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STRAßENSTRICH
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Apple Jean White
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Beitrag #31
RE: STRAßENSTRICH
Sie war sich noch nicht ganz sicher, dass richtige zu tun aber da sie ihren schlafplatz ohnehin öfter wechselte, um von der Polizei unentdeckt zu bleiben und auch vor ungebetenen Gästen, hob sie die Schultern an. " Etwas abseits habe ich eine Brücke gefunden... unbewohnt sonst. Es ist ein Stück zu laufen." Für sie machte das ja nichts, was hatte sie zu tun? Wem musste sie Rechenschaft ablegen, wann oder wo oder wie sie irgendwo ankam? Es interessierte niemanden mehr. Doch - Auch nachdem die Lüge aufgeflogen war, schien Noah sich noch immer für ihr Wohlergehen zu interessieren. Nur warum konnte Apple nicht nachvollziehen. Er wollte weder Sex noch Geld von ihr, er war nicht ein Familienmitglied von ihr, wie Chris es gewesen war und hatte so eine Bindung oder Verantwortung ihr gegenüber. Also was hatte es damit auf sich? Bei jemandem, der immer Einzelgänger und auch Einzelkämpfer gewesen war, war das Freundschaftsprinzip neu. Haily und Noah hatten sich Mühe gegeben, ihr zu zeigen, was es bedeutete aber so schnell konnte man so eine emotionale Herzensangelegenheit nicht erlernen und anwenden und begreifen. " Du... hattest angst? Ich habe dich... belogen aber nicht nur... das... Da kannte ich dich noch gar nicht..." verzweifelt begann sie sich erklären zu wollen, es schien aber besser, sich erst einmal zu sammeln. Dankbar nahm sie sein Angebot deswegen an, das zu verschieben aber nicht erst auf irgendwann, dass ging nicht. Sie musste das doch klären. " S... Später, okay? Nicht hier und nicht jetzt." Weil ihr Handy on der Hand schon wieder vibrierte und weil diesmal fest stand, wie der abend weiter ging, hob sie es an, um den grünen hörer zu drücken, um mit joker den treffpunkt auszumachen. Weil Nichts mehr davon abhängig war - wie der Prozess, weil sie nicht die Kraft dazu hatte, ihn zu belügen, sah sie Noah schon fast entschuldigend an. " Ich hab das... das mit der Musik echt versucht aber ich... es hat nicht geklappt und nach drei Tagen hatte ich so einen Hunger... das... das hier kann ich halt. Im schnorren habe ich immer schon versagt. Am ersten Abend habe ich getrunken... ich wollte das nicht machen..." Sie senkte den Blick, weil der Augenkontakt schmerzte. "...ich wollte nicht anschaffen gehen. Hab es aber doch getan, angetrunken... ich habe den Blick momentan nicht, zu checken ob der... der mann in Ordnung ist. Ich... ich hab so viel anderes in kopf und dann... bin ich deswegen zwei mal um mein Geld gebracht worden." Apple zog die Schultern hoch, sparte sich die Einzelheiten der Tat. Es änderte nichts. " Dann habe ich Panik vor der Polizei. Ich weiß nicht was... die oder kriminelle über mich wissen. Chris wollte mich raus halten aus seinen Geschäften aber sein Chef fand das unsicher. Nicht nur er sondern auch andere... die für seinen Boss arbeiten hatten ein Auge auf mich, was ich mache... was, wenn die das noch immer als gefährlich empfinden? Was machen die dann? Ich kann nicht wieder ins heim... nein... und das war einer der Gründe warum er mich bei dir abgeholt hat. Chris. Er wollte mich beschützen, vor allem..." Ja, denn Noah wusste zumindest, dass er auch alles schlimme, was es für sie in der Welt gab, zum schweigen gebracht hatte. Auch den Mann der ihr zu nahe gekommen war und sie davor diese schlampe, die ihren Papa nicht verdient hatte. " Ich brauche Schutz im Moment und das... Das war... War mein Zuhälter. Ich... ich bringe ihm das Geld, du...Du wartest hier? Kaffee trinken und mit einem anderen männlichen Wesen zusammen zu sein, das wünscht.... sich kein Zuhälter und ich will keinen Ärger. Bitte." Noch immer konnte sie ihn nicht ansehen sondern fixierte ihre Finger, in denen sie das Handy drehte.
11.07.2016 17:55
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Noah Scott
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Beitrag #32
RE: STRAßENSTRICH
Unsicher betrachtete ich Apples Gesicht, als sie das Telefonat diesmal annahm und mit irgendwem in der Leitung einen Treffpunkt vereinbarte. Drogen waren meine erste Assoziation, aber nein. Nein, das passte nicht zu Apple und sie wäre auch nicht so dumm ihr unfassbar hart verdientes Geld zum Fenster hinaus zu werfen. Für einen Rausch. Dass dieser Mann am Telefon ihr Zuhälter sein könnte, darauf kam ich von selber jedoch nicht. Nein einmal während ihrer langen Einleitung, während sie mir erklärte welche Ängste sie noch haben musste und wie sich der Verlust von Chris auch auf ihre Vorsicht auswirkte. Erst ganz zum Schluss, als sie das Wort Zuhälter tatsächlich in den Mund nahm, da ergab das alles einen Sinn und zeitgleich wurde mein Gesicht ganz bleich, der Ausdruck darin fassungslos. "Du arbeitest für jemanden? Seit- seit wann?" Erschrocken und ängstlich klang meine Stimme, mein Körper verspannte sich und mit ruhelosem Blick versuchte ich in Apples Mimik zu erkennen, was sie dazu gebracht hatte so dumm zu sein. Schutz, okay. Die Sicherheit hatte ich vielleicht verlockend angehört, aber- fuck! Mein Herz schlug unangenehm schnell, als ich mich an Lahja und Brooke erinnerte, an die Drogengeschäfte und vor allem daran, dass die rothaarige Frau sie nicht gehen lassen wollte. Es war gefährlich sich jemandem zu untergliedern, verdammt, vor allem wenn es dabei um illegale, aber äußerst lukrative Geschäfte ging, und eigentlich wollte ich Apple vorwerfen wie dumm und kurzsichtig das war, aber stattdessen- sagte ich einfach nichts. Ich betrachtete nur noch einmal ihr Gesicht, mit zusammen gepressten Kiefern, und nickte dann ganz langsam, zaghaft, denn wenn sie eines nicht gebrauchen konnte, dann auch noch Angst vor dem Mann, der ihr im Moment ein sicheres Umfeld bieten sollte. "Okay. Ich- warte hier. Hast du genug Geld? Damit er zufrieden ist?" Nicht dass ich ihr noch etwas hätte geben können, sie hatte schon alles von mir, aber ich wollte mich vergewissern, dass ihr nichts passieren würde. Erst danach stand ich auf, trat einen Schritt zur Seite und ließ Apple aus der Bank hinaus. "Sei vorsichtig, ja? Und wehe du kommst nicht zurück. Wenn du abhaust, finde ich dich sowieso wieder." Ganz schwach hob ich meine Mundwinkel zu einem zaghaften Lächeln, nickte ihr noch einmal zu und setzte mich dann wieder hin, um erst mehrmals die warme Tasse Kaffee zwischen meinen Händen zu drehen und dann doch, nach und nach, ein paar Schlucke davon zu trinken.
