RE: PARKPLATZ
Diese Nacht mit Maggi war wirklich wunderschön, viel schöner, als ich erwartet hätte. Dass ich sie als Mensch mochte wusste ich auch schon vorher, aber ich lernte sie an diesem Abend noch einmal ganz anders kennen: Ich küsste ihre Lippen, streichelte über ihre warme Haut, wir drückten uns in der Nacht eng aneinander und spürten den Herzschlag des jeweils andren. Und als ich am nächsten Morgen aufwachte, als ich in ihr Gesicht sah, da wollte ich das alles am liebsten nochmal wiederholen. Da wollte ich ihr schon wieder so nah sein und da wollte ich sie direkt noch einmal küssen, aber noch bevor ich dazu kam sie liebevoll zu wecken, rissen uns zwei Polizisten unsanft aus dem Schlaf. Genervt stieß ich schon die Luft aus meinen Lungen, weil ich nie verstehen konnte, weshalb die Bullen sich überhaupt um zwei friedliche junge Leute wie uns scherten, während da draußen viel schlimmere Verbrechen begangen wurden, aber weil ich auch wusste, dass man die Polizei am schnellsten wieder los wurde, wenn man einfach freundlich kooperierte, holte ich direkt meinen Personalausweis heraus und hielt ihn den beiden Männern entgegen. Damit sollte sich die Sache ja erledigt haben, wir hatten sonst nichts bei uns, das man uns offensichtlich ankreiden könnte, aber nein. Damit war noch nicht alles erledigt. Unnormal irritiert sahen die Polizisten auf den Ausweis von Maggi und- fragten sie dann nach ihrer Minderjährigkeit? Siebzehn? Ich wollte schon widersprechen, wollte ihnen den Ausweis aus der Hand nehmen und sie noch einmal auf ihr Geburtsdatum verweisen, aber noch bevor ich dazu kam zog Maggi neben mir die Schultern an und senkte den Blick. Das konnte nicht ihr Ernst sein. Sie war siebzehn Jahre alt? Und das war noch nicht einmal alles, denn als die beiden Männer sie baten mit ihnen zu kommen, baten sie auch nicht Maggi, sondern Apple. Was zu Hölle-?! Ich versuchte sie zwei Mal anzusprechen, bat sie um eine Erklärung, aber es fühlte sich auf einmal so an als wäre der gestrige Abend nie passiert. Als hätte es diese Freundschaft zwischen uns nie gegeben. Zumindest verhielt sie sich mir gegenüber so, als sie ihre wenigen Sachen zusammen raffte und den Polizisten daraufhin wortlos folgte, um mich allein hier zurück zu lassen. Apple? Maggi? Warum-? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein.
Es brauchte verdammt lange, bis ich mich einigermaßen gefangen hatte, und obwohl ich im Kopf jegliche Theorien durchging, weshalb sie mich belogen haben könnte, ergab keine davon Sinn. Frustriert und verletzt packte ich irgendwann den Rucksack, um ebenfalls zurück zur Straße zu laufen und dort meinen Daumen nach oben zu halten, in der Hoffnung, dass mich jemand mitnahm, aber die Entscheidung, dass ich sie wiedersehen und sie danach befragen musste, die traf ich erst in einem fremden Auto kurz vor Los Angeles. Gestern noch wäre es so leicht gewesen sie einfach aus meinem Leben zu streichen, nach so einem Vertrauensbruch und ihren massiven Lügen, aber heute- heute nicht mehr. In einem Tag war so viel passiert, dass ich einfach nicht verstand, weshalb sie mich trotzdem noch belügen würde. Weshalb sie sich als jemand anderes ausgab, als sie eigentlich war. Das Alter- okay. Das passierte schonmal, wenn man noch minderjährig war. Aber warum der falsche Name? Das alles ließ mir keine Ruhe und beschäftigte mich auch dann noch, als der Fahrer mich an einem Parkplatz am Rande der Stadt hinaus ließ, weil sein Weg ihn nur an der Stadt vorbei führte. Von hier musste ich entweder einen anderen Fahrer finden oder mein letztes Kleingeld zusammenkratzen, um mir ein Busticket leisten zu können. Oder ich konnte laufen. Weil mir das gerade aber sowieso alles zu viel wurde, ließ ich meinen Rucksack erschöpft gegen einen Baum sinken und mich selber gleich daneben. Siebzehn. Scheiße. Sie war siebzehn und ich konnte nichts anderes tun, als an ihre Küsse zu denken? Und an ihre Berührungen? Das ging nicht, das funktionierte so nicht. Und während ich noch verzweifelt überlegte, wie ich jetzt mit der Situation umgehen sollte, bekam ich nur aus dem Augenwinkel mit wie ein dunkles Auto an mir vorbei fuhr und dann in etwas Entfernung, versteckt zwischen ein paar Bäumen, auf dem Parkplatz stehen blieb. Dass der Fahrer meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zog, geschah erst in dem Moment, als er ausstieg, um das Auto herum ging und eine junge Frau aus seinem Wagen zog, die Maggi - Apple! - zum Verwechseln ähnlich sah. Der Zufall wäre zu krass, deshalb redete ich mich innerlich einfach selber raus, aber trotzdem blieb ich mit meinem Blick an den beiden hängen. Und ich sah auch, was danach passierte. Grob drückte er ihren Körper gegen das Metall des Wagens, er riss ihr das Oberteil vom Leib und stieß sie dann auf den Rücksitz, während er sich selber ganz offensichtlich die Hose öffnete. Selbst wenn das nicht Maggi war und auch nicht Apple, geschah das dort nicht mit dem Einverständnis der viel zu jungen Frau und deshalb stand ich auch ohne zu Zögern auf, lief auf den Wagen zu, um mich einzumischen, doch noch bevor ich dazu kam, fiel mein Blick auf das T-Shirt am Boden. Das war nicht irgendein Oberteil, sondern zweifellos das von der jungen Frau, mit der ich die vergangenen 24 Stunden verbracht hatte. Das hier war tatsächlich Maggi und in einer Kurzschlussreaktion griff ich nach dem fremden Mann und zerrte ihn von ihr herunter. Mit all meiner Kraft stieß ich ihn zurück, woraufhin er über die Bordsteinkante stolperte und mit dem Rücken voran auf die Wiese dahinter fiel. Und mit ihm fiel auch eine Waffe dort auf den Boden. Eine echte Pistole, die sich beim Öffnen seiner Hose wohl aus der Gürtelschnalle gelöst hatte. Während er noch völlig erschrocken zu mir auf starrte, griff ich in einem geistesgegenwärtigen Moment genau danach, richtete den Lauf auf ihn und merkte erst in der Sekunde wie schwer das Herz in meiner Brust eigentlich schlug. Atemlos starrte ich ihn an, die Waffe in meiner Hand zitterte ein wenig, so lange, bis ich meine Hände fest um den Griff schloss und stattdessen kurz mit dem Blick zu Maggi wechselte. Apple. "Was- was passiert hier? Bist du- Maggi, bist du okay?" Und wieder sah ich auf den Mann vor mir, der auf meine Anweisung die Hände hob und äußerst unglücklich dabei aussah. Fuck.
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