RE: LOS ANGELES » SAN FRANCISCO
Ganz egal wie man es auslegte, Jamie und ich waren nicht richtig füreinander und deshalb nickte ich über ihre Worte auch abschließend, aber ich hatte es noch nicht einmal geschafft den Kopf zur Seite zu drehen, um mich mit der Landschaft dort draußen abzulenken, als sie mir doch noch widersprach. Allein das war schon etwas völlig Neues. Normalerweise klebte sie regelrecht an meinen Lippen und sog alles in sich auf, was ich sagte. Wenn ich mich recht erinnerte, dann war es noch kein einziges Mal vorgekommen, dass sie etwas dagegen zu sagen hatte. Bis jetzt. Aber nicht nur diese Tatsache an sich überforderte mich, sondern vor allem die Dinge, die ihren Mund verließen. Sie hörte mir gerne zu. Sie mochte und teilte meine Überzeugungen. Es ging um mich, um mich als Mensch, und nicht darum, ob ich ihr half oder nicht. Zumindest glaubte sie das. "Manchmal ist das schwer zu unterscheiden-", begann ich, doch ich merkte an der Unruhe in meinem Körper, dass ich mit der Situation völlig überfordert war. Eigentlich hatte ich mit Jamie immer so sachlich reden können, über alles, und auch jetzt wollte ich ihr so gerne erklären, weshalb das nicht richtig war, aber- ich fand nicht die passenden Worte. Ich war es nicht gewohnt in der Art über mein Leben zu reden. Was stattdessen aus meinem Mund kam war ein zusammenhangloses Gestammel. "Jamie, ich- das funktioniert einfach nicht, okay? Ich bin nicht gut darin- in diesen zwischenmenschlichen Beziehungen, das liegt mir nicht. Ich meine nicht nur als- Paar, sondern auch Freundschaften. Das alles. Das gehört einfach nicht zu mir. Und ich weiß von Lahja, dass du- nicht viele Erfahrungen hast. Was das angeht. Und wenn das auch dein erster Kuss war, dann- ich bin einfach nicht der Richtige, okay? Ich will dir nicht wehtun und ich will dich auch nicht enttäuschen, also- belassen wir es einfach dabei, ja?" Ich verstand nicht, weshalb mein Herz plötzlich so raste und ein unangenehmes Kribbeln von meinem Bauch aus in den ganzen Körper über ging, aber auch das war auf einmal vergessen, als mir das rote Blut in Jamies Hand auffiel und ich geschockt die Augen aufriss. "Scheiße, pass doch auf!", presste ich zwischen den Lippen hervor, für meine Verhältnisse wieder viel zu forsch und zu laut. Mein Herz schlug auf einmal noch schneller, als zuvor. "Ist der Schnitt tief?" Schnell, aber vorsichtig, nahm ich Jamie das Messer ab und weil sie definitiv zu lange in ihren Sachen herum suchte, zog ich aus meiner Tasche einfach ein weißes Top heraus, nahm Jamies Hand in meine und drückte es fest auf die Wunde. Auch das jetzige Gefühl war mir unbekannt. Natürlich half ich, wenn sich jemand verletzte, aber weshalb wurde ich fast wütend auf Jamie, weil sie - tollpatschig wie sie nunmal war - nicht auf sich aufpassen konnte?
AUGUSTUS EVANS # 25 YEARS OLD # HOMELESS
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