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TIJUANA - Aiden Rutherford - 11.03.2017 12:18

Aiden hatte mit dem vielen Kokain und dem ganzen Geld nicht lange überlegen müssen, wohin es ihn trieb. Chas stellte kaum Bedingungen an sein Verschwinden, er sollte einfach nur aus der Stadt raus und den Kontakt zu Haily meiden, das wars, und weil Aidens eigene Anforderungen ähnlich simpel waren - er wollte feiern, mehr nicht - nahm er dafür eines der naheliegendsten Ziele: Tijuana in Mexiko. Dass er auf dem Rückweg mit den Drogen und dem Bargeld an der Grenze durchaus schwerwiegende Probleme bekommen könnte, wenn man ihn herauszog und das Auto durchsuchte, das nicht einmal auf seinen Namen angemeldet war, daran verschwendete er keinen einzigen Gedanken. Oder möglicherweise rechnete er unterbewusst auch jetzt schon damit, dass es diesen Rückweg mit diesem Risiko niemals so geben würde. Das Kokain, das Chas ihm gegeben hatte, würde seine endlosen Eskalationen sowieso nicht überleben, besonders sparsam ging Aiden auch mit seinem Geld nicht um und eventuell wäre das alles sowieso kein Kopfzerbrechen wert, wenn er einfach im Rausch sein Leben ließ. Er dachte nicht oft darüber nach, dass diese Möglichkeit tatsächlich nicht besonders fern lag, aber irgendwo tief in ihm war ihm durchaus bewusst, was er mit seinem Konsum und seiner Zerstörungswut gerade aufs Spiel setzte. Er war doch schon einmal dort gewesen, er hatte schon einmal beinah sein Leben verloren und damals schon eine Hand voll Ärzte gehabt, die alles daran setzten ihn eindringlich zur Vernunft zu bringen. Mit Erfolg. Damals hatte er Motivation fassen können und sich nach seinem Entzug in eine Rehabilitation begeben, aber das war verdammt nochmal so lange her, dass die Erinnerungen nur noch diffus in seinem Kopf rauschten. Seitdem war so viel passiert. Seitdem hatte Aiden so viel Leid aushalten müssen und sich darin selber verloren, schon wieder. Da gab es nicht mehr viel, an dem es sich lohnte noch festzuhalten. Um ehrlich zu sein nur eins: Haily.
Haily hatte ihn durch die letzten Wochen, durch die letzten Monate gebracht, sie hatte ihm seinen Weg ein bisschen ausschmücken, seiner Existenz ein wenig Licht geben können, aber trotz all ihrer Versuche Aiden zu zeigen wie gut er auch für sie war, hatte er das bis jetzt nicht verinnerlicht. Das lag nicht an ihr und auch nicht daran, dass sie zu wenig dafür gab, im Gegenteil, sondern an ihm selber. Daran, dass er in sich selber nichts mehr fand, das es wert war zu lieben. Da gab es nichts. Und Haily könnte noch so oft zärtlich über seinen Rücken streicheln und mit den Fingern seinen Nacken kraulen, sie könnte ihn noch so oft verliebt küssen oder strahlend anlächeln, ihm immer wieder sagen wie wundervoll er war, wie glücklich er sie machte und wie miserabel sie sich ohne ihn fühlte, Aiden würde ihr trotzdem nicht glauben. Manchmal redete er sich ein sie sei einfach nur verblendet, von dieser Liebe. Sie war so anfällig für schöne Gefühle, dass sie diese destruktive Beziehung nicht aus rationaler, objektiver Sicht betrachten konnte. Und dass sie deshalb auch nicht verstand, dass alles zwischen ihnen sowieso zum Scheitern verurteilt war.
Chas hingegen, der konnte das erkennen. Der sah das, jetzt schon, und vielleicht war auch das ein bedeutender Grund, weshalb Aiden sein Geld und damit auch seine Bedingungen angenommen hatte: Weil Hailys Bruder ihn endlich in dem unterstützte, was er doch schon lange wusste. Er war nicht gut für sie. Er tat ihr nicht gut. Und die Menschen, denen sie am Herzen lag, die erkannten das ebenso. Nicht nur Chas, sondern auch all ihre Mitbewohner, all ihre Freunde. Aiden merkte doch wie sie ihn manchmal ansahen und nicht recht verstehen konnten, was Haily überhaupt an diesem unfreundlichen, arroganten, immer schlecht gelaunten Menschen finden konnte. Offen ablehnend war keiner von ihnen, das ging anscheinend gegen ihre Prinzipien - und ja, Aiden konnte auch nicht verleugnen, dass sie ihm zu Beginn alle herzlich und offen begegnet waren - aber mittlerweile herrschte dort eine spürbare Spannung zwischen ihm und einigen anderen Personen im Haus. Es war sogar schon einmal vorgekommen, dass ein Freund von Haily ihn sich zur Brust nehmen und ihm eine Lektion erteilen wollte wie man mit anderen Menschen umging, aber Aiden hatte das einfach abgeblockt, so wie alles andere auch. Es machte ihm nichts, wenn man ihn nicht leiden konnte, ihm selber ging es im Gegenzug ja genauso, aber je öfter er die Ablehnung der anderen spürte, desto drängender wurde auch die Frage, warum Haily einfach nicht sah, was für alle anderen anscheinend klar auf der Hand lag. Was musste denn passieren, damit sie sich endlich nicht mehr von ihm belügen, beschimpfen und verletzen ließ? Wie oft musste er ihr denn noch das Herz brechen, bis sie endlich zu müde wurde die Einzelteile wieder zusammen zu setzen?