12.07.2016 09:47
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Apple Jean White
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Beitrag #33
RE: STRAßENSTRICH
Sie machte das nun schon seid viel zu langer Zeit, sich für Geld zu verkaufen und deswegen verstand sie auch Noah´s Sorge. Deswegen sah sie doch auch so beschämt von ihm weg aber was hatte sie denn tun sollen? Seid dem Tod ihres Vaters fühlte sie sich so zerbrochen und eigentlich... eigentlich auch Perspektivlos. „ Ich... ich weiß, dass ist nicht gut und man kommt da so schnell nicht wieder raus aber... ich wollte nur warten, bis ich was gespart habe um dann... irgendwohin zu gehen. Weg von hier und weit genug, dass mich der Zuhälter auch nicht findet. Ich hasse es... etwas von dem Geld abzugeben aber ich hasse es auch, mich von den Schweinen über´s Ohr hauen zu lassen.“ Diese vagen Pläne ließen nur auf ein Mädchen schließen, was nicht wusste, wohin es sollte und dem auch einfach die Mittel fehlten. Das Joker diese Raube selbst Inszeniert hatte, um Apple an sich zu binden, dass konnte hier auch noch wirklich keiner der beiden Ahnen. Als sie sich aufgerichtet hatte, als er sie fragte, ob sie genug Geld hatte, nickte sie zaghaft. „ Ja – deswegen... deswegen habe ich dein Geld angenommen. Sonst hätte ich...“ Sie brach ab, weil das einfach nicht hier her gehörte, so Detailliert mit ihm über ihren Umsatz zu sprechen. Das war schon alles schwer genug, besonders seid dem sie gehört hatte, was sich Noah für Gedanken gemacht hatte – es verunsicherte sie. Hätte sie das Spiel nicht noch etwas weiter spielen können? Dann müsste sie sich nun niemandem erklären aber auf der anderen Seite war da auch der Blick in seine Augen, der Dank beinhaltete, den sie sich nur nicht eingestehen konnte. Deshalb überspielte sie das mit einem Lächeln, einem Schulterzucken. „ Du bist... ganz schön Hartnäckig – ich komme lieber wieder.“ Das er ihr nicht egal war, hatte sie schon damit bewiesen, dass sie sich erklärt hatte, warum sie Überhaupt sein Geld genommen hatte. Sie hätte das auch einfach stillschweigend unter den Tisch fallen lassen können. Verdammt. Mit diesen Gedanken im Kopf, die sich immer wieder in verschiedene Richtungen entwickelten, drehte sie sich herum und verließ das Café.

Es dauerte etwa fünfzehn Minuten, die Noah auf sie warten musste. Derweil hatte er eine Nachricht von Lahja bekommen, mit dem Inhalt, er sollte sich Zeit lassen und das er sich melden sollte, wenn er Hilfe oder einfach nur sie brauchte. Das war gar nicht so einfach weg zu stecken, dass konnte er sich denken aber Lahja schrieb auch, dass sie sich freute, dass er nun die Chance hatte, seine offenen Fragen zu stellen und das er daran auch festhalten sollte. Je nachdem, wie man das Interpretierte, könnte man etwas Wut auf das Mädchen – Apple - herauslesen, was Noah so hintergangen hatte aber so wie Lahja sich entwickelte, könnte man auch nur meinen, sie hatte Sorge um ihn. So war das mit den Textnachrichten, es blieb immer ein wenig Spielraum – Worte ohne Betonung, Mimik und Gestik zu lesen.

Als sie wiederkehrte, setzte sie sich nicht erneut zu ihm sondern wollte lieber die Distanz zu diesem Ort schaffen. Sie musste ihn auch darum nicht besonders bitten, als die beiden dann ihr Nachtlager als Ziel anstrebten. Auf dem Weg kam Apple kaum etwas über die Lippen. Lediglich an einem Fitness-Studio, wo sie duschen wollte, was auch nicht schwer für Noah nachzuvollziehen war und an einem Supermarkt, machten sie einen Zwischenhalt. Das Geld, was sie hatte, investierte sie in ein paar Lebensmittel, die nicht schnell schlecht wurden und sie bat ihn, eine Flasche Schnaps zu besorgen. Apple bekam die meist nicht verkauft. Das half um einiges mehr und hielt sich besser, als Bier. Warum? Das würde sie ihm hoffentlich nicht Erklären müssen, auch sie wühlte der Besuch von ihm auf. Als sie unter der Brücke angekommen waren, zog sie den Schlafsack aus den Streben, zwischen den sie ihn geklemmt hatte und dahinter waren ein paar Klamotten. Sie legte sich einen Zipper um die Schultern, rollte den Schlafsack vor der kleinen Feuerstelle aus und bot Noah den Platz an. Man konnte hier deutlich sehen, wie minimalistisch sie lebte aber auch wie alleine. Außer das gelegentliche ruckeln eines Autos, war hier nichts und bis zum Fluss war nur ein wenig Sand und Steingemisch. Apple hatte ewig einfach nur auf das fließende Wasser gestarrt. „ Da... sind wir.“ Unnötig sprach sie damit aus, das Ziel erreicht zu haben aber eventuell auch nur, um das trockene Brot, von dem sie den letzten Bissen genommen hatte, mit dem Schnaps herunter zu spülen – und das trinken damit zu eröffnen. Apple war jedoch auch noch sie, wie hatte sie davon gesprochen, wie sie Menschen fand, die sich nur mit Substanzen betäubten? Deshalb zierte sie sich noch etwas, schob unnötig hier und da etwas ihrer wenigen Habseligkeiten hin und her, bis sie dann doch neben Noah ihren Platz fand. Er konnte noch immer an ihrem Gesicht sehen, wie verspannt sie war, wie viel Sorge, Trauer, Wut und Angst da in dem Gesicht einer siebzehnjährigen sein konnte. Wie die mit der Beherrschung einen Krieg führte, nicht wieder weinen zu müssen. Das beste war es, nun eben nicht über Chris zu sprechen – also holte sie Luft, als sie ihre Arme um die angewinkelten Knie geschlossen hatte. „ Ich... habe damals die Anzeige gegen meinen Dad gefunden. Ich hatte Angst, dass er... er ins Gefängnis muss. Also habe ich... Lahja gesucht und gefunden. Dich habe ich... dann auch gefunden und... als... das Treffen, das war kein Zufall. Ich wollte, dass wir uns über den Weg laufen und deshalb habe ich wegen dem Namen gelogen und dem Alter. Mein... mein Leben... das habe ich dir verschwiegen, weil ich darüber nicht sprechen wollte, dass ist wahr aber meine Daten... das war... damit du nicht raus bekommst, wer ich bin und... und wer mein Vater war. Ich habe nicht... nicht verstanden, wie du... ihr Glauben kannst und... ob sie dich auch manipuliert. Da waren so viele Fragen – weil... weil du bist so gut... anders, als jeder Mensch, den ich kennen gelernt habe...“ Apple strich sich eine Strähne hinter ihr Ohr. „...als du mich mit genommen hast, nach San Francisco und... auf dem Konzert auf dem Dach... das alles... das war nicht... nicht gelogen. Von meiner Seite nicht gelogen.“ Der Schmerz über die Ablehnung saß noch immer tief und Chris hatte ihre Abneigung gegen ihn nun einmal geschürt. „ Trotzdem war das falsch. Das... war von Anfang an einfach ein... eine... dumme Idee.“ Mit beiden Fingern fuhr sie sich durch die Haare und legte das Kinn auf ihren Knien ab. „ Das... das wolltest du doch... doch Wissen, oder?“ Hier sah sie auch so viel natürlicher, ehrlicher und jünger aus, als eben noch auf der Straße.
