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FLAT BAKER STREET
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Emma Sophia Roberts
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Beitrag #8
RE: WOHNUNG BAKER STREET
Dieser fremde Mann tat mir nicht weh, als er nach meinen Händen griff oder seinen Arm um meine Schultern legte. Er war nicht grob zu mir, seine Gesten waren nicht angsteinflößend, aber trotzdem erstarrte ich jedes Mal, wenn er mir näher kam, als ich es wollte. Dieser Mensch trug nicht nur eine geladene Waffe in seinem Hosenbund, er hatte auch soeben zwei Menschen getötet und jetzt sollte ich ihm vertrauen? Jetzt sollte ich ihm einfach folgen und seinem Versprechen blind glauben? Dass er mir nichts tun würde? Obwohl ich zwar versuchte mich zusammen zu reißen, erzitterte mein Körper immer wieder auf unserem Weg nach unten. Manchmal so sehr, dass ich mich Halt suchend gegen ihn lehnen musste, weil ich fürchtete meine wackligen Knie würden auf den hohen Schuhen nachgeben. Die Haare ließ ich mir so weit ins Gesicht fallen, dass meine geröteten Wangen und die verweinten Augen darunter nicht auffielen, abwesend starrte ich in eine Ecke, so lange, bis das fremde Ehepaar einstieg und ich den Blick anhob. Ob ich daran dachte sie könnten meine Rettung sein? Natürlich. Nicht nur einmal holte ich mit bebender Unterlippe tief Luft, um mich diesem fremden Mann zu entziehen und um Hilfe zu betteln, aber als ich gerade tatsächlich den Mut aufbringen wollte, drückten sich seine Finger in meine Schultern und ich bekam schon wieder diesen harten, unergründlichen Gesichtsausdruck von ihm zu sehen. Würde er wirklich drei weitere Menschen umbringen? Würde er seine Waffe gegen ein altes, unschuldiges Ehepaar erheben? Wie die Antwort auf diese Frage ausfiel sollte ich wohl nie erfahren, denn anstatt etwas zu sagen blieb ich stumm, zog meine Schultern nur noch mehr hoch und ließ mich von ihm, im Erdgeschoss angekommen, ohne Widerstand zu seinem Wagen begleiten. Warum gingen wir zu seinem Auto? Warum ließ er mich nicht einfach gehen? Mein Herz raste schon wieder, als ich auf dem Beifahrersitz Platz nahm, und schlug nur noch schneller, als er die Tür für mich verschloss. Was-?! Wohin-?! Ein panischer Blick traf ihn, als er sich neben mich setzte und den Wagen startete, aber noch bevor ich protestieren oder betteln konnte, verbot er mir den Mund, und wenn ich innerhalb der letzten Minuten eines gelernt hatte, dann, dass es ratsam war seinen Befehlen Folge zu leisten. Und das tat ich.
Schweigend saß ich neben ihm, fast regungslos, und starrte durchweg auf die dunkle Straße vor uns. Immer mal wieder hörte er wie ich zitternd die Luft in meine Lungen sog, weil ich wieder kurz davor war in Tränen auszubrechen, oder er konnte aus dem Augenwinkel erkennen, wie ich meine Arme nur noch enger vor meiner Brust zusammen zog, weil mein Herz schon wieder viel zu fest gegen meine Rippen pochte. Aber er bemerkte mich Sicherheit auch, wie ich im Laufe der Zeit ruhiger wurde, weil ich auf der Fahrt nichts anderes tun konnte, als mich mit meinen Gedanken zu beschäftigen und mir selber Mut zuzureden. Wenn er mich umbringen wollte, dann hätte er das in der fremden Wohnung doch schon längst getan. Wenn er mir Schmerzen zufügen wollte, dann hätte er das auch schon dort machen können. Aber- was, wenn er einfach keine Spuren hinterlassen wollte? Was, wenn wir deshalb so weit aus der Stadt hinaus fuhren? Damit er mich ungesehen zur Strecke bringen konnte? Mehrmals spähte ich heimlich auf den Rücksitz, zu meiner Tasche und überlegte, ob es mir irgendwie gelingen würde mein Handy zu erreichen, aber nein. Ich zweifelte nicht daran, dass er mir bei einer falschen Bewegung tatsächlich das Leben nehmen würde, ich brauchte einen anderen Plan. Die Tür war verschlossen, auch das prüfte ich einmal, indem ich von ihm unbemerkt an dem Griff zog, und auch sonst hatte ich noch keinen hilfreichen Ausweg gefunden, als wir auf einen dunklen Parkplatz im Wald abbogen und das Auto plötzlich stehen blieb. Fuck. Das hier war einer dieser verdammt beschissenen Orte, an denen die Menschen in den Filmen immer hingeschleppt wurden, um getötet zu werden, und weil ich trotz seiner Worte auf einmal wieder Panik bekam, richtete ich mich im Sitz hysterisch auf, sah mehrmals erschrocken um mich und tat dann das Erste, was mir in den Sinn kam. "Mein Name ist Emma. Emma Roberts. Ich bin 27 Jahre alt und komme eigentlich aus Las Vegas. Da hab ich die letzten Jahre zumindest gewohnt. Mit meinem Mann. Vor einer Woche hab ich mich aber von ihm getrennt und bin deshalb in Los Angeles, nur mit meinem Auto und ein paar Klamotten. Ich hab kein Geld, um ein Hotel zu bezahlen, deshalb suche ich mir abends Gesellschaft und hoffe auf ein Bett und eine Dusche. Meine Lieblingstiere sind Pinguine. Weil sie so lustig laufen und weil sie Vögel sind, die nicht fliegen können. Ich esse am liebsten Schokolade. Alles, was süß ist. Desserts. Ich steh auf Desserts. Ich will irgendwann eine Familie haben. Kinder. Mindestens zwei. Ich hätte gerne ein eigenes Haus mit Garten und ganz vielen Tieren und wenn es dann so weit ist, will ich aufhören zu arbeiten und lieber zuhause bleiben, mit den Kindern. Ich will ganz viel Zeit mit ihnen verbringen und ihnen vorlesen. Ich liebe Kinderbücher. Wenn ich ganz alt bin, habe ich hoffentlich eine ganze Schar an Enkelkindern, mit denen ich spielen kann, denn eigentlich bin ich unfassbar kindisch und ich werde es bestimmt auch immer sein." Ich redete so schnell, dass ich mich mehrmals mittendrin verhaspelte. Alles, was mir über mein Leben in den Sinn kam, sprach ich einfach aus, so lange, bis ich ihm atemlos von der Seite in die Augen sah. "Ich hab mal gehört, dass- dass-" Mörder. Er war ein scheiß Mörder. "Dass Menschen eher Probleme damit haben jemandem etwas anzutun, wenn- wenn sie viel Persönliches über ihr- ihr Opfer erfahren. Bitte- bitte tu mir nichts. Ich sage niemandem, was ich gesehen hab, okay? Ich verspreche es dir. Ich vergesse wie du aussiehst."
24.02.2016 12:55
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FLAT BAKER STREET - Lenn Damien Parker - 21.02.2016, 03:09
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