Das, was er jetzt mit dem Geld von Chas tat, war nur ein weiterer Punkt auf einer langen Liste an Enttäuschungen, für die er verantwortlich war, aber diesmal glaubte Aiden wenigstens daran, dass es endgültig war. Ihr Bruder würde nicht zulassen, dass sie sich noch einmal auf die Suche nach ihm begab, egal was passierte, und selbst wenn sie es doch einfach tat, was würde Haily dann vorfinden? Nach etwa einer Woche sah Aiden schlimmer aus als je zuvor. Der wenige Schlaf und der grenzenlose Konsum machten sich in seinem Gesicht, in seiner Haut, seinen Augen bemerkbar, und ebenso präsent war auch die Gleichgültigkeit, die bei ihm mit den Drogen einher ging und sich in jegliche Aspekte seines Lebens übertrug. Ihm war es bis jetzt nicht einmal gelungen seine Schulden zu begleichen, das Geld lag noch immer im Koffer, versteckt unter seinem Bett im Zimmer eines mittelständigen Motels. Aiden hätte mit dem Geld von Chas alles tun können: Einen erneuten Entzug finanzieren, eine neue Wohnung anmieten, Rechnungen abbezahlen, endlich wieder ein Fundament in seinem Leben errichten und vielleicht, ja vielleicht hätte er das sogar getan, wenn er dieses Geld und Haily hätte haben können, aber das war nunmal nicht der Deal. Und ein Leben ohne Haily? Das hatte ähnlich wenig Wert wie ein Leben ohne Drogen.
Stattdessen war Aiden jetzt also hier, in Tijuana, in Mexiko, mit viel zu viel Geld und viel zu viel Koks. Er feierte, er eskalierte, er schlief so wenig wie möglich. Und binnen kürzester Zeit war er miserabler denn je, so drauf und so gleichgültig, dass selbst dann keinerlei Emotionen auf seinem Gesicht erkennbar waren, als doch eines abends auf einmal Haily vor dem Eingang zu seinem Motelzimmer saß, auf der Motorhaube von Chas Auto. Sie wusste von dem Geld, sie wusste was geschehen war, doch dass er sie daraufhin sprachlos anstarrte hatte weniger damit zutun, dass er auf einmal wieder eine Chance für sie beide sah, sondern eher mit der plötzlichen, drängen, schmerzhaften Angst in Aidens Nacken, dass ihr Bruder nun seine Drogen und sein Geld zurückfordern würde. Das tat er aber nicht. Und diesmal war Haily auch nicht hier, um wieder Licht in Aidens Leben zu bringen, sie war nicht hier um ihn mit Liebe zu überschütten oder um ihn die Schönheit in der Welt sehen zu lassen, sondern um das Gegenteil von Aiden zu verlangen. Diesmal wollte sie in seine Welt eintauchen. Sie wollte sehen, was er sah. Tun, was er tat.
Anfangs verstand er noch gar nicht so recht, was das bedeuten sollte und wie sie das umsetzen wollte, er versuchte bloß sie wieder wegzuschicken und sie dazu zu bewegen, dass Haily ihn endlich in seiner Tristesse und Selbstzerstörung zurück ließ, aber genauso penetrant wie immer weigerte sie sich auch diesmal gegen seine Forderung. Ihren Rucksack warf sie einfach in den Wagen von Chas und als Aiden sich nach einer verbalen Auseinandersetzung wütend abwandte, um sich erneut in die Drogen und in einen abgeranzten Techno-Club zu flüchten, folgte sie ihm auf Schritt und Tritt. Die ganze Zeit. Egal, was Aiden zu ihr sagte, wie er versuchte sie loszuwerden: Sie beachtete ihn einfach nicht. Selbst als er probierte sie zu ignorieren, ließ sie sich davon nicht einschüchtern. Sie verfolgte ihn wie ein Schatten und als ob das noch nicht genug wäre, tat sie auch genau das, was er tat. Wann immer er es tat. Kokain, endloses Feiern, zu viel Alkohol dazwischen, mehrere Tage ohne Schlaf, all das zog sie genauso durch wie er und obwohl es Aiden eigentlich egal sein sollte - war es das nicht. Sie war ihm nicht egal. Haily konnte ihm gar nicht egal sein. Die Drogen dämpften seine Empathie ihr gegenüber, sie verschleierten wie sehr er sie liebte und wie sehr er sie brauchte, aber trotzdem konnte er nicht einfach gleichgültig mitansehen wie sie sich in ihr Verderben stürzte. Wie sie so feindselig mit ihrem eigenen Körper und ihrer eigenen Seele umging wie er.