12.07.2016 23:45
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Noah Scott
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Beitrag #34
RE: STRAßENSTRICH
Wenn man in einem besetzten Haus lebte, inmitten von Hippies und Landstreichern, dann bekam man ganz automatisch die verrücktesten Geschichten zu hören. Von Menschen, die jahrelang nur mit einem Rucksack durchs Land gezogen waren, und Punks, die wochenlang auf einer Bank im Park schlafen mussten. Auch ich hatte da in meinem Leben schon so einiges durchgemacht und nicht immer ein eigenes Zimmer oder gar ein Dach über dem Kopf besessen, deshalb konnte mich der Anblick von Apples Nachtlager auch nicht schockieren, aber belasten tat es mich trotzdem. Weil ich wusste, dass sie hier eigentlich nicht sein wollte. Sie zog diese Brücke vielleicht einem Leben im Heim vor und sie hatte ich diesen Ort selber ausgesucht, aber ich sah doch in ihren Blicken und in ihren Bewegungen wie sie sich dafür schämte und wie unwohl sie sich eigentlich hier fühlte. Lieber wäre sie jetzt wieder in der Wohnung von Chris, unter seiner schützenden Hand, in dem weichen Bett, das er nur für sie gekauft hatte, das dort in ihrem eigenen Zimmer stand. Das gab es jetzt nur nicht mehr. Mit dem Tod ihres Vaters hatte man ihr auch ihr gerade erst lieb gewonnenes Zuhause genommen und stattdessen war Apple jetzt hier, unter einer Brücke, mit nicht viel mehr bei sich als ein paar wenigen Klamotten und einem Schlafsack. "Wenigstens hast du es hier ruhig", sprach ich leise aus, mit einem schwachen, ermutigenden Lächeln auf den Lippen, denn sie war weit genug aus der Stadt heraus gezogen, um sich diesen sicheren Schlafplatz nicht mit anderen Obdachlosen teilen zu müssen. "Und warm." Mit einem dankbaren Nicken setzte ich mich auf den ausgerollten Schlafsack, um in der Feuerstelle ein paar Hölzer aufzustapeln, die noch daneben lagen, und mithilfe von ein wenig Papier, Birkenrinde und meinem Feuerzeug die Flamme zu entfachen. Immer wieder stocherte ich mit einem langen, schmalen Ast darin rum, so lange, bis Apple sich neben mich setzte, die Beine eng an ihren Körper zog und unaufgefordert all meine offenen Fragen beantwortete. "Du musst nicht-", wollte ich am Anfang noch kopfschüttelnd eingreifen, um ihr noch einmal zu verdeutlichen, dass ich nicht nur deswegen hier war und dass ich es verstehen würde, wenn sie sich gerade nicht mit meinen verletzten Gefühlen auseinander setzen wollte, aber sie tat es trotzdem. Vielleicht, weil das immer noch besser war, als über ihren Vater zu reden, vielleicht aber auch, weil sie diese Anspannung zwischen uns genauso belastete wie mich. Genau deshalb sah ich aber auch durchgehend in ihr Gesicht, während Apple sprach: Um erkennen zu können, ob sie diesmal tatsächlich die Wahrheit sagte. Auch ich winkelte dabei meine Beine ein, legte die Arme darauf ab und rieb mir immer wieder angespannt über die Schienbeine oder meine Knie, bis sie am Ende ihrer Erklärung angekommen war und ich das alles erst einmal sacken lassen musste. Das erste Treffen, das hatte sie also ganz bewusst provoziert. Sie war mir gefolgt, anscheinend, und hatte mich dann unter einem falschen Vorwand angesprochen. Um etwas über Lahja herauszufinden. Okay. Das war- okay. Oder? "Wann- wann haben sich die Dinge geändert?" Angespannt klang meine Stimme noch immer und auch meine Emotionen hatte ich noch nicht ordnen können, als ich Apple wieder in die Augen sah. "Ich meine, auf dem Dach zum Beispiel, nach dem Konzert, als wir weggefahren sind, bist du da mit mir gekommen, weil du- weil du mehr über Lahja erfahren wolltest und weil du dir erhofft hast, dass ich irgendetwas sage, das du gegen sie verwenden könntest, oder- oder war das wegen mir? Wegen uns? Weil du das einfach- wolltest? Und- der Kuss, am Strand, hatte das irgendetwas mit der Anzeige gegen Chris zutun? Dachtest du, dass ich dir dann eher vertraue? Gab es- irgendwann einen Punkt, während der ganzen Zeit, die wir zusammen verbracht haben, an dem das alles keine Rolle mehr gespielt hat? Oder hast du bis zuletzt immer wieder daran gedacht und immer wieder darauf gehofft, dass du irgendwann irgendetwas von mir erfährst, womit du deinem Vater helfen kannst?" So schwer es auch war - dass Apple Lahja schon wieder der Manipulation beschuldigte und ihr noch immer vorwarf zu lügen, das ließ ich völlig unkommentiert. Weil ich noch immer nicht wusste, ob und wie ich mit Apple darüber sprechen sollte.
