JOE'S BAR

[Kilian Thomas Carter]

Unwillkürlich schlug ich den Blick wieder nach unten, als Summer sich bei mir entschuldigte, denn ja, natürlich erinnerte sie mich dadurch an das, was eigentlich zwischen uns stand. Ich konnte so etwas nicht leicht vergeben, das wusste sie als eine meiner besten und längsten Freundinnen ebenso gut wie ich, deswegen verdrängte ich diese Auseinandersetzung für den heutigen Abend viel eher. Summer war vermutlich auch bewusst, dass ich sie noch mehrmals auf ihren Vertrauensbruch stoßen würde, dass ich nicht müde wurde sie immer wieder daran zu erinnern, wenn es mir in den Kram passte. Und dann, irgendwann, würde ich es vielleicht wirklich vergessen. Bis dorthin mussten wir aber noch einen langen Weg gehen und der erste Schritt bestand daraus, dass ich einfach den Kopf schüttelte, das Thema für den Abend von mir schob und mich lieber auf die guten Zeiten zwischen uns konzentrieren wollte. Auf all die Abstürze, die wir gemeinsam durchlebt hatten, zum Beispiel. Deshalb holte ich auch bereitwillig eine Flasche Whiskey hervor, stellte zwei Gläser auf der Theke ab und schob Summer wieder auf ihren Platz zurück, damit ich mich neben sie setzen und uns beiden einschenken konnte. Die paar Gäste, die sich in der Kneipe befanden, bediente ich zwischendurch immer wieder, aber ebenso sehr beschäftigte ich mich auch damit meinem Körper immer mehr Alkohol zufließen zu lassen, immer wieder mit Summer anzustoßen und dabei auch langsam neben ihr aufzutauen. Anfangs lachte ich noch eher angespannt über gemeinsame Erinnerungen an früher, aber etwas später, als wir schon die halbe Flasche gemeinsam geleert hatten und sich nur noch ein Gast im Raum befand, war ich so betrunken, dass ich tatsächlich all meinen Groll einfach verdrängte. Wir schwelgten in Erinnerungen, amüsierten uns über Jugendstreiche, mir gelang es sogar über unsere Affäre zu scherzen und irgendwann wurde ich so nostalgisch, dass ich ein wenig verzweifelt meinen Kopf schüttelte. "Weißt du, Summer, manchmal vermiss ich das. Uns. Mit uns war alles immer so einfach, oder? Es hat einfach funktioniert, da war nie zu viel Druck, zu viele Erwartungen, zu viel Stress. Das war einfach gut. Und der Sex war gut. Herausragend. Manchmal fehlt mir das. Nicht nur der Sex, meine ich, sondern einfach- alles." Kopfschüttelnd blickte ich zu ihr herüber. Man hörte den Alkohol nicht nur in meiner Stimme, sondern sah ihn definitiv auch in meinen Augen, die auf einmal an ihrem schönen Gesicht hängen blieben.