Jeden verdammten Tag ließ er sie das auch spüren, immer wieder, wenn Aiden wütend auf sie wurde und sie anschrie sie solle verdammt nochmal endlich verschwinden und ihn in Ruhe lassen. Er wollte sie hier nicht, er wollte sie generell nicht und obwohl ihm diese Lüge beinah das Herz zerriss, war es doch die einzig richtige Entscheidung. Scheiße, warum sah sie das denn nicht? Warum ließ sie ihn nicht endlich los? Zusätzlich war es nämlich auch noch ein ganz andere Art von Belastung, dass er dank ihr mit eigenen Augen beobachten musste wie zerstörerisch er selber mit sich umging. Im Rausch der Drogen ging das normalerweise unter, er kannte sich auch gar nicht mehr anders, aber Hailys Haut wurde so schnell ganz fahl, ihre Augen leer, die Lippen trocken und ihr Körper kraftlos und müde. Schon nach ein paar Tagen hatte sie nichts mehr gemein mit diesem strahlenden, vor Liebe strotzenden Energiebündel, das er sonst kannte. Da war so wenig Ähnlichkeit geblieben und trotzdem- trotzdem ließ sie einfach nicht los. Warum ließ sie denn nicht endlich los?
Bewusst würde Aiden es sich niemals selber eingestehen, aber dass er eines nachts - nachdem Haily schon mehrere Tage an seinen Fersen hing - mit einer fremden Frau auf den Club-Toiletten verschwand, so offensichtlich, dass sie es auch zweifelsfrei mitbekam, tat er nur, um sie zu verletzen. Um sie dadurch hoffentlich endlich von sich zu vertreiben. Wenn Haily bei ihm war, dann gab es in seinem Kopf eigentlich keinen Platz für andere Frauen. Wenn Haily sich ständig in seinem Blickfeld befand, dann existierte da niemand anderes um ihn herum. Das war schon immer so gewesen und das würde auch immer so bleiben. Aiden konnte gefühlskalt mit anderen Frauen schlafen, wenn er alleine feiern ging, damit hatte er kein Problem, aber Haily war für ihn wie ein Magnet. Wenn sie sich in der Nähe befand, dann gab es nichts anderes, außer sie. Niemand sonst war seine Aufmerksamkeit mehr wert. Die Frau, die er an diesem Abend hinter sich her zog, war daher auch ganz willkürlich ausgewählt - in seinem Kopf war kein Raum, um zu kontrollieren, ob sie seinen Anforderungen entsprach - doch in der engen Kabine der Toilette sollte er auch schnell merken, dass er seinen Plan nicht recht durchdacht hatte. Denn obwohl Haily sich zwar nicht mehr in seinem Blickfeld befand, war sie immer noch da. Überall. Sie nahm ihn vollkommen ein, so sehr, dass es Aiden absolut nicht gelingen wollte ich auf die Fremde hier zu konzentrieren. Auf die dunkelhaarige, kurvige Frau, die absolut gar nichts mit dem blonden Hippie-Mädchen gemein hatte, das er so sehr liebte. Seine Lippen waren nicht bei ihr, sondern bei Haily, als er sie küsste, und seine Hände sehnten sich nach der vertrauten Wärme seines Fabelwesens, nicht nach den unbekannten Kurven. Es gelang Aiden einfach nicht von Haily loszulassen und obwohl die Dunkelhaarige sich durchaus bemühte, konnte er einfach nicht abschalten. Sein Körper weigerte sich gegen sie und während die fremde Dame noch vor ihm kniete, um alles dafür zu geben ihn zu erregen, musste er sich wütend, verzweifelt, beschämt geschlagen geben. Es ging einfach nicht. Sie war nicht Haily. Und ohne ein weiteres Wort mit ihr zu wechseln, ohne einen weiteren Blick auszutauschen, zog er sich plötzlich von ihr zurück, schloss fluchend seine Hose und verschwand mit angespannten aufeinander gepressten Kiefern aus der Kabine, um in den Bässen der elektronischen Musik den Frust darüber loszuwerden.
Doch so weit kam er gar nicht. Noch bevor er sich zwischen die tanzenden Menschen schieben konnte, suchten seine Augen den Raum nach Haily ab und als er sie endlich sah, am Rande der Theke, im engen, intensiven Gespräch mit einem anderen Mann, blieb er auf einmal urplötzlich stehen und ließ sich von seinem rasenden Herzen regelrecht lähmen. Sie redete nicht einfach mit diesem Mann wie mit ihren Freunden und Mitbewohnern in der Küche, sie war nicht neugierig interessiert, an ihm und an seinen Geschichten. Ihr Blick war anders, ihre Körpersprache war anders. Sie berührte ihn. Sie verführte ihn. Und während Aiden noch immer regungslos dort stand, sich selber und seinen ungewollten Emotionen völlig ausgeliefert, musste er mitansehen wie auch sie sich in Richtung der Toiletten begab, mit jemandem, den sie kaum kannte. Mit einem Mann, der gar nicht sah, wie viel Wert in ihr steckte. Für ihn war sie nur irgendjemand, nur eine weitere, willige Frau, eine schnelle Erleichterung, ein Punkt auf seiner langen Liste. Sie war für ihn so unbedeutend und genau dieser Gedanke war es, den Aiden nicht ertragen konnte. Für ihn war sie nur eine hübsche Hülle.