13.07.2016 15:45
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Apple Jean White
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Beitrag #35
RE: STRAßENSTRICH
Noah wusste schon aus ihren Erzählungen, dass sie es schon immer vorgezogen hatte, alleine zu schlafen und sich nicht mit anderen, obdachlosen Jugendlichen zusammen tat. Apple fehlte das Vertrauen in die Menschen, was den jahrelangen Lügen in ihrem bisherigen Leben geschuldet war. Man konnte es darin sehen, wie wenig Mimik sie zuließ, wie wenig Empathie sie mit den Menschen und ihrem direkten Umfeld hatte und das führte zu dieser kühlen, abweisenden Aura, die auch Noah fast verscheucht hätte. Ein für alle mal. Nur jetzt gerade, da saß einfach ein junges Mädchen neben ihm, was das Gefühl hatte, so tief gefallen zu sein, wie noch nie in ihrem Leben zuvor und das steckte nicht einmal jemand wie Apple einfach weg. Jemand, für den die zwischenmenschlichen Beziehungen, ein Buch mit sieben Siegeln waren. Das sie lieber darüber sprach, was zwischen den beiden stand, lag doch einfach daran – sie hatte über Chris nichts zu sagen. Da gab es nichts, was sie ihm hätte groß eröffnen können. Ihr Vater war... derjenige gewesen, an den sie sich hatte klammern können und nun war er weg. Von dem Freund ihrer eigentlich besten Freundin zu Tode geprügelt. Damit verlor sie auch das Dach über dem Kopf, ihre Hoffnung sich nie wieder einem Mann auszuliefern, das Essen, die Kleidung und ihr fehlte sogar die Schule. Es waren die Sorgen, die ein Mädchen in ihrem Alter eigentlich gar nicht haben sollte, die er ihr genommen hatte und nun waren sie alle wieder zurück. Darüber musste man jedoch nicht groß Sprechen, das war einfach so und sie fand sich besser heute als morgen damit ab – wenn sich das nur so leicht lenken ließe.
Als Noah begann, seine Fragen zu stellen, betrachtete sie, ganz ruhig, sein Gesicht. Als stünde dort die Antwort geschrieben, sah sie auch noch danach stillschweigend in seine hübschen Augen – so lange, bis sie es nicht mehr ertrug. Als sie in ihrem Kopf durchgegangen war, wann sich etwas in ihr geändert hatte. „ Du siehst... das nur schwarz und weiß. Das geht so aber nicht.“ Fand sie ihre Stimme wieder, mit einem Kopfschütteln untermalte sie diese Aussage. „ Natürlich war Chris und die Sorge, dass er ins Gefängnis muss, immer da – wie würde es dir denn damit gehen? Versetz... versuch einmal, dich da rein zu denken. Ich weiß, du Glaubst Lahja aber... probier das einfach, kurz. Ich habe ihn gefunden – auf dieser riesigen Welt, dabei dachte ich, er will mich nicht... Er war der einzige in meiner Familie... der mich nicht angelogen hat. Im Gegenteil, er wurde in dem Glauben gelassen, ich sei Tod und... dann hast du diesen Menschen unter... keine Ahnung wie viele es gibt... wieder gefunden und er soll ins Gefängnis? Dort, wo ich ihn nicht mal hätte besuchen können, weil die mich sonst sofort ins Heim gesteckt hätten. Er wollte... das beste für mich, dass es mir gut geht und... ich will nicht... nicht Streiten jetzt... egal, wer nun was getan hat oder auch nicht... natürlich ist da dieses Gefühl, wie ich ihm helfen kann, damit man ihn mir nicht sofort wieder wegnimmt. Auch noch, als er mich rausgeworfen hatte.“ Das war Sicher nicht das, was Noah hatte hören wollen aber wenigstens war das nicht gelogen. Apple strich sich über ihren Nacken, denn die Antworten an ihn waren da auch noch offen, die eben nicht ihren Vater sondern die beiden betrafen. „ Lahja war... war so anders als du es bist. Irgendwann hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass ich etwas herausfinde über dich weil... du würdest niemanden so bloßstellen. Viel mehr hatte ich das... das Gefühl, du... bist schon... zu gut und deswegen Glaubst du ihr. Weil sie sich immer auf dich verlassen kann...“ Oh, wie sich Apple davor drückte, über ihre eigenen Gefühle zu sprechen. Man sah, wie sie das quälte, als sie sich den Schnaps zu sich nahm und noch mehr in sich zusammen kauerte. „ Du warst... so gut zu mir, so lieb... ich konnte... so viel von dir lernen, du hast mir so viel Mut gemacht. Das mit dem Singen, das Campen, dein Haus in San Francisco... das war nicht gelogen, auch wenn... da ein ganz anderer Grund hinter steckt, als du dachtest, ändert das nichts. Trotz, dass ich mir Sorgen um meinen Papa gemacht habe, ist das andere doch... nicht einfach nichtig. So habe ich mich noch nie zuvor gefühlt, bei einem Jungen aber... aber ich bin da auch nicht... besonders gut oder bewandert...“ Ihre völlige Fehleinschätzung der Lage, machte sich nun so richtig Bemerkbar. „...deswegen war es gut, dass Chris mich abgeholt hat. Du wolltest... mich nicht und... dieser Junge in dem Haus... das... das war keine Absicht aber ich habe das auch gar nicht kommen sehen, der hat mich benutzt – sogar ohne mir Geld dafür zu geben und dann... wurde mir klar, ich gehöre da nicht hin. Ich finde deine... deine Welt toll, du bist großartig... das ist mein Ernst, du bist sogar jetzt noch hier aber... das passt alles nicht. Ich kann nicht damit umgehen, wie ich dich mag, du mich aber nicht willst und ich kann auch nicht damit umgehen, wie es dir egal ist, wie man über mich spricht, wenn ich nicht da bin – du aber so tust, als wäre es dir wichtig – ich dir wichtig...“ Tatsächlich war Apple da immer sehr straight. „...Das macht ich durcheinander. Das ist wie mit dem Kuss, deinen lieben Worten in der Nacht auf dem Sofa und dann – nichts. Das wie, das war nicht schön und ich... du hast es nicht verdient, dass dir jemand so weh tut aber ich war ganz froh, dass Chris dem einfach so... ein Ende gesetzt hat. Irgendwann wusste ich auch nicht mehr, wie ich dir das alles hätte sagen sollen... ich hatte Angst vor deiner Reaktion.“ Man könnte meinen, da waren noch immer mehr Tatsachen im Dialog, als Gefühle von ihr aber Noah kannte Apple nun auch eine Weile, sie konnte die meisten Regungen doch nicht einmal selbst definieren und das war auch bis zuletzt eine seiner größten Sorgen, dass sie sich von ihrem bisherigen Leben nicht erholte. Das sie zu kaputt war. Wie sonst könnte sie so schnell wieder in alte Muster finden. " War... war es das? Ist... ist das... was du wissen wolltest?"
