RE: PARKPLATZ
Es passierten immer verrückte Dinge im Leben aber sie hatte niemals damit gerechnet, dass sie diesem Schicksal noch entgehen würde, dem Mann den Gefallen zu tun, den er so Grob einforderte. Deshalb, weil sie das Szenario kannte und auch, weil Chris nichts zustoßen sollte, wehrte sie sich nicht oder rebellierte. Als er sich zu ihr herüber beugen wollte, sog sie die Luft tief ein um sie anzuhalten und sich nichts Anmerken zu lassen – bis der Mann völlig unerwartet aus dem Auto gezerrt wurde. Ihr Vater? Die Polizei? Mit vielem konnte sie nicht Rechnen, eventuell ein Überbesorgter Passant, dem sie die Angst schon nehmen wollte, als dann Noah in ihrem Blickfeld auftauchte. Als dieser Mann vor dem Wagen auf dem Boden lag und der junge Mann, mit dem sie die letzte Nacht am Strand verbracht hatte, nach der Waffe griff um sie auf Chris Kollegen zu richten. Scheiße. Was sollte sie tun? Es gab nur kein zurück mehr, dieser Mann auf dem Boden war nicht irgendwer sondern ein Gangster. Würde sich alles zu seiner Gunst wenden, er würde Noah etwas antun, ganz Sicher. Was war aber mit Chris? Es blieb keine Zeit um sich noch länger Gedanken zu machen, Apple handelte. Sie rutschte auf die Tür zu, schob den Rock zumindest bis zur Mitte ihres Oberschenkels hinab. „ Lass ihn nicht aus den Augen.“ Sagte sie zu Noah, ohne seine Fragen zu beantworten. „ Beweg dich nicht.“ Wies sie den Mann auf dem Boden an, griff in die Tasche, in der sie eben schon seine Geldbörse ertastet hatte und riss sie heraus. Das Karten und Kleingeld auf den Boden fiel, war ihr ganz gleich – sie zog nur die dicken Scheine hervor. Danach steckte sie es auf dem Weg zur Fahrertür in ihren BH und zog mit bebenden Fingern den Autoschlüssel ab, griff nach dem Handy in der Mittelkonsole. Über das Wagendach sah sie zu Noah, hoffentlich Vertraute er ihr auch nur noch einen Funken, damit er ihr Folgte. „ Komm – schnell – wir müssen abhauen. Lass die Waffe nicht hier.“ Die abgehetzte Stimme signalisierte, wie Ernst sie das meinte. Ja, zum Glück, er schien sie Ernst zu nehmen und nachdem sie die Hohen Schuhe über ihre Knöchel gezogen hatte, rannte sie mit ihm in den dunklen Wald. Die Schuhe standen noch an Ort und Stelle, dieser Kerl hatte sie im Wagen platziert und auf dem Hinweg verlangt, dass sie sie anzog. Weil er drauf stand. Ihre eigenen hatte sie aus dem Fußraum geschnappt aber nur unter den Arm geklemmt, um schneller mit Noah flüchten zu können. Das Handy und den Autoschlüssel warf sie in einen kleinen Flusslauf. So schnell würde der Kerl sich keine Hilfe holen können und verfolgen könnte er sie nur zu Fuß. So perplex wie er ausgesehen hatte und halb ausgezogen und ausgeraubt brauchte er dafür aber ganz bestimmt eine Weile, was genau so ihre Absicht gewesen war. Apple kannte Situationen wie diese, viel zu gut. Erst als sie nicht mehr konnte, wirklich schon röchelte und ihre nackten Füße schmerzten, stoppte sie und nahm Noah die Waffe ab. Dieser gute Mensch sah damit ohnehin so Absurd aus. Gekonnt öffnete sie die Kammer für die Munition und mit dem klirrenden Geräusch, mit dem die Patronen zu Boden fielen, fiel auch von ihr endlich die Anspannung ein wenig ab. Noch immer nur mit dem BH und ihrem Rock am Leib lehnte sie sich an einen Baum, holte immer wieder Luft um das stechen in der Brust zu unterbinden.
Eigentlich sollte das am besten ewig Anhalten, denn als sie Noah ansah wurde ihr wieder klar, wie viele Antworten sie ihm nun noch schuldig war. „ Du hättest... das nicht tun sollen.“ Und damit verstörte sie ihn wohl nur noch mehr. Verdammt. Wieso konnte sie ihn nun nicht so hart vor den Kopf stoßen, dass er sie einfach in Ruhe ließ? Apple entzog sich den Blicken, ganz Bewusst. „ Mein Dad hat mich raus geworfen. Das ist... sein Arbeitskollege gewesen, übler Kerl. Er hat mir gedroht, meinem Dad das Leben schwer zu machen, wenn ich nicht...“ Ohje, wie schwer die folgenden Worte in der Luft hingen. „...wenn ich nicht mit ihm schlafe. Das wäre okay gewesen, wirklich... aber nachdem du ihn attackiert hast, hätte er dir etwas getan. Das wollte ich nicht. Ich wollte das doch alles nicht.“ Damit bezog sie sich nicht nur auf die Situation sondern alles – angefangen von den Lügen, bis hin zur Missachtung von Chris verboten und nun das hier. Verräterisch bebte ihre Stimme aber Apple hatte schon zu viel erlebt als sich nun zusammen zu kauern und sich dem verlangen hinzugeben, zu Jammern.
|