Er würde sich selber noch verfluchen, für das, was er als nächstes tat, aber Aiden konnte sich auch nicht gegen sich selber wehren, als er plötzlich angespannt und entschlossen hinter ihnen her ging, als er die Personen zur Seite drängte, die ihm entgegen kamen, und gerade noch rechtzeitig seine Hand gegen die Kabinentür der Toilette drücken konnte, hinter der Haily mit ihm verschwinden wollte, bevor sie ins Schloss fiel. Völlig kopflos griff er gewaltsam nach dem Pullover des Fremden, zog ihn mit einem Ruck heraus, von ihr weg, und stieß seinen Körper grob gegen die gegenüberliegende Wand, während er ihm mit tiefer, dunkler, wütender Stimme Beleidigungen entgegen fluchte. Für einen Moment schien der Mann zu überlegen, ob er sich gegen Aiden behaupten wollte, aber als dieser ihm gar keine Chance dazu gab und ihn direkt brutal in Richtung des Ausgangs stieß, gab er sich dann doch erbost geschlagen. Weil Haily für ihn eben nicht Haily war. Er wusste nicht, um was er da kämpfen sollte. Für ihn war sie nur ein attraktives Gesicht und die fand man vielfach da draußen, zwischen den anderen Frauen. Aiden aber, der sah in Haily so viel mehr als das und wie brachial ihn das jetzt treffen würde, als er schwer atmend, wütend zur Seite blickte und ihr direkt in die Augen sah, darauf war auch er nicht vorbereitet. Die dunklen Ränder unter ihren Augen sollten ihn eigentlich abschrecken, ihre trockenen Lippen sollten ihn alarmieren, ihre leeren Augen zurückhalten, aber nichts davon trat ein. Unter der Zerstörung der Drogen war sie noch immer die Frau, die er liebte, und sein Kopf, sein Körper hatten gerade beide keine Kraft, um sich gegen sie zu wehren. Sie war da, er sehnte sich so sehr nach ihr, und ohne ein Wort zu sagen, ging er auf einmal auf sie zu, in die Kabine hinein, schob seine Hand grob in ihren Nacken, presste ihren Körper mit seinem eigenen gegen die Wand und verschloss ihre Lippen, um sie atemlos zu küssen.


RE: TIJUANA - Haily Stone - 12.03.2017 14:33

Haily hatte keinen Plan, wie lange sie hier bleiben würde. Sie wusste nicht, wann ihre Grenzen erreicht wären. Als sie gehört hatte, wo Aiden steckte, war ihr einziger Gedanke gewesen, zu ihm zu fahren und das ohne zu Wissen, was sie von ihm wollte. Ihm Vorwürfe machen? Ihn ausfragen, wie er ihr das antun konnte? Haily dachte darüber natürlich nach, sie zweifelte mehr an seinen Gefühlen zu ihr denn je aber dann hatte sie ihn gesehen und sie konnte halt nicht aus ihrer Haut. Sie war eben wer und wie sie war. Ihr Herz schlug zu schnell, als sie Aiden wieder sah und sie hing so sehr an ihm. Vorwürfe hätten demnach keinen der beiden weiter gebracht und sie wusste doch, sie würde auf dem direkten Weg keine Antwort bekommen, warum er dazu in der Lage war, sie erneut so hängen zu lassen. Die Antwort wäre wahrscheinlich so simpel wie schrecklich, das Kokain war es. Haily war tief Verletzt darüber, dass ihr Lachen und ihr Herz, ja ihr Glück ihm so gleichgültig waren und vielleicht kam daher der Gedanke, sich ebenso zu Grunde zu richten wie er. Vielleicht erhoffte sie sich zu verstehen, wieso sie gegen das Kokain nicht gewonnen hatte. Wieso er es mehr lieben konnte als sie. Mochte sein, dass auch der Gedanke da war, ihm zeigen zu wollen, wie Schmerzhaft es war, mit anschauen zu müssen, wie ein geliebter Mensch sich so selbst zerstörte aber wer sagte ihr denn, dass sie genau so eine Rolle in seinem Leben spielte wie er in ihrem? Haily hatte vieles über sich ergehen lassen und sie hatte ihn immer wieder in Schutz genommen, vor allem und jedem, dass würde sie auch jetzt noch – weil sie verliebt war und weil sie wusste, wer Aiden noch sein konnte aber er hatte sie so schrecklich oft belogen. Er hatte das getan, was sie am meisten gebeten hatte, ihr nicht wieder an zu tun und einfach zu verschwinden. Noch weniger mochte sie die Emotionen, die in ihr hoch krochen, wenn sie begann sich mit Lucy zu vergleichen oder eher sich bewusst zu werden, sie