13.07.2016 22:57
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Noah Scott
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Beitrag #36
RE: STRAßENSTRICH
Stillschweigend nahm ich alles hin, was Apple mir sagte, völlig ohne Wertung sogar. Ich hatte keine Erwartungen an sie in meinem Kopf, keine bestimmten Antworten, die ich von ihr hören wollte, und vor allem keine passende Reaktion darauf, trotz all der Zeit, die seit ihrem Verschwinden schon vergangen war und all der quälenden Fragen, über die ich seitdem grübelte. Ich hatte mir keine Checkliste ausgedacht, auf der sie eine gewisse Anzahl an Punkten abhaken musste, damit ich mich noch länger mit ihr auseinander setzte, ich wollte nur- ich wollte die Wahrheit. Ich wollte wissen, was tatsächlich in ihrem Kopf vorgegangen war. Ich wollte sie verstehen. Und je länger ich ihr ruhig in die Augen blickte, während sie über Chris sprach, über die bedingungslose Liebe zu ihrem Vater und was er für eine große, wichtige Rolle in ihrem Leben eingenommen hatte, desto eher verstand ich auch. Desto besser konnte ich nachvollziehen, warum Apple mich belogen hatte. Sogar als sie ihre eigene Theorie aufstellte, weshalb ich meiner Freundin glaubte, wenn sie Chris der Vergewaltigung beschuldigte - weil mein Herz zu gut war, nicht etwa, weil Lahja die Wahrheit sagte - blieb ich noch immer ruhig und völlig ohne Reaktion. Erst danach, erst als Apple mir in die Augen sah und meine Unentschlossenheit vor ihrer überstürzten Flucht aus San Francisco so falsch deutete, wandte ich den Kopf ab, verlor meinen Blick in den lodernden Flammen des Feuers vor uns. Und da blieb ich auch still hängen, viel zu lange, auch dann noch, nachdem Apple sich bei mir erkundigt hatte, ob meine Fragen damit beantwortet waren. "Ich will mich nicht mit dir streiten und ich will dir auch keine Vorwürfe machen", fand ich erst nach einer gefühlten Ewigkeit meine Stimme wieder, obwohl trotz der Ruhe in meinem Kopf noch immer nicht mehr Klarheit herrschte. "Für die Menschen, die ich so liebe wie du deinen Vater geliebt hast, würde ich viele Dinge tun. Verrückte Dinge. Bestimmt auch falsche Dinge. Deshalb-- Ich verstehe und ich akzeptiere, warum du mich belogen hast, das ist okay." Durch die Dunkelheit suchte ich wieder den Blick in Apples Augen, um ihr ganz deutlich zu zeigen, dass ich meine Worte ernst meinte. "Ich- weiß nur nicht, wo mein Platz da ist. Ich weiß nicht, was das für mich und für dich und- für uns bedeutet. Tut es dir Leid, dass du mir nicht die Wahrheit gesagt hast? Du hast dich nie dafür entschuldigt, ist dir das aufgefallen? Nicht als Chris auf einmal in meinem Zimmer stand, nicht danach, obwohl ich mehrmals versucht hab dich zu erreichen, und auch jetzt nicht." Langsam schüttelte ich den Kopf, zog unsicher meine Schultern nach oben. "In den letzten Wochen ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht hab. Ich konnte anfangs nicht schlafen, weil mein Kopf keine Ruhe geben wollte, und ich hatte niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Ich hab dir alles von mir gegeben, Apple, alles, was ich dir geben konnte. Ich war für dich da, wenn du mich gebraucht hast, ich hab mein Haus mit dir geteilt, mein Bett. Ich hab versucht dir ein anderes, besseres Leben zu zeigen, dir meine Freunde vorgestellt, meinen Chef, ich hab- alles für dich getan. Damit es dir gut geht. Und du- du konntest zu mir nicht einmal ehrlich sein? Tut dir das- tut dir das gar nicht Leid?" Mittlerweile war ich emotional so aufgewühlt, dass ich immer wieder mit meinen Händen gestikulierte oder die Finger durch meine Haare zog. "Und ich wollte dich, Apple. Ich weiß, dass- dass ich verwirrt war und ich kann verstehen, dass es bei dir daher falsch angekommen ist, aber ich wollte dich immer. Ich wollte, dass du mit mir nach San Francisco kommst, dass du da mit mir lebst, meine Freunde kennen lernst, bei mir bist. Ich wollte das alles. Mehr, als du ahnen kannst. Dass ich in der Küche nicht reagiert hab - dass ich nichts gesagt hab, um dich zu verteidigen - das war falsch und das tut mir Leid. Ich war vor den Kopf gestoßen und schockiert, einerseits weil diese Menschen, die ich eigentlich gerne mag, so widerliche Dinge über dich gesagt haben, aber auch, weil- weil mich das selber verletzt hat. Weil alles, was gegen dich geht, auch automatisch mich verletzt." Das war der Preis, den man dafür zahlte, wenn man jemanden so nah an sich heran ließ. "Aber- alles andere-- Apple, was ich dir in der Nacht nach dem Kuss gesagt hab, betrunken, das meinte ich auch so. Alles. Ich hatte Gefühle für dich, hab ich immer noch, aber ich bin mir unsicherer denn je, ob das gut oder schlecht für mich ist. Und wie ich damit umgehen soll. Du bringst mich durcheinander. Das alles hier bringt mich durcheinander. Ich-" Kopfschüttelnd brach ich ab. Da war so viel in mir, was ich ihr noch so gerne sagen wollte, um ihr mein Verhalten zu erklären, aber als ich im flackernden Licht des Feuers noch einmal in Apples Augen sah, wusste ich nicht einmal, ob sie das überhaupt hören wollte.
