RE: SCARLETT
Sky verstand das nicht, als er sich einen Schritt von ihr entfernte. Sie sah ihn mit Ratlosigkeit im Blick an, als er ihr sagte, sie sollte sich ausruhen. In ihrem Kopf ergab das weder Sinn noch stand das in einem Zusammenhang, mit dem, was sie kannte und es sah wirklich so aus, als könnte sie rein gar nicht nachvollziehen, was er gerade tat und sagte. So perplex und überfordert schaffte sie gar nicht etwas zu tun, als er begann ihren Körper behutsam abzutrocknen. Ganz anders, als er sie eben angefasst hatte. Sie sah auf seine Hände, die die dunkelroten Striemen an ihrem Körper von dem Wasser befreiten, die er ihr mit dem Gürtel oder der Schnalle zugefügt hatte. Als sie in den Spiegel aufsah und ihr Gesicht das erste mal betrachtete, stockte ihr der Atem und sie fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Schwellungen und Wunden an ihrer Wange. Als vergewissere sie sich, das es wirklich sie war, die vor dem Spiegel im Badezimmer stand. Ihre Augen füllten sich abermals mit Tränen, teils wegen der Überforderung der jetzigen Situation und des ganzen Tages und Teils, weil sie die letzten Jahre von niemandem mehr so zugerichtet worden war. Ihr Bruder hatte das zu beginn oft getan, um sie gefügig zu machen, als sie sich noch gewehrt hatte. Als in ihr eine gesunde Mischung aus Sky und Scarlett wohnte, nicht nur einer in der Lage war, die Macht zu übernehmen. Sie müsste schlafen? Sie stellte seine Anweisung nicht in Frage sondern nickte einfach nur aber als er vor ihr kniete und sogar an ihren Füßen angelangt war, konnte sie nicht anders. Auch wenn sie sich schämte, ihn einfach so zu Fragen und wenn sie Angst hatte, einfach so die Stimme zu erheben und vielleicht etwas falsches zu sagen, was ihr Schmerzen einbringen konnte, kam die heisere Stimme ganz dünn aus ihr heraus „ Warum tust du das, wenn du... keinen Sex willst? Ich verstehe das nicht.“ Sicher sah sie in ihrem alter Paare und hatte das auch immer getan. Beziehungen zwischen zwei Menschen die auf anderen Werten beruhten aber das waren nicht ihre Werte. Das galt nicht für sie. Als Chris fertig war, sah sie zu der Tür des Badezimmers und stützte sich am Waschbecken ab, an der Wand, an den Türrahmen, um nicht hinzufallen. Jeder Schritt schmerzte so, dass sie die Luft anhalten musste und immer wieder gepresste Laute aus ihr heraus kamen, wenn der Schmerz sie übermannte. Im Schlafzimmer angekommen öffnete sie den Kleiderschrank, es gab zwei Seiten, eine für Sky und eine für Scarlett. Skys Kleidung war aufreizend, war für die Arbeit. Scareletts Sachen waren normal, für den Alltag, wenn sie ihre Tochter sah. Weil zu viel Stoff auf der Haut ihr aber nur mehr Schmerz bereiten würde, sie sich am liebsten gleich ganz ohne Kleider hingelegt hätte, nahm sie ein kurzes Wäschehemd heraus, dessen Stoff ganz dünn und fein war. Auch wenn jede normale Frau sich nun vor Chris verteckt hätte, verkrochen in einem riesen Shirt, versuchen würde ihre Haut zu verdecken, konnte sie das nicht – nicht solange noch ein Mann anwesend war. Sie ließ sich dann nie gehen. Es ging sogar noch einen Schritt weiter, er wollte ihre Wunden versorgen und sie würde nicht wiedersprechen also stützte sie sich auf dem Bett ab, als sie aus dem Schränckchen daneben die Salbe herauszog. Die lag bei ihr immer in der Nähe, wegen der Wunden durch die Einstiche alleine schon. Sie blieb ohne Kleidung vor ihm stehen und reichte sie ihm einfach, stumm. Skys Herz hatte soeben einen stich bekommen, als sie das Bild ihrer Tochter angesehen hatte, war ihr klar geworden, sie würde sie nicht sehen können, bis alles sichtbare wieder verheilt sein würde. Das raubte ihr gerade die letzten Kräfte, als habe man ihr wieder etwas angetan, rannen die Tränen über ihre Wangen und ein leises Schluchtzen konnte sie nicht unterdrücken, wenn sie Chris daraufhin auch gleich entschuldigend ansah.
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