RE: LOS ANGELES » SAN FRANCISCO
Unsicher über Jamies präzise Nachfragen sah ich von der Seite kurz in ihr Gesicht, schüttelte dann aber den Kopf, weil ich es selber als so unwichtig erachtete. "Weiß nicht, irgendwann vor ein paar Wochen. Wir haben nur kurz über dich geredet und dann kam das einfach, irgendwie, aber- nicht so wie du denkst. Das macht doch keinen Unterschied." Einerseits wollte ich verhindern, dass Jamie glaubte wir hätten uns hinter ihrem Rücken über ihr unschuldiges Leben amüsiert, andererseits wollte ich auch Lahja nicht dafür in die Pfanne hauen, dass sie mir überhaupt solche persönlichen Details über Jamies Leben verraten hatte, deshalb versuchte ich es mit einem Schulterzucken einfach dabei zu belassen und das Thema so schnell wie möglich abzuhaken. Scheiße, vielleicht hätte ich es einfach gar nicht erwähnen sollen. Ich hätte doch damit rechnen müssen, dass es völlig falsch bei Jamie ankam und sie viel zu viel dort hinein interpretierte. Es hielt mich ja nicht auf eine negative Art von ihr fern, sondern auf eine positive Art. Es ging ja nicht darum, dass sie nicht gut genug für mich war, weil sie keine Erfahrungen hatte. Sondern, dass ich nicht die richtige Person war, um solch erste Erfahrungen zu sammeln. Das hier war doch der leichtere Weg. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie sehr ich Jamie damit verletzen würde, wenn sie begann zu viel wert auf mich zu legen und ich dann einfach irgendwann weiter ziehen würde. Das konnte ich ihr doch nicht antun. Aber für sie war die Sache anscheinend nicht so schnell vergessen, also senkte ich resignierend wieder den Blick und schüttelte erneut den Kopf. "Das hab ich doch überhaupt nicht so gemeint wie du es jetzt darstellst, Jamie. Es ist ja nicht so, dass ich dich- unattraktiv finde. Ich hab dich doch auch nicht direkt weggestoßen, als du mich geküsst hast, oder? Und wenn du nur diese körperliche Beziehung von mir wolltest, dann- hätten wir vielleicht auch kein Problem. Aber diese Gefühle, die du für mich hast- die kann ich nicht erwidern." Verdammt, warum fühlte sich das überhaupt so grauenhaft an das alles auszusprechen? Ich hatte doch sonst keine Probleme damit Distanz zu anderen Personen zu wahren, aber ich wollte Jamie nicht noch mehr wehtun. Nicht nach allem, was sie in der letzten Zeit durchmachen musste. Eigentlich wollte ich doch nur, dass sie sich wieder frei fühlen konnte, aber jetzt saß sie so verbissen neben mir und starrte mit Tränen in den Augen ihre verletzte Hand an, dass ich für einen kurzen Moment tatsächlich infrage stellte, ob es überhaupt richtig war sie von ihrem Vater weg zu holen. Ob sie nicht vielleicht doch noch ein paar Jahre brauchte, um die Stärke zu entwickeln mit dem ganzen Scheiß auch alleine fertig zu werden. "Ich erzähl dir das alles ja nicht, weil ich dich damit verletzen will, Jamie. Es geht dabei auch gar nicht um dich als Person, aber- ich kann das einfach nicht. Ich kann keine Beziehungen aufbauen, weder freundschaftliche, noch- romantische. Oder wie du es nennen willst. Und wenn ich irgendwann tatsächlich verschwinde, dann hat das nichts mit dir zutun und damit, ob ich dich mag oder nicht. So bin ich einfach nicht und eigentlich dachte ich, das wüsstest du. Ich kann nicht das sein, was du brauchst."
AUGUSTUS EVANS # 25 YEARS OLD # HOMELESS
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