14.07.2016 01:21
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Apple Jean White
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Beitrag #37
RE: STRAßENSTRICH
Das war unheimlich Nervenzehrend, hier neben ihm zu sitzen und dann kam da auch noch das aus ihm heraus, was Apple den Menschen nie zugestand. Sie hörte sich an, was in ihm vorgegangen war und auch, wie sie ihn verletzt hatte – was er in seinem Kopf und auch mit sich alleine hatte durchmachen müssen. Fuck, das war verdammt nochmal nicht einfach. Tief sog sie also die Luft in ihre Lungen, rieb sich über die gekreuzten Oberarme und probierte in Worte zu fassen, was in ihr vorging und auch, was in ihr vorgegangen war aber nicht, ohne ihm zu sagen, was auf ihrer Seele brannte. „ Ich bin.. nicht... gut für dich Noah, ganz bestimmt nicht. Ich würde dir gerne etwas anderes sagen aber ich... glaube... ich habe genug gelogen. Das hier zieht dich mit nach unten und das ist... einfach nicht gut.“ Da wo Apple nun angekommen war, das hatte sie gewusst, war kein Platz für Menschen an ihrer Seite – nicht zuletzt, weil doch auch sie nur mehr litt, wenn sie sich zugestand, wie scheiße sie das alles fand und auch so ehrlich war sie. „ Ich sage das nicht nur für dich sondern auch für mich. Das zieht nicht nur dich nach unten sondern es erinnert mich daran, wie anders sich alles anfühlen kann und sollte... im Leben. Ich hatte eine Familie, die war zwar erlogen aber es gab sie und ich weiß, wie sich das anfühlt, jemanden gerne zu haben aber das passt hier nicht hin. Das tut... weh. Uns beiden am Ende.“ So viel Einblick hatte sie seid Jahren niemandem gegeben, Apple fühlte sich nackter als vor jedem Freier in ihrem Leben. „ Das ist nicht die Entschuldigung aber... du solltest schon Wissen, dass ich nicht gewusst habe, dass du dich gemeldet hast. Bis ich Haily getroffen habe. Mein... mein Dad hat alles, was ich hätte dazu benutzen können, Kontakt aufzunehmen, weggesperrt.“ Eigentlich wollte sie auf Chris nichts kommen lassen, nach dem Tod, deswegen nahm sie es zeitgleich in Schutz, was ihre Lippen verließ. „ Das war schon okay,... auch das er so Streng war. Er... er hat mich geliebt...“ Warum nur klang das so Unsicher? „...ich bin jeden Tag von der Schule abgeholt worden, von ihm oder einem seiner Leute und er hat gesagt, wenn ich noch einmal... noch einmal abhaue oder... mich nicht an seine Regeln halte, dann...“ Sie hob die Schultern, auch sie ließ mögliche Konsequenzen unausgesprochen aber mit der mahnenden Stimme, war wohl auch Noah klar, gutes verhieß diese Art der Drohung nicht. „ Während der Zeit gab es so viele Momente, wo es mir Leid tat, dass ich dich Belogen habe – wirklich...“ Und ja, sie hob den Blick auch in seine Richtung, um ihn offen anzuschauen. „...nachdem Chris mich geholt hat, war ich... wütend und verletzt. Ich habe mich daran festgehalten, es hat alles leichter gemacht, zu denken, du hast das Lügen verdient aber das hast du nicht. Ich wollte dir... die Enttäuschung ersparen und mir... die Folgen...“ Apple handelte eben oft Egoistisch. „...ich Glaube, wenn du davon sprichst, dass man für Menschen die man mag, verrückte Dinge tut – beinhaltet es auch, sie anzulügen, um ihnen nicht... das Leben schwer zu machen und sie nicht... zu vergraulen? Auch wenn das irgendwie... einfach... so passiert ist?“ Ja, Apple fragte ihn das, weil sie nicht wusste, ob man das so stehen lassen durfte. „ In den letzten Wochen, wo Haily so oft bei mir gewesen ist – da habe ich oft Nachts wach gelegen, mich gefragt wie es dir geht, wie du damit umgehst aber da habe ich schon... schon längst gedacht, dass du dich an die Wut auch so klammerst und das es... es für beide dann schon irgendwann okay ist. Es tut mir nicht Leid, dass ich dich Belogen habe, das wäre Unrecht zu sagen aber es tut mir Leid, dass ich... dafür Verantwortlich war, dass es dir schlecht ging. Das habe ich... so nicht gewollt. Alles was ich dir gesagt habe, außer mein Name und mein Alter, dass war wahr... ich... ich habe mich an meine Geschichte gehalten, weil ich mich nicht in Widersprüchen versticken wollte und irgendwann... irgendwann war das dann auch... wichtig und schön für mich. Deine Meinung und deine Gedanken.“ Dennoch schüttelte sie den Kopf. „ Du denkst das nur, weil wir so lange beieinander waren – aneinander gewöhnt aber... du wolltest mich nicht. Du wolltest nicht mit mir schlafen. Was du wolltest, ist mir Helfen – ein anderes, besseres Leben zu führen...“ Noah würde nicht mit dem Finger schnippsen und auf einmal war diese verquere Bindung in ihrem Kopf weg, zu Sex und was es hieß, ungewollt zu sein. Apple kannte das nicht. So kamen auch die Fragen zustande, die sie ihm stellte und wo jeder andere auch von alleine drauf gekommen wäre. „ Also warum bist... du hier? Was... was möchtest du von mir? Was erwartest du? Das ich mitkomme, alles wird wie vorher? Willst du mir nur zeigen, dass du Mitleid hast oder... wolltest du vielleicht doch nur Antworten? Gehst du nun wieder? Noah, ich begreife das nicht und ich bin auch verwirrt aber... ich kann... kann auch im Moment einfach... einfach nicht mehr.“ Sie wand sich von ihm ab, weil der Schmerz in ihrer Brust und der Kloß in ihrem Hals wieder so quälend wurde.