würde nie so einen Hohen Stellenwert in seinem Leben bekommen und deswegen würde er sich nicht ändern – weil sie nicht genügte. Haily war kein Mensch, der gerne solche Gedanken hegte und eigentlich versuchte sie sich dann einfach in ihrer Liebe für sich selber oder ihrem Leben aufzufangen aber diesmal war da etwas anders und weil es nur einen Weg gab, mit einer Trennung oder eine Liebe abzuschließen, nämlich alles verrückte tun, was das Herz verlangte, stieg sie auf seine eigen Zerstörung ein und begünstigte die gemeinen Gedanken damit nur in ihrem Kopf. Der blonde Hippie ertrug eine Menge, wenn sie sich in sich und mit sich Wohl fühlte – ihre Welt hatte sie in Kopf, Herz und Seele immer bei sich aber Kokain war eine der Drogen, die am meisten an den Grundfesten des Charakters eines Menschen rüttelten. Dieser Arroganz und Futter fürs Ego Effekt, der blieb bei ihr aus, das hatte bei einer Person wie Haily noch nie angeschlagen. Für sie war alles und jeder auf der Welt gleich und auch jetzt würde sie nie denken, sich gegenüber jemand anderem erhabener zu fühlen und auch wenn sie in der ersten Nacht extremer Tanzte und verrückter, mit größeren Augen, die Bässe um sich herum genoss, dann wartete da am nächsten Tag weniger auf sie. Ihr Körper war ihr wichtig, ihre Ruhe, ihr Schlaf – auch wenn man das so nicht dachte bei der aufgedrehten Person, sie hatte ein perfektes Zusammenspiel zwischen Körper und Geist geschaffen und gerade zerschlug sie das alles. Manchmal machte ihr ein Schwindelgefühl zu schaffen, das machte ihr Angst. Mal das schnelle und harte pochen ihres Herzens, auch das führte zu Panik und wenn sie dann nur weiter künstlich wach hielt, dann arbeitete sie gegen sich selber und das ging eigentlich so sehr dem entgegen, was sie auszeichnete. Wenigstens ließen sich Aidens Attacken, sein Anschreien und seine verletzenden Worte gegen sie mit dem Kokain aushalten. Manchmal, wenn es zu schlimm wurde und sie danach aus seinem Sichtfeld verschwand, wenn sie gerade runter kam, war Haily auch schon die ein oder andere Träne über die Wange gerollt aber noch immer wollte sie ihm auch kein schlechtes Gewissen machen oder viel mehr sein Leben nur noch schwerer. Haily war doch die Starke von den beiden. Sie war hier, weil sie hier sein wollte. Er hatte das Recht gemein zu sein, weil sie ihm wieder gegen seinen Willen nach lief und sie wartete doch nur auf ein Zeichen aus ihrem inneren, wann sie das hier beenden müsste – oder ob das hier vielleicht in einer Romanze mit zwei Drogentoten endete? Haily liebte ihr Leben aber nur wenn sie es so lebte, wie es sie leitete und wenn sie nun aufggeben würde, würde sie ihr Leben nur noch halb verbringen weil ein Teil wäre genau hier geblieben, bei Aiden, in dieser Phase und sie war dazu nicht bereit. Haily wollte sich ganz fühlen oder gar nicht. Leider wurden auch die Gedanken an Chris an Tagen, wo sie zu lange wach war wieder in ihr wach und generell, sie hatte das Gefühl, je mehr Eskalation desto mehr finstere Gestalten verschluckten sie oder lockten sie. Kein Wunder, was nach all diesen Jahren aus Aiden geworden war, wenn dem Lebensfrohen Wesen einige Tage schon alles so schwer erschienen ließen. Noch immer nahm sie ihn für seine Art in Schutz, noch immer wollte sie am liebsten alle Dämonen erst aus seinem und dann aus ihrem Leben verscheuchen – weil sie in der Lage war, sich irgendwann selbst zu heilen – und sie liebte ihn noch immer so schmerzhaft. Haily war eine Treue Seele, sie verschenkte ihr Herz nicht oft so ganz aber willkürlich und auch ihren Mitbewohnern hatte sie immer wieder gesagt, ob Aiden und sie zusammen passten, danach hätte ihr Herz nunmal nicht gefragt. Es war einfach so. Umso tiefer saß auch an diesem Tag wieder, was er vor ihren Augen tat und eine Weile sah sie gegen die Tür, wartend auf den Augenblick wo ihre innere Stimme ihr sagte, sie sollte gehen und ihr Herz damit begann, ihn los zu lassen. Diesen Gefährten aufzugeben. Doch