RE: APRIL
Lahja hatte Recht: Üblicherweise gab ich auf ihre Ratschläge nicht viel, vor allem nicht wenn es dabei um Beziehungen ging, denn schließlich war meine Tochter noch viel zu jung und hatte gar keine Ahnung vom Leben. Seit ihrer neuen Dreier-Beziehung sollte ich das noch viel eher belächeln, anfangs tat ich das auch, aber nachdem ich sie am Abend bei Zac abgesetzt hatte und mich auf den Weg zur Arbeit begab, dachte ich tatsächlich über ihre Worte nach. Ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen, so viel war sicher, und genauso wenig konnte ich ungeschehen machen, was passiert war. Was blieb mir also für eine andere Wahl? Hundert Entschuldigungen würden nicht helfen, viel eher musste ich April beweisen, wie leid mir mein Verhalten tat, dass sie mir fehlte und dass ich wieder mit ihr zusammen sein wollte. Und ja, wahrscheinlich würde das viel Zeit in Anspruch nehmen. Ihr Vertrauen erlangte ich nicht in ein oder zwei Tagen zurück oder mit ein oder zwei tiefsinnigen Gesprächen, ich musste mich darauf einstellen um sie und für uns zu kämpfen. Und ich musste für mich selber entscheiden, ob ich mich darauf einließ, ob es mir das wert war, oder ob ich einfach direkt das Handtuch warf. In Wirklichkeit kam aber sowieso nur eine Option infrage und das merkte ich auch den ganzen Abend lang in der Kneipe, indem ich aufgeregt-verliebt viel zu oft auf mein Handy oder auf die Uhr sah, die Minuten herunter zählte, bis wir uns endlich sehen würden. Gerade war April der einzig positive Gedanke in meinem Kopf und ich war nicht bereit das aufzugeben. Egal, wie lange es brauchen würde. Ich wollte sie zurück.
Voller Tatendrang wartete ich deshalb auch einige Stunden später an der verabredeten Ecke auf sie, mitten in der Nacht. Immer wieder legte ich mir im Kopf zurecht, was ich ihr sagen wollte und merkte dabei anfangs war nicht wie die Zeit verging. Erst nach einer guten halben Stunde versuchte ich sie anzurufen, erfolglos, aber vielleicht wurde sie auch nur aufgehalten. Noch eine halbe Stunde wartete ich, bevor ich ihr eine Nachricht schrieb, was denn los sei und wann sie kommen würde. Die neumodische Technik verriet mir auch, dass sie die SMS bekommen und auch gelesen hatte, aber trotzdem bekam ich keine Antwort. War das ihr Ernst? Ich wartete bestimmt noch eine weitere, viel zu lange Stunde, in der ich mir ständig Theorien ausmalte, warum sie wohl nicht auf mich reagierte. War das hier vielleicht ihre Rache? Wollte sie mich absichtlich sitzen lassen? Wollte sie auch mein Vertrauen in sie zerstören? Warum tat sie das, verdammt nochmal? Irgendwann war ich so verzweifelt und gleichzeitig auch so wütend wegen der ganzen Theorien, die ich mir im Kopf ausdachte, dass ich kopfschüttelnd loslief, zu der Wohnung ihrer Mutter. Scheiße, wenn sie das schon mit mir tun musste, dann sollte sie mir auch dabei in die Augen sehen, verdammt!
Durch die geöffnete Haustür konnte ich einfach in das Gebäude hinein gehen, die Treppen nach oben laufen, aber als ich mich der Tür zu ihrer Wohnung näherte, wurde ich plötzlich langsamer. Da redete doch jemand. Und wenn ich mich nicht täuschte, dann war das Aprils Mutter, die ihrer Tochter sehr fragwürdige Ratschläge an den Kopf knallte. April sollte netter zu ihren Kunden sein? Sie sollte sich dumm stellen und lieber einen Mann mit dickem Portemonnaie suchen, anstatt weiterhin an die große Liebe zu glauben? Viel zu lange blieb ich regungslos vor der Tür stehen und lauschte dem Vortrag, den Aprils Mutter ihr dort in der Wohnung gerade hielt, so lange, bis ich meinen eigenen Namen hörte. Bis sie mir unterstellte ich hätte ihre Tochter mehrmals hintergangen und würde mich jetzt hinter ihrem Rücken über ihre Blauäugigkeit amüsieren. Hohle Scheiße war das, nicht mehr, und deshalb hob ich auch meine Hand und klopfte mehrmals fest gegen die hölzerne Wohnungstür, mit vor Wut angespannten Muskeln, die allerdings augenblicklich in den Hintergrund rückten, als sich die Tür öffnete und April dahinter erschien, mit einem blau unterlaufenen Auge. Bitte was? Fassungslos sah ich sie an, dann an ihr vorbei, dann wieder in ihr Gesicht. "Was ist passiert?", sprach ich atemlos aus und wieder wechselte mein Blick zwischen ihr und dem Inneren der Wohnung. "War das deine Mutter?"
KILIAN THOMAS CARTER # 40 YEARS OLD # JOE'S BAR
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