiß Haily, verdammt! Meine Gefühlswelt schien Nele allerdings wenig auszumachen, es interessierte sie gar nicht, was auf einmal los war. Ihr ging es nur um ihre Lust und so drängte sie ihren Körper einfach wieder gegen meinen und führte bestimmt meine Hand zwischen ihre Beine. Und obwohl mir absolut nicht danach war, sah ich es einerseits als meine Pflicht gegenüber Nele, andererseits aber auch als so etwas wie Rache gegenüber Haily, dass ich ihren Rücken wieder gegen die Wand drückte und sie mit geübten Fingern zum Höhepunkt brachte. Auch danach musste ich ihr nichts erklären, wir küssten einander nur nochmal innig und dann verschwand sie einfach wieder, irgendwo. Vielleicht würden wir uns im Laufe des Abends nochmal über den Weg laufen, vielleicht würden wir auch wieder miteinander in meiner Wohnung enden, aber erstmal suchte sie sich anderswo Beschäftigung, so wie immer. Und ich blieb mit meiner verwirrten Gefühlswelt zurück, harrte noch ein paar Minuten wortlos in der Kabine aus, versuchte meinen Kopf zu ordnen und schloss dann wortlos meine Jeans, wusch mir die Hände und ging zurück in den Club. Um nach Haily zu suchen. Finden tat ich sie jedoch erst draußen, unweit des Eingangs, auf ihrem Rucksack sitzend und fremde Menschen anquatschend. So wie ich sie nunmal kannte. Und obwohl alles in mir rebellierte, weil ich doch eigentlich gerade so gut darin wurde sie zu vergessen, versenkte ich meine Hände in den Hosentaschen und ging direkt auf sie zu. "Du bist also wieder da, hm?" Ruhig blieb ich vor ihr stehen, sah fragend zu ihr hinab. "Seit wann?"
AIDEN RUTHERFORD # 28 YEARS OLD # HARDCORE
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