nichts. Stattdessen kamen alte Gedanken auf, alte Probleme zwischen Aiden und ihr die so fern schienen, so lange her und allem voran so klein. Was gab ihm diese Frau, was sie nicht konnte? Wie fühlte sich das an, nur so benutzt zu werden? Haily hatte es mit Aiden versucht aber trotzdem – ihm war es nicht gelungen sie so zu behandeln, wie seine anderen Liebschaften und weil sie vergebens in sich horchte, ob es nun an der Zeit war, Aidens Lebensgeschichte zu verlassen, suchte sie mechanisch nach einem jungen Mann, auf der Basis, das es sie ohnehin schon ziemlich offensichtlich anstarrte. Es dauerte kaum lange, da begab er sich mit ihr zu den Toiletten und sie war schon fast erleichtert, weil diese reduzierenden Anmachen so leblos und so wenig bunt in ihren Ohren klangen, wie die Welt in ihrem Zustand. Eigentlich sah sie in diesem Mann genau so jemanden, wie Aiden einst Chris beschrieben hatte und vielleicht – vielleicht war zuerst das dran. Vielleicht verarbeitete sie nun eben diese Nacht und ihre Seele wollte danach erst mit Aiden abschließen, sie wusste es nicht, eigentlich war sie absolut überfordert. Das legte sich auch nicht, als der Fremde ihr beim gehen schon fast den Rock nach oben schob und die Tür noch gar nicht geschlossen, ihre Träger von BH und Top in einem herunter riss und sich eisigkalt die Toilettenwand auf ihrer Haut anfühlte. Kühl und leer, mit einem aufgeregt schlagenden Herzen stand Haily da und wusste nicht mal mehr, ob das eine gute Idee war – ob es egal war – ob ihr das hier irgendwas bringen konnte und wunderte sich, wie wenig man sich so schnell selbst nur noch Wert sein konnte, als auf einmal jemand das Szenario stürmte, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Aiden? Was machte der denn? War der etwa schon fertig? Refelxartig tat sie etwas, was sie sonst nie tat, weil sie sich normalerweise selbst liebte – sie schützte ihren entblößten Oberkörper mit den Unterarmen, auf denen man eine Gänsehaut ausmachen konnte und verfolgte das geschehen. „ Was...?“ Zu mehr kam sie nicht, als Aiden an die Stelle des Fremden trat und so viel Angst ihr sein muskulöserer, überlegener Körper auch machte, so sehr sehnte sie sich auch um jeden Preis so sehr nach seiner Nähe. Wie beim letzten Mal, als die beiden im Wald gestanden hatten und Aiden dieses offensive Verlangen nach ihr ausgelebt hatte – weil sie sich darauf einlassen wollte, hatte Haily das dringende Bedürfnis, alle Verantwortung in seine Hände zu geben. Sie schützte ihren Oberkörper nicht mehr, legte einfach die Unterarme ausgestreckt auf seinen Schultern ab und es war verrückt, trotzdem fühlte sich die Wand hinter ihr nicht so kalt an wie eben. Nicht so Bedrängend. Nicht so hart. Aiden war hier und wenn er hier bei ihr war, dann war die kleine Welt der Blonden Frau doch so viel freundlicher, wärmer, weicher – wieso sah denn nur er das nicht? Wie gut er für sie war? Wieso wollte er das nicht mehr? Haily vermisste ihn so schrecklich und zeitgleich vermisste sie ihre Welt etwas – jetzt gerade gab er ihr jedoch etwas von den Farben zurück. Liebe war so bunt und so schön, war diese Zerstörung es vielleicht am Ende doch Wert um ihm nur Nahe zu sein? Konnte er das Glück, was sie sonst in der Welt fand und in diesem Leben vergebens suchte, ersetzten? Wenn auch nur solange, solange er ihr ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken konnte als dem Kokain? Sie wollte es auf seine Weise, das Leben? Dann war das hier doch der nächste Schritt. Das hier fühlte sich auch irgendwie an, wie weg getreten und Haily war auch viel zu sehr in sich gefangen, wirklich eine Handlung oder große Geste zu erwidern aber sie liebte Aiden. Sie hatte ihn nicht daran Zweifeln lassen und ihre großen, runden Augen die schauten ihn so Sehnsüchtig an, wie seine Lippen im Gegenzug auf ihre trafen. Das Vertrauen in ihn, was so erschüttert schien, das gab er ihr in diesem Augenblick alles auf einmal zurück und alle Verantwortung.