15.07.2016 02:06
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Noah Scott
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Beitrag #38
RE: STRAßENSTRICH
Während Apple sprach, zog sich mehrmals alles in mir zusammen und ebenso oft schüttelte ich schwach den Kopf, weil das, was sie sagte, entweder nicht richtig war oder mir einfach nicht gefiel. Trotzdem ließ ich sie ausreden, trotzdem fiel ich ihr nichts ins Wort, sondern starrte nur gedankenverloren in die Flammen vor uns, bis ich gar nicht anders konnte, als ihr in die Augen zu starren und darin nach Ironie zu suchen. Aber da war nichts. Sie meinte das wirklich ernst. "Ich wollte nicht mit dir schlafen? Deshalb wollte ich dich nicht?" Diese Aussage traf mich so unerwartet, dass alles andere dahinter erstmal zurück stand. "Stimmt, Apple. Ich wollte nicht mit dir schlafen und ich will auch immer noch nicht mit dir schlafen, aber das hat nichts - absolut gar nichts - damit zutun wie sehr ich dich mag. Oder angeblich nicht mag. Ich hab kein Interesse daran mit Frauen zu schlafen, für die ich entweder keine Gefühle hab oder bei denen ich mir meiner Gefühle so unsicher bin wie bei dir. Ich brauche Zeit dafür. Und Nähe. Vertrautheit. Wir waren noch dabei uns kennen zu lernen, wir waren betrunken, da waren - oder sind - so viele Zweifel in meinem Kopf. Deshalb wollte ich nicht mit dir schlafen, Apple. Das ist der einzige Grund. Mir ist das alles zu schnell gegangen. Und nein, ich hab dich auch nicht nur mit in mein Haus genommen, damit ich dir helfen und mich mit dieser Selbstlosigkeit rühmen kann. Ich hab all diese Dinge für dich getan und ich bin auch jetzt hier, weil ich dich mag. Weil ich- Gefühle für dich habe. Und- weil du mir wichtig bist, Apple." Meine zuvor ein wenig gepresst klingende Stimme, nahm auf einmal einen einfühlsamen, warmen Ton an. Und weil ich in Apples Gesicht erkennen konnte wie sehr sie sich gerade quälte, schob ich auch vorsichtig meine Hand zu ihr und legte sie um ihre Finger. "Erinnerst du dich, was ich dir über Freundschaften und Beziehungen erzählt hab? Wie das funktioniert? Dich in San Francisco so glücklich zu sehen, das hat mich glücklich gemacht. Mit dir auf der Bühne zu stehen, im Park zu liegen oder einfach nur durch die Stadt zu spazieren, das war schön. Mitansehen zu können wie du lachst und wie viel Spaß du hast. Wie du dich noch einmal ganz neu kennen lernst. Wenn ich dich in solchen Momenten angesehen hab, dann ging es mir so gut. Aber genauso- genauso verletzt es mich auch, wenn es dir schlecht geht. Als ich gehört hab, was passiert ist - mit Chris - da wollte ich zu dir, um für dich da zu sein. Um zu sehen wie es dir geht und- auch, ob ich dir helfen kann. Ob ich es irgendwie besser machen kann. Ich wollte für dich da sein, wenn du mich brauchst, nicht damit ich mir hinterher dafür auf die Schulter klopfen kann, sondern einfach nur, weil ich möchte, dass es dir gut geht. Über mehr hab ich nicht nachgedacht. Ich hab zwar gehofft, dass du mir meine Fragen beantwortest, aber ich hatte keinerlei Erwartungen an dich. Hab ich auch jetzt nicht. Und ich weiß auch nicht wie es weitergehen soll. Ich-" Schon wieder brach ich ab, schüttelte erneut meinen Kopf und war schon kurz davor meine Hand einfach von ihrer zurück zu ziehen, weil ich so neben mir stand, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte, aber stattdessen tat ich dann das genaue Gegenteil. Ich rutschte näher an Apple heran, so nah dass unsere Körper sich seitlich berührten, und schloss meine Hand nur noch fester um ihre. "Du kannst nicht für mich entscheiden, ob du gut für mich bist. Das geht nicht. Das ist eine Entscheidung, die ich alleine treffen muss, und ich möchte gerade lieber hier sein, als sonst irgendwo. Bei dir. Du bist nicht alleine, Apple, es sei denn- es sei denn du willst das. Ich werde mich dir nicht aufdrängen, wenn du mich nicht hier haben willst, also- also wenn du der Meinung bist, dass uns beiden das hier nicht gut tut und wenn du möchtest, dass ich gehe, dann tu ich das. Dann sag mir einfach, dass ich gehen soll. Ansonsten- ansonsten bleibe ich." Zumindest so lange, bis ich endlich Klarheit in meinen Kopf und in mein Herz bringen konnte. Und so lange sie mich brauchte.
17.07.2016 11:36
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Apple Jean White
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Beitrag #39
RE: STRAßENSTRICH
Das war alles gar nicht so leicht. Es war ja nicht so, dass Apple die Worte nicht in ihrem Kopf aneinanderreihen konnte oder das sie den Inhalt nicht verstand – nur nicht, wie das jemand so meinen konnte. „ Das... ist alles nicht so leicht für mich zu verstehen – okay? Ich... ich kenne das nicht so, dass war auch nicht gelogen.“ Zweifelnd sah sie auf die Hände der beiden aber es fühlte sich auch viel zu gut und Sicher an, um nun einen Rückzieher zu machen und als er auch noch so viel Näher an sie heran rutschte, konnte er auch erahnen, wie sie sich zierte und mit sich haderte aber dann doch den Kopf an seine Schulter anlehnte. „ Was hast du gedacht,... also bisher. Du hattest keine Antworten von mir, also was dachtest du, was ich für ein Mensch bin oder denkst du?“ Vielleicht war das junge Mädchen einfach selbst so überfordert und wusste nicht, was es im Leben wollte, was ihm gefehlt hatte und deswegen wollte sie es aus seiner Sicht und mit seinen Worten erklärt bekommen, anders konnte sie sich nicht Erklären, warum diese Frage auf einmal so brennend in ihrem Hinterkopf saß. Während sie sich dem Schnaps widmete, verweilte sie weiter an seiner Schulter und in ihren Augen spiegelte sich das leichte Lodern des Feuers. Warum war denn nicht alles so friedlich, still und schön? Warum hatte nicht alles wie in den Märchen enden können? Das das bei ihrem Vater sicher nicht so gekommen wäre, das konnte man einem siebzehnjährigen Mädchen, was sonst keine Familie mehr hatte, schwer beibringen. „ Und ich weiß nicht was ich will – eigentlich finde ich wirklich nicht, dass ich gut für dich bin und ich... bin besser alleine unterwegs. Auch für mich... aber ich mag gerade nicht alleine sein. Das ist der erste Abend, wo sich zwar alles unheimlich beschissen anfühlt aber... auch irgendwie anders. Ich... ich hatte mich auf das Konzert so gefreut... mir ging es richtig gut und dann... dann ist schon wieder etwas schlimmes passiert. Ich habe schon... schon fast Angst, dass sobald ich etwas... etwas habe, was sich gut anfühlt, dass es dann wieder... zerstört wird. Noah, ich frage mich auch... was ich getan habe, dass es so kommen musste... ich dachte echt... jetzt wird einfach mal alles gut.“ Daran, wie sie einfach begann zu erzählen, konnte man auch deutlich spüren, wie sehr Apple das gebraucht hatte. Nicht mehr alleine zu sein. Auch wenn sie das noch nicht sehen konnte, jeder andere Mensch, der schon einmal Probleme in seinem Leben durch Reden hatte Lösen können, konnte nun spüren, wie viel leichter es Apple das Herz machen konnte, eben nicht alleine, weinend unter dieser Brücke zu sitzen und den Tod ihres Vaters zu bedauern. „ Er fehlt mir...“ Auch wenn Noah und einige andere Menschen das nie so empfinden würden, sie vermisste ihren Vater – natürlich war das so. Jedes Kind hatte irgendwo Angst davor, was an dem Tag passieren würde, wenn man von seinen Eltern abschied nehmen müsste, für immer und ganz besonders, wenn da niemand mehr übrig blieb.
