RE: LOS ANGELES » SAN FRANCISCO
Ich trat einen Schritt zurück, als Jamie sich durchaus elegant unter meinem Arm hindurch bewegte, daraufhin kurz das Gleichgewicht verlor, aber bevor ich ihr meine Hilfe anbieten konnte schon auf der Treppenstufe Platz nahm. Im Gegensatz zu ihr blieb ich ruhig stehen, drehte nur meinen Körper ein wenig in ihre Richtung, versenkte meine Hände in den Hosentaschen und sah sie einfach nur an. Wenn ich meine Augen bewegte, dann fühlte es sich dank des Alkohols so an, als bewege sich die Welt um mich herum gleich mit, aber wenigstens konnten mich meine eigenen Beine noch tapfer halten. "Ich finde nicht, dass es sich widerspricht, was ich gerade gesagt hab und was ich vor ein paar Tagen im Bus gesagt hab", stellte ich für mich selber fest, atmete danach tief die Luft in meine Lungen. "Ich will nur das Beste für dich, aber ich will nicht, dass du denkst, dass ich das Beste bin." Aber gleichzeitig, wenn ich mir bildlich vorstellte, wie sie einem anderen Mann näher kam, der das perfekte Gegenstück zu Jamie darstellte, wurde mir trotzdem ganz anders. So als könnte ich mich nicht für sie freuen. Scheiße, was geschah denn gerade mit mir? Und warum fühlte sich meine Brust auf einmal zu klein an für mein Herz, als sie erneut von ihren Gefühlen für mich sprach? Dass ich diesen ersten Kuss für sie perfekt machen konnte? Weshalb trug ich innerlich gerade so einen Kampf mit mir selber aus?
Überfordert hob ich meine Hände an mein Gesicht, rieb mir mit festem Druck über die geschlossenen Augenlider, aber stellte schnell fest, dass die Dunkelheit das mit dem Gleichgewicht komplizierter machte und starrte deshalb regungslos gegen die dunkle Wand. So lange, bis ich leise lachen musste, weil meine Antwort auf ihre Frage so absurd war. "Ich war 15, glaub ich. Betrunken. Die Frau, die ich geküsst hab, war schon über 20 und auf psychedelischen Drogen. Das war in so einer Hippie Kommune, wo ich damals gewohnt hab. Und doch, ich würde den Fehler immer wieder machen, aber ich bin auch nicht so wie du." Langsam sah ich Jamie wieder in die Augen, sprach jedoch nicht aus, was ich damit meinte. In meinem Leben war keine feste Beziehung vorgesehen, ich plante sowieso nicht älter als 27 zu werden und ich glaubte, dass ich diese Gefühle nicht einmal empfinden konnte. Das, was Jamie für mich übrig hatte. Aber dennoch hielt ich ihr meine Hand helfend entgegen. "Ich geh mit dir raus, ich könnte auch etwas frische Luft gebrauchen." Achtsam half ich ihr auf ihre wackeligen Beine, hielt sie an ihrem Oberarm, bis sie einigermaßen ihr Gleichgewicht gefunden hatte, aber trotzdem ging ich dicht neben ihr her, damit ich sie jeden Moment auffangen konnte, wenn sie drohte zu fallen. Erst als wir draußen waren und der frische Wind den Kopf ein wenig befreien konnte, sah ich Jamie wieder an. "Du verstehst, dass das nichts mit dir zutun hat, oder? So wie ich bin? Dass ich irgendwann gehe? Du kannst daran nichts ändern, das ist einfach- irgendwann muss ich einfach weg, das war schon immer so. Und das hat nichts damit zutun, wie sehr ich dich mag. Ich kann niemanden genug mögen, um zu bleiben. Irgendwann- sind all die Freundschaften und Beziehungen einfach nicht mehr genug, um mich zu halten." Unsicher blieb ich stehen. "Ich glaube du denkst, dass du das ändern kannst. Das ist das Problem. Und du denkst - wenn du es nicht ändern kannst, dann ist das ein Fehler von dir. Dass du irgendetwas falsch gemacht hast. Und dann leidest du darunter. Das will ich einfach verhindern. Es ist ja nicht so, dass ich- dich nicht will."
AUGUSTUS EVANS # 25 YEARS OLD # HOMELESS
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