RE: TIJUANA - Aiden Rutherford - 13.03.2017 21:32

Aiden wusste selber nicht einmal, was gerade in ihm geschah. Er verstand, dass er Haily noch liebte und dass er sich nach nichts und niemandem mehr sehnte, als nach ihr, ihrem Körper und ihrer Zuneigung, aber während den ganzen verdammten letzten Tagen hatte er nur versucht sie endlich loszuwerden. Er hatte versucht sie von sich zu weisen, wegzuschicken, sie zu beleidigen, zu beschimpfen und ihr endlich begreifbar zu machen, dass eine gemeinsame Zukunft sowieso niemals eine Option gewesen war, doch in diesem Moment geschah etwas, gegen das er sich einfach nicht wehren konnte. Vielleicht wollte er sich nur selber beweisen, dass sein Versagen mit der anderen Frau vorhin nicht an ihm lag, vielleicht machte ihn die Scham darüber auch weicher und zugänglicher, vielleicht lag es an dem Rausch, der gerade langsam in seinem Körper abflachte, oder möglicherweise erwischte ihn auch bloß ein schwacher Moment. Eventuell hatte dieser andere Mann an Hailys Seite ihn noch einmal deutlich spüren lassen wie sehr er sie eigentlich liebte und wie kurz davor er sich befand sie zu verlieren, endgültig. Vielleicht war es auch einfach ein Zusammenspiel aus all diesen Gründen, das ihn dazu motivierte seine Lippen auf ihre zu pressen und die Tür der Kabine hinter sich zuzudrücken, aber was es auch war, in nur wenigen Minuten würde er sein Handeln schon bereuen. Nicht, weil es sich nicht gut anfühlte ihr so nah zu, sie zu küssen, zu schmecken und zu fühlen, sondern einfach, weil er Haily damit nur mehr weh tat, als sie beide ertragen konnten. Wenn es ihm schon nicht gelang bei ihr zu bleiben und sich von den Drogen fernzuhalten, dann wollte er diesen endgültigen Abschied wenigstens so einfach wie möglich für sie beide gestalten, radikal und hart, aber das hier war das komplette Gegenteil davon. Das sendete ihr falsche Signale, vielleicht würde es sie sogar dazu motivieren Aiden noch nicht aufzugeben, noch ein wenig länger an ihm festzuhalten, und genau das versuchte er doch gerade zu verhindern. Weil er während der letzten Wochen gemerkt hatte, dass ein Leben ohne die Erleichterung des Kokain für ihn nicht mehr funktionierte. Und weil er wusste wie sehr Lucy damals unter seiner Sucht hatte leiden müssen. Es ging bei seiner Entscheidung gar nicht mehr um den Deal mit Chas, er versuchte nicht sein Wort ihm gegenüber zu halten, Hailys Bruder war ihm egal. Aiden wollte nur verhindern, dass er Haily auf seinem Weg nach unten mit sich riss. Er wollte ihr nicht mehr Schmerz und Leid und Sorgen bereiten, als sie aushalten konnte, und seiner Meinung nach war das mit seiner Abhängigkeit einfach nicht zu vereinen.
All das war aber in diesem Moment auf einmal wie weggefegt aus seinem Kopf. Da existierte nur noch die drängende Sehnsucht nach ihr, die er auslebte, indem Aiden seinen Körper hart gegen ihren presste. Seine Hände waren überall, seine Lippen verloren sich an ihrem Hals und obwohl es für Haily durchaus den Anschein erwecken könnte als wäre sie für ihn auch nur eine schnelle Freiwillige, eine unbedeutende Liebschaft, war es für Aiden doch so viel mehr als das. Seine Fingerspitzen kribbelten unter jeder Berührung, sein Herz schlug schneller als je zuvor und zeitweise fühlten sich sogar seine Knie ganz weich an. Haily würde all das nicht sehen können, sie würde nicht verstehen, was wirklich in Aiden geschah, aber nachdem er diese Frau einmal kennen gelernt hatte, könnte sie nie wieder nur eine hübsche Hülle für ihn sein. Nur ein attraktives Gesicht. Eine schnelle Erleichterung. Dass er so schnell ihren Rock nach oben zog hatte bloß mit der drängenden Leidenschaft zutun, damit, dass er schon viel zu lange auf sie hatte verzichten müssen, und dass er sich so eilig, hart in sie schob tat er nur, weil ihn diese Art von Sex nunmal am meisten erregte. Und weil sein vom Kokain rauschender Körper sich danach verzehrte. Die beiden hatten schon einmal so miteinander geschlafen und Haily hatte sogar selber Gefallen daran finden können, unter diversen Umständen, aber als Aiden in sie kam, während er ihren Körper noch grob gegen die Toilettenwand presste und die Finger einer Hand schmerzhaft in einem ihrer Beine vergrub, geschah etwas, womit er selber nicht gerechnet hatte. Die Vernunft kam auf einmal in ihn zurück. Die Gewissheit, dass er soeben einen großen Fehler begangen hatte. Dass er Haily damit nur mehr verletzte. Wie ein Schock zog sich diese Erkenntnis durch ihn hindurch und unbewusst dessen, dass er ihr dadurch nur weitere falsche, äußerst gefühlskalte Signale sendete, zog er sich urplötzlich von ihr zurück. Ihre Füße sackten auf den Boden, ihr Körper fand auf einmal keinen Halt mehr an Aiden und jegliche Zuneigung und Zärtlichkeit schwand aus seinem Blick.
