RE: LOS ANGELES » SAN FRANCISCO
Es amüsierte mich wie sehr Jamie sich über das Erfolgserlebnis eines gelungenen Sprunges freuen konnte und am liebsten hätte ich sie damit etwas aufgezogen, auch um die gute, losgelöste Stimmung zwischen uns endlich wieder herzustellen, aber dafür blieb keine Zeit, denn als wir auf den Anbau kletterten und von dort nach unten auf den Boden, hörten wir bereits die Stimme ihres Vaters in der Wohnung. So schnell wir konnten liefen wir los, durch einige Gärten hindurch, so lange, bis wir völlig außer Atem waren und uns sicher sein konnten, dass ihr Vater uns nicht gefolgt war. Trotzdem hielten wir uns von da an lieber abseits der Hauptstraßen, kämpften uns gemeinsam durch die Wohnviertel vor bis hin zur Brücke. Jamie sammelte hier ihre Gitarre ein, ich nahm meinen Rucksack und verstaute darin meine wichtigsten Habseligkeiten. Wir wussten noch nicht, wo wir hingehen würden und wie lange wir weg wären, aber ich kannte dieses Leben. Ich nahm das mit, was ich dringend brauchte, und den Rest - unwichtigere Dinge - stellte ich am Rande der Brücke an die Wand und legte die Matratze darüber. Wenn ich zurückkam, dann wären meine Sachen vermutlich noch hier, und wenn nicht, dann war das auch in Ordnung. Ich lebte in den Tag hinein, ich plante nichts. Eigentlich war ich mit dieser Stadt noch nicht durch und eigentlich war das hier kein geplanter Abschied, aber ich würde dem auch nicht hinterher trauern, wenn es sich tatsächlich herausstellen würde, dass ich nicht noch einmal zurück kam.
Als Nächstes riefen wir mit Jamies Handy bei Matt an. Auch wenn ich der Meinung war das wäre eine dumme Idee, weil ihr Vater dort doch sicher als Erstes nach ihr suchen würde, bestand Jamie darauf ihrem Halbbruder Bescheid zu sagen, ihn noch einmal zu sehen und mit ihm reden zu können. Sie bat ihn sich aufmerksam umzusehen und nur, wenn er sich sicher war, dass ihr Dad ihm nicht auf den Fersen hing, zu genau dieser Telefonzelle zu kommen. Jamie setzte sich daraufhin an eine Häuserwand und wartete, ich sagte ich würde schnell etwas besorgen und verschwand in einem dieser großen Supermärkte, um dort ein paar Dinge mitgehen zu lassen, die wir eventuell brauchen könnten. Obst, Getränke, was zum Knabbern. Nur ein wenig Proviant. Jamie nahm ich bewusst nicht mit, denn gerade jetzt konnten wir doch nicht riskieren erwischt zu werden, das würde sie schneller wieder zu ihrem Vater zurück bringen als ihr lieb war. Mit all den Dingen in meinem Rucksack ging ich wieder zu ihr zurück und konnte schon von Weitem sehen, dass Matt bereits da war und mit seiner Halbschwester sprach. Die beiden hielten sich aber kurz, Matt versprach niemandem etwas zu sagen und Jamie sagte ihm zu, dass sie sich bei ihm melden würde, wenn sie irgendetwas brauchte. Zum Schluss drückte er uns beiden noch 50$ in die Hand, sagte wir sollten uns davon ein Busticket kaufen, aus der Stadt raus, so weit wir eben kamen und genau das taten wir auch. Wir gingen zur nächsten Busstation an den Ticketschalter, erkundigten uns nach den Preisen und ließen uns zwei One-Way-Tickets verkaufen, die uns bis nach San Francisco bringen würden. Dort käme Jamies Vater mit Sicherheit nicht hin. Auf dem Boden sitzend, an unser Gepäck gelehnt, warteten wir, dass der Bus vorfuhr, stiegen dann ein, gingen durch den Gang bis ganz nach hinten und ließen uns dort auf die Sitzbank fallen, erschöpft von der ganzen Aufregung. Ich sank direkt tief in den Sitz, schob mir die Kaputze herunter und lehnte meinen Kopf gegen die Lehne hinter mir. "Und?", fragte ich, sah von der Seite in Jamies Augen, versuchte den Blick darin zu deuten. "Gehts dir immer noch gut mit deiner Entscheidung? Willst du immer noch böses Mädchen sein?"
AUGUSTUS EVANS # 25 YEARS OLD # HOMELESS
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