18.07.2016 22:40
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Noah Scott
Unregistered


 
Beitrag #40
RE: STRAßENSTRICH
Schweigend sah ich durch die Dunkelheit in Apples Gesicht und betrachtete für ein paar Sekunden still das Flackern des Feuers auf ihrer Haut und in ihren Augen, ehe ich den Blick wieder senkte und tief die Luft in meine Lungen sog. Würde sie ihren Vater weniger vermissen, wenn sie wusste, wer er wirklich war? Was er getan hatte? Würde es ihr leichter fallen seinen Tod zu akzeptieren, wenn sie verstand, weshalb Aiden die Kontrolle über sich verloren hatte? Wenn ich ihr sagte, dass sie selber auch niemals in Sicherheit gewesen wäre? So wie Apple über ihren Vater redete - all diese Regeln, die Verbote, seine strenge Art - das klang danach als wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis seine abgrundtief böse Seele auch Auswirkungen auf sie genommen hätte. Aber gleichzeitig konnte und wollte ich nicht derjenige sein, der ihr all diese Illusionen nahm. Ich wollte ihr nicht erzählen, was passiert war, und damit wohlmöglich dafür sorgen, dass sie sich nur noch verlorener und ungeliebter fühlte. Ich wollte nicht, dass sie noch mehr litt. Wenn ich es ihr aber nicht erzählte, dann stellte mich das vor genau dieses Problem, das ich jetzt hatte: All die liebevollen, traurigen Worte, die Apple über Chris verlor, konnte ich weder nachvollziehen, noch unterstützen. Ich wollte ihr kein Mitleid schenken für den Tod von dem Mann, der Lahja vergewaltigt und gefoltert und Lucy ermordet hatte. Das funktionierte nicht. Deshalb rieb ich mir mit meiner freien Hand auch verzweifelt über mein Gesicht, schüttelte noch einmal den Kopf und erwiderte einfach gar nichts. Statt ihr zu antworten, ihr gut zuzureden, löste ich nur meine Finger von ihren und legte meine Hand stattdessen auf Apples Rücken, um langsam über ihre Wirbelsäule und ihre Schulter zu streicheln. In der Hoffnung, dass sie sich dadurch wenigstens nicht mehr ganz so alleine fühlte. "Was ich gedacht hab -", ging ich lieber leise auf ihre zuvor gestellte Frage ein. "Das kann ich dir nicht genau sagen, weil sich- das jeden Tag geändert hat. Manchmal hab ich mir gedacht, dass alles nur gelogen war. Dass du alles getan hast, nur um aus mir herauszuquetschen, was du wissen willst. All unsere Gespräche, der Kuss und sogar unsere überstürzte Flucht an den Strand. Dass du gar nicht wirklich aus der Stadt raus wolltest, sondern dass du nur versucht hast meine Beziehung zu Lahja zu manipulieren. Ich war einfach- verletzt und wütend und- da kamen dann ganz automatisch so pessimistische Gedanken." Entschuldigend sah ich in Apples Gesicht. "Aber- wenn ich versucht hab realistisch darüber nachzudenken, dann- dann dachte ich, dass du dich einfach nur unheimlich verloren fühlst. Schon lange. Dass du einsam bist und perspektivlos und dass Chris dir alles gegeben hat, was du brauchst. Eine Familie, ein Zuhause, ein geregeltes Leben, Zuneigung, Sicherheit. Und dann - als du dich gerade so wohl gefühlt hast - hast du diese Anzeige gefunden. Und du hattest Angst, dass man dir das alles wieder weg nimmt. Also wolltest du etwas dagegen tun - du wolltest deinem Vater auch helfen, so wie er dir geholfen hat - deshalb bist du zu mir gekommen, in der Hoffnung, dass du irgendetwas findest, das du gegen Lahja verwenden kannst, aber- dabei ist etwas anderes passiert. Etwas, das du eigentlich nicht beabsichtigt hast. Ich glaube irgendwann war ich nicht mehr nur Mittel zum Zweck, sondern- du hast wirklich angefangen mich zu mögen. Und dann ging es nicht mehr nur um Lahja oder um die Anzeige, sondern auch um dich und um uns." Weil sie mir genau das eben auch schon bestätigt hatte, nickte ich einmal behutsam. "Ich denke nicht, dass du ein schlechter Mensch bist, Apple. Und deshalb glaube ich auch nicht, dass du nicht gut für mich bist. Ich glaube du bist sehr unsicher mit dir selber und du warst so lange alleine, dass du Angst hast dich jemand anderem zu öffnen. Gerade jetzt. Chris ist tot und du leidest und du bist verzweifelt und einsam und verloren. Ich glaube, dass du viele schreckliche Dinge gesehen hast und dass dein Vertrauen in andere Menschen deshalb nicht besonders groß ist und ich glaube auch, dass du eine riesige Last mit dir schleppst, von der ich nicht weiß, ob- sie dich irgendwann in die Knie zwingt. Ich glaube du bist unheimlich stark und erwachsen, aber ich glaube auch, dass deine Weltanschauung sehr verzerrt ist. Ich denke- das Leben in San Francisco, das war gut für dich. Das hat dir geholfen. Aber- wenn ich jetzt höre, dass du alles anzweifelst, was zwischen uns war, nur weil ich nicht mit dir schlafen wollte, und dass du überhaupt nicht hören kannst, was ich dir in der Nacht gesagt und auch jetzt schon zwei Mal wiederholt habe, dann- dann frage ich mich, ob ich dir überhaupt helfen kann. Oder ob du- professionelle Hilfe brauchst. Weil ich nicht glaube, dass du mit dem alleine fertig wirst, was du erlebst hast." In meinen Augen spiegelte sich ganz deutlich wie viel Angst ich davor hatte diese Worte auszusprechen, weil ich genau wusste, dass Apple das nicht wollte. Professionelle Hilfe. Jugendämter, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter. Vor denen floh sie doch jetzt schon seit Jahren.
20.07.2016 16:45
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