Nachdem sie zum ersten und einzigen Mal so miteinander geschlafen hatten, war es Haily wichtig gewesen mit ihm hinterher darüber zur reden und ihre Sorgen mit ihm zu teilen, aber alles, was Aiden ihr damals versprochen hatte, verlor sich jetzt gänzlich darin wie erschrocken er von sich selber war. Diesmal nahm er nicht liebevoll ihr Gesicht in seine Hände, er küsste sie nicht zärtlich oder sagte ihr sanft wie sehr er sie schätzte, wie schön sie war. Er hielt ihren Körper nicht dicht an seinem, streichelte nicht über ihre zitternde, erhitzte Haut und er gab ihr auch nicht das Gefühl anders für ihn zu sein, als die übrigen Frauen, denen er sich so emotionslos näherte. Jetzt gerade sah es aus als wäre Haily genau das, was sie niemals für Aiden sein wollte - eine schnelle Nummer auf einer versifften Club-Toilette - und zu allem Überfluss gelang es ihm nicht einmal mehr ihr in die Augen zu sehen. Mechanisch zog er bloß seine Hose wieder hoch, schloss den Knopf seiner Jeans und griff bereits nach der Türklinke, ehe er doch noch einmal inne hielt und seinen starren Blick gegen ihre Brust richtete. "Verschwinde endlich von hier, Haily", verließ dabei hart und viel zu kalt seine Lippen. In dem Ton seiner Stimme konnte man weder hören noch ahnen wie riesig der Kloß war, der in seinem Hals drückte, und Aiden gab ihr auch keine Chance etwas davon in seinen Augen zu erkennen, so schnell wie er sich danach abwandte und nach draußen lief. Von den Toiletten in den Clubbereich und von dort direkt an die frische Luft, fort von all diesen Geräuschen, von der ohrenbetäubend lauten Musik und den vielen Menschen. Normalerweise war ein Ort wie dieser immer etwas wie ein Zufluchtspunkt für Aiden, wenn er nicht mehr weiter wusste, aber jetzt gerade wollte er einfach nur weg hier. Weg von Haily.
Stattdessen floh Aiden, wie so oft, auch heute wieder in den Rausch der Droge. Erst, indem er in einer dunklen Seitengasse, versteckt hinter ein paar Mülltonnen, eilig das Pulver in seine Nase zog, das er noch in der Hosentasche mit sich herum trug, dann indem er sich irgendwann in den frühen Morgenstunden auf den Heimweg begab, zurück zum Motel, um dort nachzulegen. Mittlerweile war ihm auch durchaus bewusst geworden wie falsch er Haily soeben behandelt und wie viele weitere Versprechen er gebrochen hatte und obwohl er damit zwar genau das erreichte, was er eigentlich wollte - sie endlich so sehr zu verletzen, dass es ihr gelang ihn loszulassen - fühlte er sich doch schuldiger und miserabler denn je. Er hatte Haily in dieser Nacht zum letzten Mal gesehen, daran zweifelte Aiden keine Sekunde. Nie wieder würde sie ihn verliebt ansehen, ihn nie wieder liebevoll berühren, doch anstatt erleichtert darüber zu sein und den Kokainrausch völlig frei von Verpflichtungen zu genießen, spürte er auch sein eigenes verdammtes Herz dabei brechen. So oft hatte er Haily im Stich gelassen und so oft hatte er schon diese schmerzhaften Schuldgefühle verspürt, aber heute- heute traf es ihm aus Gründen, die er selber nicht verstand, noch härter als üblich. Vielleicht spürte er unterbewusst, dass er auf dieser dreckigen Toilette nicht anders mit ihrem Körper umgegangen war als Chris - genauso lieblos, genauso herzlos, genauso egoistisch. Als wäre sie nichts wert. Und vielleicht spürte er, dass auch Haily das so sah. Dass Haily darin endlich gefunden hatte, wonach sie jetzt schon so lange suchte. So oft hatte Aiden sich vorgenommen diesen Weg mit ihr gemeinsam zu gehen, ihr zu helfen, sie zu unterstützen und ihr beizustehen, diesen Schmerz mit ihr gemeinsam zu verarbeiten, aber stattdessen hatte er es nur noch schlimmer für sie gemacht. Stattdessen war sie auf sich allein gestellt. In einer Stadt, die sie nicht kannte. Unter Einfluss einer Droge, die sie nicht mochte.
Ob er wirklich vorhatte seinem Leben an diesem Morgen ein Ende zu setzen, könnte Aiden im Nachhinein nicht mehr beantworten. Er würde sich nur daran erinnern, dass er dort in dem kleinen Motel-Zimmer auf dem Boden hockte und immer mehr Kokain in seine Nase zog, um verzweifelt nach dieser Gleichgültigkeit zu suchen, die er doch sonst immer in seinem Rausch fand. Er wollte endlich seinen Kopf abschalten, er wollte diese Selbstvorwürfe abschalten und ja, vielleicht zog er dabei auch in Erwägung, dass ein Versagen seiner Organe ebenfalls besser war, als weiterhin diesen Schmerz in seiner Brust zu spüren, aber wie ernst es ihm damit war? Und ob er sich wirklich nach dem Tod sehnte oder nur nach einer Pause, für seinen Kopf und für seinen Körper? Das wusste er nicht. Das Letzte, an das er sich noch erinnern konnte, war sein rasendes Herz, seine zitternden Hände und wie sich sein Atem immer mehr beschleunigte. Er erinnerte sich noch an die kalten Schweißausbrüche, an die Hitzewallungen, daran wie er sich verzweifelt den Pullover vom Körper zerrte und immer schwerer atmete. Daran wie er versuchte aufzustehen, die Hand dabei auf dem Bett abstützte, um entweder an die frische Luft zu kommen oder an das kalte Wasser im Waschbecken, doch es gelang ihm nicht einmal sich hinzustellen, ehe die Übelkeit ihn überkam, sein Mageninhalt sich auf den Boden entleerte und dabei seine Beine unter der Last seines eigenen Körpers wegsackten. Und dann war auf einmal alles schwarz.