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GÜTERBAHNHOF
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Gus Evans
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Beitrag #14
RE: GÜTERBAHNHOF
Ich lächelte noch einmal vorsichtig, legte meine Hand an Jamies Hinterkopf und küsste sie sanft auf den Haaransatz an ihrer Schläfe. "Ich hoffe dein Vater wird für den Rest seines Lebens bereuen, dass er heute nicht bei dir war und dich nicht in dem Kleid sehen konnte, auf deinem Abschlussball. Und deine Mutter auch. Du siehst wunderschön aus." Verliebt drückte ich meine Wange gegen ihren Kopf und schloss meine Arme nur noch enger um ihren schmalen Körper. Für mich sah sie in Jeans und Pullover ebenso gut aus, wenn nicht sogar noch besser, aber ihre Eltern hätten sich über Jamies Anblick an diesem Abend bestimmt gefreut, vor allem ihr Vater. Dass er sie so nicht zu sehen bekam, war allerdings nur seine eigene Schuld. "Ich glaube- das Wichtigste wäre für Madison, dass jemand für sie da ist. Dass du ihr zeigst, wie sehr du sie eigentlich magst und dass du sie hier haben willst und dass sie weiterhin in deinem Leben bleiben sollen. Diese Junkies auf den Straßen, die haben sich alle irgendwie einsam gefühlt, das war bei jedem so. Die fühlten sich ausgeschlossen und im Stich gelassen und die Drogen waren für sie sowas wie- ein Ausweg. Und ich glaube auch, dass genau das eine Sucht hervorruft. Vor ein oder zwei Jahren hab ich mich mal lange mit jemandem unterhalten, der studiert hat und darüber seine Doktorarbeit schreiben wollte und seine These war, dass Abhängigkeit nicht das Gegenteil von Nüchternheit ist, sondern von Zusammenhalt und Beziehungen zu anderen Menschen. Wenn man ein sicheres, stabiles Umfeld hat und andere Personen, denen man wichtig ist und die einem das auch zeigen, ist das Risiko abhängig zu werden deutlich geringer, aber genau das- macht mir halt auch Angst bei Madison. Sie hat ihre Familie in New York nicht mehr wirklich, sie erinnert sich an all ihre Freunde hier aus Los Angeles nicht, wenn Matt und du sie jetzt auch noch allein lasst oder sie sich von euch abgrenzt--" Ratlos und verzweifelt zugleich zog ich meine Schultern hoch. "Keine Ahnung. Ich denke es wäre ein großer Fehler, wenn sie wirklich die Stadt verlässt und ich hoffe, dass Matt irgendeinen Weg findet oder finden will, um sie davon abzuhalten." Ich griff nach meinem Bier und trank noch einen Schluck, ehe ich auf Jamies folgende Frage langsam den Kopf schüttelte. "Ich hab mich immer von Drogen ferngehalten, die so ein hohes Suchtpotential haben. Beziehungsweise, als ich so 15 oder 16 war gab es eine Zeit, wo ich wahrscheinlich sehr anfällig dafür gewesen wäre, aber ich kannte damals niemanden, der mir sowas besorgen konnte. Vielleicht war das meine Rettung. Andere Sachen- hab ich schon mal probiert. Einiges öfter, anderes nur ein paar Mal, aber- damals zu der Zeit hab ich ja auch mit dem Aktivismus angefangen, hab einige Leute kennen gelernt, dann auf einer Farm gearbeitet, ich hatte halt immer irgendetwas, für das es sich gelohnt hat nicht den ganzen Tag zu trippen oder sich den Kopf wegzuballern. Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn ich an andere Menschen geraten wäre." Dass auch ich mich nicht vollständig von meinem Umfeld abgrenzen konnte, war mir klar. Gerade im pubertären Alter hatte ich mich genauso davon beeinflussen lassen wie jeder andere Jugendliche auch, ich hatte wohl einfach nur Glück gehabt. Mittlerweile war ich aber sowieso ganz weit weg davon. Manchmal ließ ich mich noch zu gewissen Drogen hinreißen, dann aber eher psychedelische, ansonsten rauchte ich nur eher unregelmäßig mal Marihuana. Ich war auf meine eigene Art unheimlich ehrgeizig und seitdem ich für mich den Plan gefasst hatte zumindest bis 27 durchzuhalten, sah ich auch keinen Grund darin mich jetzt schon ins Delirium zu stürzen. Es gab so viel Gutes zutun auf der Welt, das könnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.
Was ich ebenfalls nur unheimlich schwer mit meinem Gewissen vereinbaren konnte war das, was Jamie mir jetzt sagte. Wie sie in Worte fasste, warum sie mich lieber nie wiedersehen wollte, wenn ich sie noch einmal so enttäuschte wie schon drei Mal zuvor. Natürlich wusste ich, dass diese Zeit für sie nicht leicht gewesen war, das hatte sie mir auch mehrmals vorgeworfen, aber vielleicht verstand ich erst in diesem Moment so richtig, wie sehr sie wirklich unter meinem Verschwinden leiden musste. Mit ihren Worten und mit der Gewissheit, dass die nächste Trennung eine endgültige Trennung wäre, spürte auch ich so etwas wie Angst in mir. Es würde noch ein paar Tage brauchen das so richtig zu verstehen und so richtig zu verarbeiten, aber jetzt schon tat das in meiner Brust so weh, dass ich nickend meine Hand an Jamies Wange legte und sie noch einmal küsste. Und nochmal. "Okay. Versprochen. Ich tu dir das nie wieder an." Weil keine Worte ihr vermitteln konnten, wie Leid mir das tat, legte ich auch meine andere Hand an ihre Wange, drückte meine Finger sanft in ihren Nacken und zog ihr Gesicht noch einmal zu mir, um sie zu küssen.


AUGUSTUS EVANS # 25 YEARS OLD # HOMELESS

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21.02.2016 17:11
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GÜTERBAHNHOF - Admiss - 11.02.2016, 18:47
RE: GÜTERBAHNHOF - Gus Evans - 11.02.2016, 18:48
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